Sturmflut
Freitag, 15. Oktober 2010
Jauche und Spekulatius
Die letzte Heimfahrt von der Arbeit mit la bicicletta entwickelte sich zu einem olfaktorischen Erlebnis. Der Wind stand günstig.

In der Gegend ist eine Keksfabrik angesiedelt, die offenbar die Produktion von Spekulatius hochgefahren hat. Oder sie sind schon seit dem Hochsommer damit befasst, aber der Wind hatte mir vorher noch nichts davon zugetragen. Als mir kurz vor Erreichen meiner vier Wände dieser süße Duft in die Nase kroch, drängelte sich der Reiz direkt an den rationalen Bereichen meines Gehirns vorbei in tiefere, primitivere Schichten und vermittelte mir schlagartig ein Gefühl von Zuhause-Sein und Wohligkeit. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ich gar nicht so gern Spekulatius esse. Aber dieses süße Wabern in der Luft hatte es in sich.

Sekunden später wurde der köstliche Duft ergänzt um das, was man hierzulande trocken mit dem Begriff "Landluft" umschreibt. Es ist, als gelte es den Bauern, möglichst vor den ersten Frösten noch einmal sämtliche Hinterlassenschaften ihrer Borstenviecher auf die Felder zu kippen, damit im Winter der Stall nicht überläuft. Die Komposition mit dem Gebäckaroma war höchst eigenartig, befremdlich, ein wenig ekelhaft - verband sich doch im Gehirn zweierlei Grundverschiedenes. Zu unvereinbar waren die zwei Bestandteile, versehen mit den Etiketten "vorne rein" und "hinten raus".

Im Grunde kann ich aber noch froh sein, denn der Wind wehte nicht von der Kläranlage (Menschen riechen bisweilen noch schlimmer als Schweine) oder vom Schlachthof (ja, man kann Blut tatsächlich riechen).

Da ist mir die Keksfabrik doch lieber, auch wenn sie der Wind vom kleinen Jauchehauch nicht zu trennen vermag.

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