Sturmflut
Mittwoch, 4. Juni 2014
"Go get it!"
... schrieb mein Ex-Teamleiter neulich, als ich ihm von meinem anstehenden Vorstellungsgespräch berichtete.

Hab' ich gemacht.

Ich setze die Ausbildung fort. Betrieb fünfzehn Fahrradminuten von hier entfernt, erheblich mehr down to earth als die Agentur. Ich freue mich drauf. Geht doch!

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Tod einer Illusion.
Zu meiner Enttäuschung gesellt sich jetzt maßlose Wut. Ich glaube, so wütend bin ich auf S. noch nie gewesen.

Ich fühle mich verarscht, von vorne bis hinten manipuliert, und das auf eine Weise, die mir kaum eine Handhabe lässt. Denn egal, was ich jetzt sage oder tue, ich verliere garantiert.

Zuerst druckste sie herum in der Mail, die sie mir schickte, um unser Pfingsttreffen abzusagen. Ach je, ich weiß gar nicht, wie ich das schreiben soll, wir sind gerade nach Hause gekommen, und jetzt dachte ich, muss ich Dir spätestens mal Bescheid geben. Ich hab mich auch sehr auf das Pfingstwochenende gefreut... (...) Ich hoffe sehr, Du bist nicht allzu enttäuscht und es ist tatsächlich auch nur ein bisschen verschoben.

Ja, "nur" ein bisschen. Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht vorher auch schon endlos über ein Treffen gesprochen und als hätten wir nicht auch bereits einen früheren Termin verschoben. Es ist immer nur ein "bisschen" verschoben, und am Ende ist es Dezember, und dann kann sie nicht, weil sie ja noch an all die Weihnachtsgeschenke denken muss und ihre Familie noch etwas von ihr will und überhaupt...

Ich hatte Langmut und Verständnis, so wie immer bei S.. Aber der Vorrat ist aufgebraucht. Ich wünsche mir Verbindlichkeit in einer Freundschaft und das Gefühl, nicht nur ein Punkt auf dem Pflichtprogramm zu sein, das sie mit allen Menschen durchzieht. Kommt sie überhaupt gern zu mir? Geht es ihr darum, mich zu sehen und Zeit mit mir zu verbringen, oder geht es ihr nur darum, mich nicht enttäuschen zu wollen, weil dann ja eine negative Reaktion von mir kommen könnte?

Man könnte Letzteres für eine boshafte Unterstellung meinerseits halten. Ginge das alles nicht schon jahrelang so. Sie bückt sich so tief in ihrer Absagemail. Auf dass ich nur nicht böse auf sie sein möge.

Ich habe ihr geantwortet. Ich habe nicht geschrieben: "Ach, ist schon alles in Ordnung, ich verstehe Dich, mach alles ganz in Ruhe, so wie Du magst!" Tausendmal habe ich diese Worte so oder ähnlich schon ihr gegenüber geäußert. Dazu hatte ich keine Lust, weil ich wirklich kein Verständnis mehr habe. Es kann nicht so schwer sein, 500 Kilometer Distanz zum Trotz, einmal im Jahr eine Freundin zu besuchen, wenn man es wirklich will.

Also kein Bedauern von meiner Warte. Statt dessen schrieb ich ihr, sie möge einen neuen Termin vorschlagen, wenn sie einschätzen kann, ob es wirklich klappt.

Was dann folgte, liest sich auf den ersten Blick allenfalls wie eine Rechtfertigung. Es sei sehr schwierig, irgendwas abzuschätzen, denn sie hätten ja so viel um die Ohren, so viel Leid mitanzusehen, müssten sich so um ihre Lebensabschnittsschwiegereltern kümmern, und sie hätten wirklich keine Energie mehr. Alles Punkte, für die man Verständnis haben kann, oder besser, sollte.

Und genau das ist der Grund, warum ich mich massiv manipuliert fühlen, und zwar auf unfairste Weise.

Gegen so viel Engagement und psychische Belastung kann man einfach nichts sagen, es lässt gar keinen Raum für etwas anderes als Bedauern, Mitleid und Verständnis. Ich fühle mich zu einer Reaktion gezwungen, die es mir nicht erlaubt, auch nur ansatzweise meine Enttäuschung und meinen Ärger auszudrücken. Sankt S. hat ihren Heiligenschein, weil sie ja nicht aus egoistischen Gründen absagt, sondern nur deshalb, weil da noch tausend andere Menschen sind, die dringend ihrer Aufmerksamkeit bedürfen, weil sie niemandem ihre Hilfe versagen will, weil es wichtig ist, weil diese Menschen Familie sind. Was ist dem gegenüber noch die Enttäuschung über ein entgangenes Treffen unter Freundinnen? Nächstes Mal...! Bald! Ganz bestimmt!

Sie spielt die emotionale Karte und erstickt damit jegliche Kritik im Keim. Das verletzt mich wirklich, mehr als die Absage an sich. Schau her, das bin ich! Nichts für mich, alles für andere! Nichts selbst entschieden, alles Anforderungen des Lebens an mich! Ich kann nichts dafür. Es geht mir ja auch schlecht wegen all dem. Du kannst mir gar nicht böse sein. Es liegt ja alles nicht in meiner Macht!

Darunter dann noch eine Schicht. Wie kannst Du es wagen, auch nur Bedauern auszudrücken? Wie kannst Du es wagen, auch nur anzudeuten, dass das Scheitern dieses Treffens in meinen Händen lag? S. ist unangreifbar, sie sitzt auf dem Thron des großen Samaritertums. Sie signalisiert mir deutlich, dass sie weitere Kritik, und sei sie noch so marginal, nicht erlaubt. Dass es unangemessen ist, zornig auf sie zu sein und dass sie jegliche Verantwortung für alles ablehnt. Ihre Äußerungen haben etwas Endgültiges. Bis hierhin und nicht weiter!

Vermutlich gibt es die S. nicht mehr, von der ich immer noch hoffte, dass sie wieder zum Vorschein kommt. Es gibt nur noch diese verkrampfte, verbissene Person, die es allen recht machen muss, weil sie sich sonst nicht gut fühlen kann. Und wenn sie es mal nicht schafft, es allen recht zu machen, dann erwartet sie dafür die Absolution. Sie möchte sich trotzdem gut fühlen, dafür sollen die anderen sorgen.

Sorry, S., aber das kann ich nicht leisten. Das hat mit Freundschaft nichts mehr zu tun. Mein Verständnis ist am Ende, meine Geduld ist am Ende, meine emotionalen Ressourcen und meine Anteilnahme sind am Ende. Ich werfe das Handtuch.

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