Sturmflut
Samstag, 23. Mai 2015
Widrigkeiten
Wenig Schreibelaune gerade. Wieder mal haben die Wochen 50 Stunden statt 40, müssen Aufträge ganz dringend bis gestern erledigt werden, und am Donnerstag habe ich 15 Stunden am Stück durchgearbeitet. Keine Zeit zum Schlafen, keine Zeit, ordentlich zu essen, keine Ruhe, um mich richtig zu erholen. Daneben bleibt alles andere liegen. Das vor mir liegende lange Wochenende mildert die Spannung, von der ich einfach hoffe, dass sie sich auch mal über längere Zeiträume etwas gibt.

Dabei weiß ich, dass es auch an mir liegt. Der Druck, ständig 300 Prozent geben zu müssen, ist irgendwie in mein Leben eingebaut. Die Häme und Strenge, mit denen das Urteil über mich fällt, sind so intensiv, dass es unmöglich ist, es einfach drauf ankommen zu lassen, auch mal Fehler zu machen. Es gibt kein "Habe ich nicht geschafft...", "Ging nicht!", "Morgen ist auch noch ein Tag!" Je mehr ich mich abzappele, um so höher steigt auch der Maßstab, ins Unermessliche. Und was mich am meisten fertig macht ist, dass auch ausgleichende Erfahrungen es überhaupt nicht erst schaffen, sich mir nachhaltig einzuprägen. Beinahe jeden Tag erlebe ich, dass Versäumnisse mich nicht den Kopf kosten, dass jeder Fehler macht, dass alles ganz menschlich zugeht, und trotzdem...

Kein Wunder, dass das mir die Energie raubt. Der neue Arzt empfahl Sport, der mich auspowert. Ich selbst wünsche mir die Kraft, all die Dinge und Ideen ins Leben zu rufen, die mir durch den Kopf geistern. Aber harte Maßstäbe, ganz gleich, woher sie kommen, sind tödlich für Kreativität. Immer wird Wollen gleich zu Müssen. Ohne Leistung läuft in meinem Leben nichts. Dinge um ihrer selbst willen zu tun, ist kaum möglich.

Meine Überwachungsinstanz verzeiht nichts, gönnt nichts, lobt nichts und lässt vor allem keinen Frieden. Stress von außen ist eine Sache, diese Folter eine ganz andere. Ich ahne, das hört nie auf. Nicht, wenn sich nicht in meinem Leben noch einmal etwas ändert. Wie ich das hinbekomme, muss ich erst noch herausfinden. Vor allem möchte ich nicht das auch noch gut machen müssen.

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