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Sonntag, 21. Februar 2016
Ich ertrag's nicht mehr.
Am 21. Feb 2016 im Topic 'Hoch- und Niedrigwasser'
Es gehört normalerweise zu meinen festen Gewohnheiten, nach dem Nachhausekommen von der Arbeit den Fernseher einzuschalten. Auf Tagesschau24 schaue ich mir an, was es Neues in der Welt gibt. Ich möchte gerne kurz und bündig über die Geschehnisse informiert sein, damit ich danach meinen eigenen Kopf in Gang werfen und das Gesehene für mich einordnen kann. Manchmal schaue ich mir noch den einen oder anderen Hintergrundbericht an. Zusätzlich lese ich diverse Blogs, und es tauchen Informationen in meiner Twitter-Timeline auf. Natürlich sind die letzteren beiden Quellen sehr durch meine subjektive Perspektive gefärbt, denn ich lebe nun einmal auch in einer Filterblase.
Als ich gestern von der Arbeit kam, landete ich ziemlich müde auf dem Sofa, sichtete, hörte und las die Nachrichten und konnte dann nicht mehr. Ich merkte beinahe körperlich, wie ich an meine Grenzen kam. Zunächst waren da die Videos der Geschehnisse in Clausnitz. Syrien, das unsägliche "Asylpaket II", und nach diversen weiteren Nachrichten kam dazu dann noch die Meldung zu Deutschlands glänzend laufenden Rüstungsexporten, unter anderem nach Katar. Da habe ich es nicht mehr ausgehalten, zur Fernbedienung gegriffen und ausgeschaltet. Es war mir einfach zu viel, ich hätte heulen können.
Ich sehe üblicherweise immer die Notwendigkeit, mich zu dem, was ich sehe, höre und lese, zu positionieren. Aber das saß jetzt nicht mehr drin. Schon vor einigen Wochen war es dem Gatten ganz ähnlich gegangen, der mit einem Mal abends zu mir sagte, er käme mit der Welt nicht mehr klar. Ich verstehe ihn.
Ich hatte versucht, meine Haltung auf Twitter zu verbalisieren und fing mir dabei dann auch noch die zweifelhafte Ehre ein, von mehreren ganz offensichtlich fremdenfeindlich gesinnten Kameraden retweetet zu werden. Man sollte wohl immer dazu schreiben, ob man die aktuelle Politik von der linken oder der rechten Seite aus kritisiert. Besagtes Missverständnis gab mir jedenfalls dann den Rest.
Denken ist für mich in dieser Lage schwierig. Denn was ich sehe und erlebe, macht mir einfach nur noch Angst. Ich will etwas tun, erschrecke aber angesichts des hemmungslosen Hasses einfach nur noch bis in die Knochen und verharre bewegungslos. Es geht mir ein wenig wie Patricia Cammarata (Das Nuf Advanced). Sie schreibt:
Und am Ende, hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage "Warum habt ihr nichts getan". Ich weiß gerade nicht, was ich tun kann. Was ich tun muss. Wirklich muss. Ich will diese Entwicklungen nicht mehr dulden. Ich will nicht Teil einer fremdenfeindlichen Kultur sein. Ich will ein Mensch bleiben. Menschlich sein, Mitgefühl haben, Empathie. Ich will nicht zuschauen und alles geschehen lassen.
Ich weiß es auch nicht, und das macht mich fertig. Dieses Gegröhle, das man in dem Clausnitzer Video sehen konnte, dazu das Verhalten der Polizei, die dummen Ausreden im Anschluss (das Zeigen eines Mittelfingers berechtigt also zu einem solchen Vorgehen seitens der Polizei?), die körperliche Gewalt, die schreienden Stimmen - all das macht mir fürchterliche Angst.
Ich bin kein besonderer Mensch, ich habe bislang nicht viel für die Flüchtlinge in meiner direkten Umgebung getan und auch nicht viel gegen die ortsansässigen Nazis. Ich bin auf ein paar Demos gewesen. Unser Freund hat einmal einen jungen Syrer zu unserem Kinoabend mitgebracht - einen stillen, sehr höflichen und bescheidenen Jungen. Ich habe mich ab und an mit einigen der zwei Häuser weiter wohnenden Asylbewerber unterhalten, sie gegrüßt, angelächelt, wenn mir danach war. Das sind alles keine Heldentaten, sondern Dinge, die mir leicht fielen und nichts zu tun haben damit, Farbe zu bekennen.
Ein paar Nazis hatten wir ebenfalls zwei Häuser weiter, unschwer zu erkennen an Ihren Autokennzeichen mit der 88, ihrem Outfit und ihrem W-LAN-Netzwerk, das sie mit "White Power" benannt hatten. Ich war nur froh, als sie von hier weg zogen.
Der greifbare Hass, der sich nicht erst seit vorgestern Bahn bricht, macht mich auch deshalb so hilflos, weil ich den Eindruck habe, das alles kommt aus der Mitte, aus dem Herzen der Normalität. Sicher, in meiner Filterblase und meinem Freundeskreis ist es überhaupt nicht schwer, sich einig zu sein. Aber bereits im Kollegium kennt wieder jeder jemanden, der mal mit jemandem gesprochen hat, der "weiß": Ausländer klauen. Ausländer vergewaltigen. Ausländer sind Frauenfeinde. Ausländer sind Terroristen... (Beliebiges ergänzen.) Gleich einer urbanen Legende: Jeder kennt ja auch die Spinne in der Yuccapalme.
Die Politik "schämt" sich unterdessen einfach nur kollektiv vor den Kameras, um dann weiter ihren Kurs zu fahren, Ressentiments zu schüren und das Leben denen schwer zu machen, die es ohnehin nicht leicht haben. Sie spielt damit den Hassenden in die Hände. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, sie trägt eine deutliche Mitschuld an diesem heißen, gewalttätigen Hass. Es ist wenig glaubwürdig, den Menschen im Land Zivilcourage, soziales Verhalten und Gemeinsinn abzufordern, wenn man zugleich mit übelsten polemischen Schlagworten versucht, das am rechten Rand entlaufene Stimmvieh wieder einzufangen. Es ist kaum zu erwarten, dass die Bevölkerung sich für ihre Würde und Freiheit und die anderer Menschen einsetzt, wenn man ihr mit düsteren Terrorszenarien Angst macht und sie damit bei ihrem Wunsch nach Sicherheit packt. Das muss in die Lähmung führen.
Derart betäubt schaffen wir keine realistischen Blicke auf das Geschehen mehr, erkennen keine Zusammenhänge, sind handlungsunfähig. Ich schließe mich mit ein. Denn inzwischen hat in diesem Land (und in ganz Europa) ja irgendwie jeder jemanden, vor dem er Angst haben kann. Die einen haben Angst vor dem Verlust ihrer Pfründe und davor, dass sie zu Gunsten Fremder, Homosexueller oder Arbeitsloser übervorteilt werden. Die anderen haben Angst vor den "besorgten Bürgern", weil sie fürchten, Stellung für irgendwen oder irgendwas zu beziehen könnte auch ihnen bald einmal eine eingeschlagene Scheibe, einen Molotowcocktail an der Hauswand oder Morddrohungen bescheren. Auch da schließe ich mich ein.
Solche Angst tut mir nicht gut, sie tut niemandem gut. Aber ich habe auch das deutliche Gefühl, es helfen keine Lichterketten und Gegendemos, keine Online-Petitionen, keine "Deutschland ist bunt"-Plakate. Gegen die geballte Irrationalität der Angst sind solche Mittel machtlos, ja regelrecht niedlich.
Welches Bekenntnis würde ich abgeben wollen, wie würde ich mich verhalten wollen? Wieviel und welchen Einsatz ist es mir wert, (nicht nur) vor dem Hintergrund der Geschichte meines Landes den Anfängen zu wehren? Kann ich das überhaupt? Auf wievielen Baustellen kann ich mich zeitgleich abarbeiten? Habe ich dazu die Kraft?
(Das ist ein bisschen wie bei der immer zu kleinen Bettdecke - egal, an welcher Ecke man zieht, man ist nie ganz zugedeckt. Sie reicht einfach nicht. Das ist eines meiner persönlichen Probleme, aber vielleicht doch auch wieder nicht. Wir stecken ja schließlich alle mehr oder weniger im kraft- und zeitraubenden turbokapitalistischen Wahnsinn fest, der uns am klaren Denken und Erkennen durch seine Vereinnahmung hindert. Das aber nur so am Rande, auch wenn's da eigentlich nicht hingehört.)
Die, die da so hemmungslos und empathiebefreit "Wir sind das Volk!" brüllen, könnten dieselben sein, die mir, Dir und Ihnen morgen aus welcher "Sorge" heraus auch immer die Hütte anzünden und den Schädel einschlagen. Sie brauchen keinen Grund, denn jeder Grund ist gut genug.
Das macht mich wirklich verzweifelt. Wirklich. Verzweifelt.
Als ich gestern von der Arbeit kam, landete ich ziemlich müde auf dem Sofa, sichtete, hörte und las die Nachrichten und konnte dann nicht mehr. Ich merkte beinahe körperlich, wie ich an meine Grenzen kam. Zunächst waren da die Videos der Geschehnisse in Clausnitz. Syrien, das unsägliche "Asylpaket II", und nach diversen weiteren Nachrichten kam dazu dann noch die Meldung zu Deutschlands glänzend laufenden Rüstungsexporten, unter anderem nach Katar. Da habe ich es nicht mehr ausgehalten, zur Fernbedienung gegriffen und ausgeschaltet. Es war mir einfach zu viel, ich hätte heulen können.
Ich sehe üblicherweise immer die Notwendigkeit, mich zu dem, was ich sehe, höre und lese, zu positionieren. Aber das saß jetzt nicht mehr drin. Schon vor einigen Wochen war es dem Gatten ganz ähnlich gegangen, der mit einem Mal abends zu mir sagte, er käme mit der Welt nicht mehr klar. Ich verstehe ihn.
Ich hatte versucht, meine Haltung auf Twitter zu verbalisieren und fing mir dabei dann auch noch die zweifelhafte Ehre ein, von mehreren ganz offensichtlich fremdenfeindlich gesinnten Kameraden retweetet zu werden. Man sollte wohl immer dazu schreiben, ob man die aktuelle Politik von der linken oder der rechten Seite aus kritisiert. Besagtes Missverständnis gab mir jedenfalls dann den Rest.
Denken ist für mich in dieser Lage schwierig. Denn was ich sehe und erlebe, macht mir einfach nur noch Angst. Ich will etwas tun, erschrecke aber angesichts des hemmungslosen Hasses einfach nur noch bis in die Knochen und verharre bewegungslos. Es geht mir ein wenig wie Patricia Cammarata (Das Nuf Advanced). Sie schreibt:
Und am Ende, hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage "Warum habt ihr nichts getan". Ich weiß gerade nicht, was ich tun kann. Was ich tun muss. Wirklich muss. Ich will diese Entwicklungen nicht mehr dulden. Ich will nicht Teil einer fremdenfeindlichen Kultur sein. Ich will ein Mensch bleiben. Menschlich sein, Mitgefühl haben, Empathie. Ich will nicht zuschauen und alles geschehen lassen.
Ich weiß es auch nicht, und das macht mich fertig. Dieses Gegröhle, das man in dem Clausnitzer Video sehen konnte, dazu das Verhalten der Polizei, die dummen Ausreden im Anschluss (das Zeigen eines Mittelfingers berechtigt also zu einem solchen Vorgehen seitens der Polizei?), die körperliche Gewalt, die schreienden Stimmen - all das macht mir fürchterliche Angst.
Ich bin kein besonderer Mensch, ich habe bislang nicht viel für die Flüchtlinge in meiner direkten Umgebung getan und auch nicht viel gegen die ortsansässigen Nazis. Ich bin auf ein paar Demos gewesen. Unser Freund hat einmal einen jungen Syrer zu unserem Kinoabend mitgebracht - einen stillen, sehr höflichen und bescheidenen Jungen. Ich habe mich ab und an mit einigen der zwei Häuser weiter wohnenden Asylbewerber unterhalten, sie gegrüßt, angelächelt, wenn mir danach war. Das sind alles keine Heldentaten, sondern Dinge, die mir leicht fielen und nichts zu tun haben damit, Farbe zu bekennen.
Ein paar Nazis hatten wir ebenfalls zwei Häuser weiter, unschwer zu erkennen an Ihren Autokennzeichen mit der 88, ihrem Outfit und ihrem W-LAN-Netzwerk, das sie mit "White Power" benannt hatten. Ich war nur froh, als sie von hier weg zogen.
Der greifbare Hass, der sich nicht erst seit vorgestern Bahn bricht, macht mich auch deshalb so hilflos, weil ich den Eindruck habe, das alles kommt aus der Mitte, aus dem Herzen der Normalität. Sicher, in meiner Filterblase und meinem Freundeskreis ist es überhaupt nicht schwer, sich einig zu sein. Aber bereits im Kollegium kennt wieder jeder jemanden, der mal mit jemandem gesprochen hat, der "weiß": Ausländer klauen. Ausländer vergewaltigen. Ausländer sind Frauenfeinde. Ausländer sind Terroristen... (Beliebiges ergänzen.) Gleich einer urbanen Legende: Jeder kennt ja auch die Spinne in der Yuccapalme.
Die Politik "schämt" sich unterdessen einfach nur kollektiv vor den Kameras, um dann weiter ihren Kurs zu fahren, Ressentiments zu schüren und das Leben denen schwer zu machen, die es ohnehin nicht leicht haben. Sie spielt damit den Hassenden in die Hände. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, sie trägt eine deutliche Mitschuld an diesem heißen, gewalttätigen Hass. Es ist wenig glaubwürdig, den Menschen im Land Zivilcourage, soziales Verhalten und Gemeinsinn abzufordern, wenn man zugleich mit übelsten polemischen Schlagworten versucht, das am rechten Rand entlaufene Stimmvieh wieder einzufangen. Es ist kaum zu erwarten, dass die Bevölkerung sich für ihre Würde und Freiheit und die anderer Menschen einsetzt, wenn man ihr mit düsteren Terrorszenarien Angst macht und sie damit bei ihrem Wunsch nach Sicherheit packt. Das muss in die Lähmung führen.
Derart betäubt schaffen wir keine realistischen Blicke auf das Geschehen mehr, erkennen keine Zusammenhänge, sind handlungsunfähig. Ich schließe mich mit ein. Denn inzwischen hat in diesem Land (und in ganz Europa) ja irgendwie jeder jemanden, vor dem er Angst haben kann. Die einen haben Angst vor dem Verlust ihrer Pfründe und davor, dass sie zu Gunsten Fremder, Homosexueller oder Arbeitsloser übervorteilt werden. Die anderen haben Angst vor den "besorgten Bürgern", weil sie fürchten, Stellung für irgendwen oder irgendwas zu beziehen könnte auch ihnen bald einmal eine eingeschlagene Scheibe, einen Molotowcocktail an der Hauswand oder Morddrohungen bescheren. Auch da schließe ich mich ein.
Solche Angst tut mir nicht gut, sie tut niemandem gut. Aber ich habe auch das deutliche Gefühl, es helfen keine Lichterketten und Gegendemos, keine Online-Petitionen, keine "Deutschland ist bunt"-Plakate. Gegen die geballte Irrationalität der Angst sind solche Mittel machtlos, ja regelrecht niedlich.
Welches Bekenntnis würde ich abgeben wollen, wie würde ich mich verhalten wollen? Wieviel und welchen Einsatz ist es mir wert, (nicht nur) vor dem Hintergrund der Geschichte meines Landes den Anfängen zu wehren? Kann ich das überhaupt? Auf wievielen Baustellen kann ich mich zeitgleich abarbeiten? Habe ich dazu die Kraft?
(Das ist ein bisschen wie bei der immer zu kleinen Bettdecke - egal, an welcher Ecke man zieht, man ist nie ganz zugedeckt. Sie reicht einfach nicht. Das ist eines meiner persönlichen Probleme, aber vielleicht doch auch wieder nicht. Wir stecken ja schließlich alle mehr oder weniger im kraft- und zeitraubenden turbokapitalistischen Wahnsinn fest, der uns am klaren Denken und Erkennen durch seine Vereinnahmung hindert. Das aber nur so am Rande, auch wenn's da eigentlich nicht hingehört.)
Die, die da so hemmungslos und empathiebefreit "Wir sind das Volk!" brüllen, könnten dieselben sein, die mir, Dir und Ihnen morgen aus welcher "Sorge" heraus auch immer die Hütte anzünden und den Schädel einschlagen. Sie brauchen keinen Grund, denn jeder Grund ist gut genug.
Das macht mich wirklich verzweifelt. Wirklich. Verzweifelt.
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