Sturmflut
Mittwoch, 29. September 2010
Nach dem Sturm
Ich bin zutiefst erstaunt über das Ausmaß und die Tiefe meines Misstrauens. Ich habe meine Wut herausgelassen und meine Gedanken formuliert und dann festgestellt, dass auch ich verletzen kann - vor allem, indem ich die guten Absichten meiner Mitmenschen in Zweifel ziehe. Nicht offen oder vorwürflich (zumindest meistens), sondern insgeheim, bis es mich so richtig zernagt im Inneren.

Was für ein bunter Haufen von Gefühlen, der da zurückblieb wie Strandgut, wie die Hinterlassenschaften hochschlagender Wellen. Das Gefühl für meine eigene Kraft und die Erkenntnis, dass ich nicht so machtlos bin, wie ich es mir zeitweilig einbilde. Stolz darauf, meine eigenen inneren Barrieren überwunden zu haben. Das Gefühl von Scham darüber, einem Menschen seine wahrhaftige, aufrichtige Motivation in Abrede gestellt zu haben, und Mitgefühl für seine Verletzung. Das Gefühl von Erkenntnis darüber, wie ich eigentlich ticke - das Bild ist detaillierter und klarer als zuvor. Und schließlich auch eine leise Spur von Angst, was unter diesen Schichten und Schichten, die durch solche Stürme freigelegt werden, noch alles so zum Vorschein kommt.

Ich sitze im Sand und lausche dem ruhiger gewordenen, wieder stetigen statt wütendem Rauschen. Das ist kein schlechtes Gefühl, alles ist ein bisschen gelassener, weniger existenziell, weniger anstrengend - kein Kampf mehr gegen den Wind. Vielleicht, weil ich Wissen erworben habe über meine eigene Sturmfestigkeit.

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