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Mittwoch, 5. Januar 2011
Bis zur Unkenntlichkeit - und noch viel weiter!!
Am 5. Jan 2011 im Topic 'Deckschrubben'
Ich habe in den letzten Wochen und Monaten erfolgreich und freiwillig auf den Konsum von Privatfernsehen verzichtet. Ich musste mir das nicht abringen, es war pures Desinteresse. Dann - ist schon ein bisschen her - zappte ich während des abendlichen Weihnachtspostkartenbastelns doch ins Private. Landete bei RTL2, wo ich besser nicht geblieben wäre. Es lief die Doku-Soap "Extrem schön!" (plus irgendein alberner Untertitel, in dem die Worte "neues Leben" vorkommen).
Das Konzept ist schnell erklärt: Eine Person (in der Hauptsache sind es - oh Wunder - Frauen) fühlt sich zu hässlich für diese Welt und wird daraufhin innerhalb von 8 bis 12 Wochen von RTL2 grundrenoviert. Eine Vorher-Nachher-Schau für Hartgesottene, in der fröhlich Skalpell und Brecheisen geschwungen werden.
Angeblich steht hinter dieser Sendung ein großes Team von Schönheitschirurgen, Zahn- und anderen Ärzten (was ich durchaus glaube) und einem Psychologen (an dessen menschlich-ethische Qualifikation ich nicht glaube). Die Kameras begleiten die Tränensack-Fettschürzen-Faulzahn-Gebeutelten durch die verschiedenen Stadien ihrer OPs, Korrekturen und Stylings. Am Schluss fährt sie eine Limousine in ein idyllisches Schlösschen, in dem Familie und Freunde die in Polyester-Abendkleidchen und Pumps gesteckte "Verschönerte" bei weichgezeichnetem Kerzenschein erwarten.
Zwischenzeitlich sieht man vom Objekt der Prozedur vorwiegend bandagierte Nasen, Brüste, Bäuche oder ersatzweise die meist unangetasteten Füße, denn die große, tolle Verwandlung soll ja auch den Zuschauer begeistern und überraschen.
Es war die Voyeurin in mir, die lange genug auf dem Kanal blieb, um all das mitzubekommen. Aber schieres Entsetzen ließ mich schließlich wieder wegschalten.
Und es war kein Entsetzen über das Vorher-Aussehen der Kandidatinnen. Klar gibt es Menschen, die - rein optisch gesehen - vom Schicksal benachteiligt sind. Hier mal eine Hakennase, da mal ein fliehendes Kinn, sowas kommt vor. Fettschürze und Hängebusen nach Abnehmen oder Schwangerschaft auch. Was die Damen der Schöpfung aber eigentlich so verhärmt aussehen ließ, war wohl in den meisten Fällen eher die pure (und vom Sender wohl auch bewusst ausgesuchte) Ungepflegtheit: Struppige, schlecht geschnittene, fettige Haare, sackartige, schlampige Kleidung und vor allem anderen ungeputzte, faulige bis teilweise nicht mehr vorhandene Zähne. Um daran etwas zu ändern, braucht es aber eigentlich kein Privatfernsehen.
Nein, Entsetzen erzeugte in mir der Gesamtcharakter der Sendung. Eigentlich bin ich ja realistisch genug, um über die meisten medial-gesellschaftlichen Auswüchse nicht mehr entsetzt zu sein. Die meisten gängigen Formate, die schonungslos auf die Lust des Zuschauers am Elend des anderen setzen, berühren mich nicht mehr, und ich tue das als Zeiterscheinung mit einem Schulterzucken ab. Aber bei "Extrem schön!" wurde mir klar, auf welch massive Art und Weise dort in das Leben von realen Menschen eingegriffen wird (während bei manchem Reality-Format die Realität doch dahingestellt sei, was sich am fragwürdigen schauspielerischen Talent der herangezogenen realen Personen zeigt).
Mich erschreckte das absolut hemmungslose Zerschnitzeln und Neu-Zusammenbasteln der Kandidatinnen. Maßstäbe von "hässlich" oder "schön" werden schablonenartig angelegt, und das festgetackerte Jackettkronenlächeln mit aufgerissenen Augen, bemalt mit Rouge und Lipgloss, ist jedesmal fast austauschbar das gleiche. Vom Charakter der jeweiligen Person ist nichts mehr zu erkennen.
Dass die Betreffenden wissen, worauf sie sich einlassen, wage ich zu bezweifeln. Zwar ist vor dem Umbau aus dem Off der Kommentar zu hören: "Die Ärzte und Psychologen haben ihr O.K. gegeben!". Das sagt aber wenig über die tatsächliche Kompetenz der Kandidaten aus, mit solch tiefgreifenden Veränderungen umzugehen. Es ist doch klar, dass die zu Verschönernden vorher freudestrahlend verkünden, dass sie sich natüüürlich über alles Risiko klar sind. Und sollte das alles mal nicht ausfallen wie vom Sender gewünscht, wartet in der einen Schlange die nächste Kandidatin oder halt in der anderen der nächste Psychologe, der sich gut für eine entsprechende "Beratung" bezahlen lässt.
In den Gesichtern der Familienmitglieder beim pompös-grotesken "Finale" lässt sich am deutlichsten ablesen, was wohl wahrscheinlich vor sich gehen wird, wenn die Kameras verschwunden sind und die Sendung ausgestrahlt ist. Hier spiegeln sich relativ ungefiltert Zweifel und Unbehagen, die den Betroffenen selbst wegen Vertragsklauseln und/oder mangelnder Mimik nicht anzusehen sind.
"Boah," ist das erste, das Angetraute, Geschwister oder andere nahe Verwandte und Bekannte herausbringen, "Wahnsinn!" Aber schon die Mienen der Erwachsenen lassen die Frage erahnen, die sich ihnen insgeheim stellt: "Ist das noch die Person, von der ich mich verabschiedet habe?"
Schließlich ist es aber sozusagen Kindermund, der am klarsten die Wahrheit kundtut. Lässt sich das vor der Aufhübschungs-Maßnahme noch werbewirksam verwursten, weil das Kind sagt: "Die Mama wird mir ganz doll fehlen!", ist der skeptische, befremdete, bisweilen sogar angstvolle Blick der Kinder nachher kaum noch positiv zu interpretieren. Die Kleinen, am ehrlichsten und direktesten in ihrem Ausdruck, weichen vor der fremden, überstylten, zurechtgebogenen Person zurück, die ihnen da plötzlich als Mutter vorgeführt wird. In den zwei Fällen, die die Sendung zeigte, rannte keines der Kinder spontan auf die wochenlang vermisste Mutter zu.
Damit bringen die Kinder auch auf den Punkt, was wesentlich ist: Die in einer Beziehung empfundene Authentizität, Wärme und Präsenz. Später, als Erwachsener, mag man geprägt sein von gängigen Schönheitsidealen, aber Kinder haben ihre eigene Definition von "schön" und "hässlich".
Wie die Kinder lernen, mit der zurechtgeschnippelten Variante von Mama klarzukommen, darüber berichtet "Extrem schön!" nicht. Auch nicht darüber, wie die derart Beglückten mit der gefühlsmäßigen und optischen Diskrepanz zwischen ihren alternden und nicht alternden Körperteilen klarkommen oder damit, dass sie nicht mehr dieselbe Person sehen, wenn sie in den Spiegel schauen. Keine Rede ist von Narkoserisiken, von Narbenbildung und Narbenschmerzen, keine Rede von den psychischen Folgen der Veränderung (um die sich der eigens für die Sendung rekrutierte Psychologe wohl kaum kümmern wird), keine Rede von eventuellen Problemen, die bei aller "Schönheit" auch ein Partner mit der Fremdheit der neugestalteten Frau an seiner Seite haben könnte.
Die dem Veränderungswunsch zugrundeliegenden seelischen Probleme sind schon von vornherein kein Thema - das wäre ja auch kaum medienwirksam. Und da liegt vielleicht auch der Hase im Pfeffer. Denn wie man sich einem mangelnden Selbst- und Selbstwertgefühl nähert und so damit umgehen lernt, dass man dabei vor allem seelisch gewinnt, bringt einfach keine Quote. Zu schwer verdaulich sind solche Prozesse.
Lieber verkauft man den mit vermeintlicher Hässlichkeit Geschlagenen die einfache Lösung - denen vor dem Bildschirm und den Kandidaten gleichermaßen. Es ist ja auch so verlockend. Auf diese Weise braucht sich die Person mit dem Hässlichkeitsproblem nicht den tatsächlichen Hintergründen zu widmen (vom großen Reibach der beteiligten Ärzte und des Senders mal ganz abgesehen). "Wenn ich nur erst besser aussehe, wird alles leichter, schöner, bunter, besser...!"
Das ist, als würde man über einen offenen Beinbruch schnell eine Hose ziehen, um die hässlich abstehenden Knochensplitter und das Blut nicht sehen zu müssen. Ist ja auch schöner so - aber laufen kann man mit sowas garantiert nicht, und weh tut es außerdem. Aber was, wenn es beginnt, stärker zu bluten, sich zu entzünden, noch mehr zu schmerzen?
Für Andersartigkeit ist in unseren Köpfen kein Platz mehr. Ständig müssen wir bewerten, was gut und was schlecht, was nett und was blöd, was dumm und was klug ist. Und was schön und was hässlich ist. Vor allem an uns selbst, aber auch an anderen.
Das Wörtchen "zu" findet inflationären Gebrauch:
"Meine Nase ist zu groß!"
"Mein Bauch ist zu schlaff!"
"Mein Haar ist zu stumpf!"
"Meine Brüste sind zu klein!"
Zu klein, groß, rund, eckig verglichen mit wem? Mit was? Wo die Ecken und Kanten abgeschliffen werden, um einem Ideal zu entsprechen (das sich in der nächsten Minute auch wieder ändern kann), dort fehlt jegliche Eigenart, jedes Profil, das Charakteristische des Ich.
Eigentlich paradox in einer Gesellschaft, die die Individualität des Menschen so sehr betont. Trotzdem scheint der Wunsch vieler Menschen ungebrochen groß zu sein, sich anzupassen. Auch um den Preis der Entfremdung von sich selbst und den engsten Vertrauten. Dafür wird der Körper beschnitten und verletzt, und mit ihm die Seele, denn beide sind untrennbar. Die Furcht, hervor zu stechen, ist genau so präsent wie die, übersehen zu werden. Sind wir so wenig bereit, Andersartigkeit zu akzeptieren, dass die Gleichmacherei sich mit dem Skalpell bis in die Haut fressen muss?
Ich fürchte, das Problem ist in erster Linie ein seelisch-gesellschaftliches (weil meiner Meinung nach auch das nicht zu trennen ist). Das Feedback, nicht in Ordnung zu sein, so wie man ist, setzt sich auf allen Ebenen in der Seele fest, und wer anfällig dafür ist, gibt sich schließlich der Illusion hin, alles würde besser, wäre man erst ein anderer. Die Veränderung beschränkt sich aber dann nur auf das Äußere und bleibt damit unvollkommen. Die äußerlichen Änderungen wirken sich wohl auch auf das Innere aus. So lange diese Änderungen aber nur äußeren Idealen folgen, muss sich hinterher niemand über ein Gefühl von Leere und Verlorenheit und Falsch-Sein wundern.
"Ihr neues Erscheinungsbild, ergänzt durch verschiedene Unterspritzungen, motiviert Kathrin, wieder eine feste Bindung einzugehen." - so kommentiert die RTL2-eigene Bilderseite die Veränderung einer Kandidatin. Wenn zu dieser Motivation Botox, Bügeleisen und Brustattrappe nötig waren, hängt definitiv irgendwas im Argen.
Das breiteste, glänzenste Zahnpasta-Lächeln nützt nichts, wenn im Inneren die Seele weint. Und Leute, die bei sich sind und mit sich eins, die sehen auch nach einer durchzechten, durchheulten, durchtanzten oder durchdachten Nacht irgendwie immer noch gut aus - auf die ihnen eigene Weise.
Das Konzept ist schnell erklärt: Eine Person (in der Hauptsache sind es - oh Wunder - Frauen) fühlt sich zu hässlich für diese Welt und wird daraufhin innerhalb von 8 bis 12 Wochen von RTL2 grundrenoviert. Eine Vorher-Nachher-Schau für Hartgesottene, in der fröhlich Skalpell und Brecheisen geschwungen werden.
Angeblich steht hinter dieser Sendung ein großes Team von Schönheitschirurgen, Zahn- und anderen Ärzten (was ich durchaus glaube) und einem Psychologen (an dessen menschlich-ethische Qualifikation ich nicht glaube). Die Kameras begleiten die Tränensack-Fettschürzen-Faulzahn-Gebeutelten durch die verschiedenen Stadien ihrer OPs, Korrekturen und Stylings. Am Schluss fährt sie eine Limousine in ein idyllisches Schlösschen, in dem Familie und Freunde die in Polyester-Abendkleidchen und Pumps gesteckte "Verschönerte" bei weichgezeichnetem Kerzenschein erwarten.
Zwischenzeitlich sieht man vom Objekt der Prozedur vorwiegend bandagierte Nasen, Brüste, Bäuche oder ersatzweise die meist unangetasteten Füße, denn die große, tolle Verwandlung soll ja auch den Zuschauer begeistern und überraschen.
Es war die Voyeurin in mir, die lange genug auf dem Kanal blieb, um all das mitzubekommen. Aber schieres Entsetzen ließ mich schließlich wieder wegschalten.
Und es war kein Entsetzen über das Vorher-Aussehen der Kandidatinnen. Klar gibt es Menschen, die - rein optisch gesehen - vom Schicksal benachteiligt sind. Hier mal eine Hakennase, da mal ein fliehendes Kinn, sowas kommt vor. Fettschürze und Hängebusen nach Abnehmen oder Schwangerschaft auch. Was die Damen der Schöpfung aber eigentlich so verhärmt aussehen ließ, war wohl in den meisten Fällen eher die pure (und vom Sender wohl auch bewusst ausgesuchte) Ungepflegtheit: Struppige, schlecht geschnittene, fettige Haare, sackartige, schlampige Kleidung und vor allem anderen ungeputzte, faulige bis teilweise nicht mehr vorhandene Zähne. Um daran etwas zu ändern, braucht es aber eigentlich kein Privatfernsehen.
Nein, Entsetzen erzeugte in mir der Gesamtcharakter der Sendung. Eigentlich bin ich ja realistisch genug, um über die meisten medial-gesellschaftlichen Auswüchse nicht mehr entsetzt zu sein. Die meisten gängigen Formate, die schonungslos auf die Lust des Zuschauers am Elend des anderen setzen, berühren mich nicht mehr, und ich tue das als Zeiterscheinung mit einem Schulterzucken ab. Aber bei "Extrem schön!" wurde mir klar, auf welch massive Art und Weise dort in das Leben von realen Menschen eingegriffen wird (während bei manchem Reality-Format die Realität doch dahingestellt sei, was sich am fragwürdigen schauspielerischen Talent der herangezogenen realen Personen zeigt).
Mich erschreckte das absolut hemmungslose Zerschnitzeln und Neu-Zusammenbasteln der Kandidatinnen. Maßstäbe von "hässlich" oder "schön" werden schablonenartig angelegt, und das festgetackerte Jackettkronenlächeln mit aufgerissenen Augen, bemalt mit Rouge und Lipgloss, ist jedesmal fast austauschbar das gleiche. Vom Charakter der jeweiligen Person ist nichts mehr zu erkennen.
Dass die Betreffenden wissen, worauf sie sich einlassen, wage ich zu bezweifeln. Zwar ist vor dem Umbau aus dem Off der Kommentar zu hören: "Die Ärzte und Psychologen haben ihr O.K. gegeben!". Das sagt aber wenig über die tatsächliche Kompetenz der Kandidaten aus, mit solch tiefgreifenden Veränderungen umzugehen. Es ist doch klar, dass die zu Verschönernden vorher freudestrahlend verkünden, dass sie sich natüüürlich über alles Risiko klar sind. Und sollte das alles mal nicht ausfallen wie vom Sender gewünscht, wartet in der einen Schlange die nächste Kandidatin oder halt in der anderen der nächste Psychologe, der sich gut für eine entsprechende "Beratung" bezahlen lässt.
In den Gesichtern der Familienmitglieder beim pompös-grotesken "Finale" lässt sich am deutlichsten ablesen, was wohl wahrscheinlich vor sich gehen wird, wenn die Kameras verschwunden sind und die Sendung ausgestrahlt ist. Hier spiegeln sich relativ ungefiltert Zweifel und Unbehagen, die den Betroffenen selbst wegen Vertragsklauseln und/oder mangelnder Mimik nicht anzusehen sind.
"Boah," ist das erste, das Angetraute, Geschwister oder andere nahe Verwandte und Bekannte herausbringen, "Wahnsinn!" Aber schon die Mienen der Erwachsenen lassen die Frage erahnen, die sich ihnen insgeheim stellt: "Ist das noch die Person, von der ich mich verabschiedet habe?"
Schließlich ist es aber sozusagen Kindermund, der am klarsten die Wahrheit kundtut. Lässt sich das vor der Aufhübschungs-Maßnahme noch werbewirksam verwursten, weil das Kind sagt: "Die Mama wird mir ganz doll fehlen!", ist der skeptische, befremdete, bisweilen sogar angstvolle Blick der Kinder nachher kaum noch positiv zu interpretieren. Die Kleinen, am ehrlichsten und direktesten in ihrem Ausdruck, weichen vor der fremden, überstylten, zurechtgebogenen Person zurück, die ihnen da plötzlich als Mutter vorgeführt wird. In den zwei Fällen, die die Sendung zeigte, rannte keines der Kinder spontan auf die wochenlang vermisste Mutter zu.
Damit bringen die Kinder auch auf den Punkt, was wesentlich ist: Die in einer Beziehung empfundene Authentizität, Wärme und Präsenz. Später, als Erwachsener, mag man geprägt sein von gängigen Schönheitsidealen, aber Kinder haben ihre eigene Definition von "schön" und "hässlich".
Wie die Kinder lernen, mit der zurechtgeschnippelten Variante von Mama klarzukommen, darüber berichtet "Extrem schön!" nicht. Auch nicht darüber, wie die derart Beglückten mit der gefühlsmäßigen und optischen Diskrepanz zwischen ihren alternden und nicht alternden Körperteilen klarkommen oder damit, dass sie nicht mehr dieselbe Person sehen, wenn sie in den Spiegel schauen. Keine Rede ist von Narkoserisiken, von Narbenbildung und Narbenschmerzen, keine Rede von den psychischen Folgen der Veränderung (um die sich der eigens für die Sendung rekrutierte Psychologe wohl kaum kümmern wird), keine Rede von eventuellen Problemen, die bei aller "Schönheit" auch ein Partner mit der Fremdheit der neugestalteten Frau an seiner Seite haben könnte.
Die dem Veränderungswunsch zugrundeliegenden seelischen Probleme sind schon von vornherein kein Thema - das wäre ja auch kaum medienwirksam. Und da liegt vielleicht auch der Hase im Pfeffer. Denn wie man sich einem mangelnden Selbst- und Selbstwertgefühl nähert und so damit umgehen lernt, dass man dabei vor allem seelisch gewinnt, bringt einfach keine Quote. Zu schwer verdaulich sind solche Prozesse.
Lieber verkauft man den mit vermeintlicher Hässlichkeit Geschlagenen die einfache Lösung - denen vor dem Bildschirm und den Kandidaten gleichermaßen. Es ist ja auch so verlockend. Auf diese Weise braucht sich die Person mit dem Hässlichkeitsproblem nicht den tatsächlichen Hintergründen zu widmen (vom großen Reibach der beteiligten Ärzte und des Senders mal ganz abgesehen). "Wenn ich nur erst besser aussehe, wird alles leichter, schöner, bunter, besser...!"
Das ist, als würde man über einen offenen Beinbruch schnell eine Hose ziehen, um die hässlich abstehenden Knochensplitter und das Blut nicht sehen zu müssen. Ist ja auch schöner so - aber laufen kann man mit sowas garantiert nicht, und weh tut es außerdem. Aber was, wenn es beginnt, stärker zu bluten, sich zu entzünden, noch mehr zu schmerzen?
Für Andersartigkeit ist in unseren Köpfen kein Platz mehr. Ständig müssen wir bewerten, was gut und was schlecht, was nett und was blöd, was dumm und was klug ist. Und was schön und was hässlich ist. Vor allem an uns selbst, aber auch an anderen.
Das Wörtchen "zu" findet inflationären Gebrauch:
"Meine Nase ist zu groß!"
"Mein Bauch ist zu schlaff!"
"Mein Haar ist zu stumpf!"
"Meine Brüste sind zu klein!"
Zu klein, groß, rund, eckig verglichen mit wem? Mit was? Wo die Ecken und Kanten abgeschliffen werden, um einem Ideal zu entsprechen (das sich in der nächsten Minute auch wieder ändern kann), dort fehlt jegliche Eigenart, jedes Profil, das Charakteristische des Ich.
Eigentlich paradox in einer Gesellschaft, die die Individualität des Menschen so sehr betont. Trotzdem scheint der Wunsch vieler Menschen ungebrochen groß zu sein, sich anzupassen. Auch um den Preis der Entfremdung von sich selbst und den engsten Vertrauten. Dafür wird der Körper beschnitten und verletzt, und mit ihm die Seele, denn beide sind untrennbar. Die Furcht, hervor zu stechen, ist genau so präsent wie die, übersehen zu werden. Sind wir so wenig bereit, Andersartigkeit zu akzeptieren, dass die Gleichmacherei sich mit dem Skalpell bis in die Haut fressen muss?
Ich fürchte, das Problem ist in erster Linie ein seelisch-gesellschaftliches (weil meiner Meinung nach auch das nicht zu trennen ist). Das Feedback, nicht in Ordnung zu sein, so wie man ist, setzt sich auf allen Ebenen in der Seele fest, und wer anfällig dafür ist, gibt sich schließlich der Illusion hin, alles würde besser, wäre man erst ein anderer. Die Veränderung beschränkt sich aber dann nur auf das Äußere und bleibt damit unvollkommen. Die äußerlichen Änderungen wirken sich wohl auch auf das Innere aus. So lange diese Änderungen aber nur äußeren Idealen folgen, muss sich hinterher niemand über ein Gefühl von Leere und Verlorenheit und Falsch-Sein wundern.
"Ihr neues Erscheinungsbild, ergänzt durch verschiedene Unterspritzungen, motiviert Kathrin, wieder eine feste Bindung einzugehen." - so kommentiert die RTL2-eigene Bilderseite die Veränderung einer Kandidatin. Wenn zu dieser Motivation Botox, Bügeleisen und Brustattrappe nötig waren, hängt definitiv irgendwas im Argen.
Das breiteste, glänzenste Zahnpasta-Lächeln nützt nichts, wenn im Inneren die Seele weint. Und Leute, die bei sich sind und mit sich eins, die sehen auch nach einer durchzechten, durchheulten, durchtanzten oder durchdachten Nacht irgendwie immer noch gut aus - auf die ihnen eigene Weise.
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