Sturmflut
Sonntag, 10. Januar 2010
Verweilen
Manchmal hängt guter Rat einfach an der Wand:


Verboten ist das vielleicht nicht, aber wenig ratsam. Schwebende Lasten baumeln bisweilen gefährlich über meinem Kopf, und ich stehe drunter wie ein hypnotisiertes Kaninchen und weiß nichts anderes anzufangen, als darunter zu verweilen. Warum eigentlich? Es bräuchte nur einen kleinen Schritt zur Seite, und das Teil fällt einem wenigstens nicht mehr auf den Kopf, wenn es fällt...

Permalink



Samstag, 2. Januar 2010
Zwischen Müssen und Wollen
Die ersten anderthalb Tage des neuen Jahres sind um...

Aus dem Blickwinkel des alten Jahres fühlte sich das kommende neue für mich beängstigend an. Zu viele weiße Flecken, zu wenig Konzepte, zu viel Angst vor der Ungewissheit, und vor allem zu viel Müssen, das am Horizont lauerte. So viel Angst, dass sie mich nachts wach hielt, was mich einem klaren Konzept aber auch nicht näher brachte.

Guter Vorsatz... Wenn ich über dieses zum Jahreswechsel viel bemühte Wort nachdenke, dann in erster Linie immer im Zusammenhang mit Müssen. Ein guter Vorsatz scheint dazu da zu sein, sich etwas vorzusetzen und die Suppe dann mit viel Mühe und Kraft auszulöffeln. Kein Wunder eigentlich, dass solche Vorsätze ihr Scheitern so oft schon in sich tragen. Mich erinnert das an die Momente, in denen ich vor meinem Vater stand, mich klein fühlte und versprach, mich zu bessern. "Ich habe mir vorgenommen...", so fingen die Erklärungen oft an, die nicht meinem eigenen Antrieb entstammten, sondern eher dem diffusen Gefühl, das sagen zu müssen, weil sonst unangenehme Konsequenzen folgten. Vornehmen, vorsetzen - wie auch immer man es ausdrückt, es liegt ein Berg des Müssens vor einem. Gut sein müssen, Dinge gut machen müssen, Gutes tun müssen... Wie gut kann es sein, wenn man es nur tut, weil man muss?

Mich überraschte dann ganz plötzlich mitten in diesem unbestimmten Chaos des Unverortet-Seins ein Anflug von Wollen, und das war gut so. Zunächst einmal ein Akzeptieren-Wollen dieses unfertigen Zustandes ohne klares Konzept. Dieses Akzeptieren gelingt zwar nur zeitweise, aber es ist ein gutes Gefühl, es zu wollen. Dieser noch feine Geschmack von Wollen gab dem gesamten Gericht eine neue Note. Plötzlich waren mir einige Dinge klar, die ich im neuen Jahr anders machen wollte. Unternehmungen ohne klar ersichtlichen Sinn und Zweck außer dem, dass ich sie für mein Behagen tun will. Regelmäßig allein ins Café gehen und dort eine Weile sitzen bleiben - immer wieder, und nie ohne Bleistift und Papier. Zum Beispiel. Solche Wollens-Vorsätze sind keine Vorsätze. Sie sind Möglichkeiten, die sich ganz hauchdünn am Rande zur realen Existenz stationiert haben und zur Umsetzung einfach nur gewollt werden brauchen. Sie werden sich in wirkliche Bereicherungen verwandeln, weil ich das so will.

Gute Vorsätze? Brauche ich nicht. Darauf will ich dieses Jahr verzichten, und das ganz ohne schlechtes Gewissen.

Meine Musik des Tages:
Bløf - Een Manier Om Thuis Te Komen

Permalink



Montag, 21. Dezember 2009
Jahresbilanz
Und dieses Jahr? Meine persönliche Bilanz:

Ein schwieriges Jahr. Ein gutes Jahr. Beides zu gleichen Teilen.

Schwierig:
  • Auf viele Fragen keine Antworten bekommen oder gefunden, manche Unklarheit nicht beseitigt.
  • Viele Umwege gemacht.
  • Vieles hat Energie gekostet. Verdammt viel Energie. Bis zur völligen Erschöpfung...
  • Große Schuldgefühle gehabt - immer wieder.
  • Mich im Kreis gedreht.
  • Grenzen verteidigen müssen.
  • Entscheidungen vertagt und dann von Notwendigkeiten überfallen worden.
  • Schlaflos geblieben.
  • Mich verkrochen und geschwiegen.
  • Zuwenig getanzt.
  • Schultern hochgezogen. Kopf eingezogen.
  • Angst gehabt.
  • Knappe Kassen gehabt.
  • Nicht auf meiner Insel gewesen.
  • Nicht mit meiner Schwester verbündet.
  • Sehr oft im Dunkeln gesessen.
  • Nicht sehr oft um Hilfe gebeten.
  • Wieder mal ein Ohr entzündet.
  • Ungehört geblieben.
Gut:
  • Augen aufgemacht und hingesehen.
  • Zu fühlen gewagt.
  • Bis zur Erschöpfung standgehalten - aber standgehalten!!
  • Nie wirklich allein gewesen.
  • Das Risiko des Vertrauens eingegangen und mich darin geübt.
  • Geliebt und geliebt worden.
  • Grenzen verteidigt.
  • Emotionale Erpressung entlarvt und Reaktion verweigert.
  • Immer gesungen - fast jeden Tag.
  • Falsche Hoffnungen fahren lassen - zumindest ein paar...
  • Katzenfell und Samtpfoten gestreichelt.
  • Geschrieben.
  • Endlich meine alte Freundin in ihrem neuen Zuhause besucht.
  • Besondere Menschen kennengelernt.
  • Bis früh in den Morgen telefoniert und dabei reich beschenkt worden.
  • Familie dazubekommen, durch Herz-Öffnen.
  • Anstrengendes, Schädliches und Nutzloses über Bord geworfen und innerlich wie äußerlich aufgeräumt.
  • Die eigene Stimme gehört.
  • Wütend geworden.
  • Klar geträumt.
  • Ohne Umschweife großen Rückhalt bekommen - statt Karten. Davon sehr gerührt gewesen und gestärkt worden.
Meine Musik des Tages:
Tori Amos - Pretty Good Year

Permalink



Mittwoch, 16. Dezember 2009
Worte in den Wind gesprochen.
Ich las mal irgendwo:

"Seinem Vater etwas von sich zu erzählen ist, wie eine Münze in einen Brunnen zu werfen und nicht zu hören, wie sie auftrifft!"

Bei mir anders:

Meiner Mutter von mir zu erzählen, ihr mein Inneres zu zeigen ist, wie Worte in den Wind zu sprechen. Er nimmt sie mit sich, es ist, als seien sie nie gesprochen. All mein Reden ist vergeblich, es weht fort und sie bleibt ewig dieselbe.

Wie es aussieht habe ich noch viel zu lernen.

Permalink



Sonntag, 6. Dezember 2009
"Nicht jetzt...!"-Kisten
Zweimal im Jahr kommt es vor, dass ich einen Aufräum-Anfall bekomme. So einen richtigen, mit Hobeln und Spänen und allem drum und dran.

Gestern war mein Regal dran. Binnen einer Viertelstunde war das Regal leer, dafür mein Arbeitszimmer voll. Spätestens da wurde mir klar: Ich habe zu viel Zeugs!

Zum Beispiel viel zu viele alte Tapes. Die, die ich im Alter von vielleicht sechzehn Jahren mit Liedern von Pur bespielt habe, mit achtzehn mit Elton John, mit 20 mit Celine Dion, sind schon jahrelang zu Recht unberührt geblieben. Gegen diese auf Magnetband gebannten massiven Verfehlungen half nur der Weg alles Irdischen.

Bleiben durften die, auf denen wenig aussagekräftig "Rock Mix" stand oder die mit den Dire Straits. Auch die, von denen die digitalen Versionen immer noch ein schweinemäßiges Geld kosten. Keith Jarretts Vienna Concert zum Beispiel. Man kann ja nie wissen. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, so schnell wie möglich Etiketten draufzukleben, damit mir zumindest erspart bleibt, jedes einzelne Tape mühevoll suchen zu müssen. Laut Wikipedia befinde ich mich mit meiner Leidenschaft für Tapes technisch gesehen in einem Schwellenland.

Die, die ausrangiert wurden, landeten zusammen mit alten CD-Hüllen in einem von diesen Faltkartons, die als echter Umzugskarton nicht taugen, weil bei halbvoller Bepackung die Griffe reißen und der Boden aufklappt. Ich habe es trotzdem immerhin bis auf den Dachboden geschafft.

Dorthin wanderten gestern auch alte Uni-Unterlagen. Was habe ich mich bei den Schlachtstrategien Alexanders des Großen gelangweilt - ich werde nie wieder freiwillig einen Blick hineinwerfen. Nur deshalb liegen auch die jetzt in einer "Nicht jetzt..."-Kiste. Aufgehoben werden müssten sie nicht mehr, aber ich habe das Sortieren lieber aufgeschoben. Aus den Augen, aus dem Sinn...

Naja, nicht ganz, leider. Die dumme Eigenschaft von "Nicht jetzt..."-Kisten und ihrem Inhalt ist, dass das alles nicht angenehmer wird. Irgendwann einmal ist der Dachboden voll, und dann steht eine Auseinandersetzung mit all dem Altpapier an, das natürlich inzwischen von Asseln, Spinnen und anderen Tierchen heimgesucht wurde, der brüllenden Hitze der Sommermonate ebenso ausgesetzt war wie klammer Kälte, vom Staub gar nicht zu sprechen. Das Licht da oben ist miserabel, woraus folgert, dass ich den ganzen Mist zum Sortieren wieder herunter werde tragen müssen. Anschließend Staubsaugen inklusive...

Warum ich das nicht gleich mache? Ich glaube, der Mensch verträgt nur ein gewisses Maß an Vergangenheit auf einmal, besonders dann, wenn die Musik von Pur eine Rolle spielt. "Nicht jetzt..."-Kisten sind eine äußerst effektive Lösung für Ordnung im aktuellen Wohnraum ohne allzu anstrengende Auseinandersetzung mit dem, was man sich da aus dem Blickfeld schafft. So gesehen mag ich "Nicht jetzt..."-Kisten. Selbst dann, wenn sie im Grunde über meinem Kopf immer noch vorhanden sind.

Meine Musik des Tages (von CD...):
dredg - Catch Without Arms

Permalink



Donnerstag, 3. Dezember 2009
Schenken
Alle Jahre wieder... kommt in mir der Widerwille und die Kritik hoch am Weihnachtsbetrieb. Das ist schon fast so etwas wie ein Reflex.

Mein Ärger über das Gerenne fühlt sich schon beinahe abgedroschen an, weil auch er jedes Jahr immer wieder derselbe ist, genau wie das Weihnachtsgeschäft an sich. Die Unschuld haben wir als Erwachsene ja schon längst verloren, der Zauber der Vorfreude auf Weihnachten hat sich erledigt, seit wir selbst diejenigen sind, die Geschenke kaufen "müssen".

Trotzdem ist auch das Gemaule über die weihnachtlichen Konsum-Mühlen eigentlich obsolet und ungerechtfertigt. Ich habe es ja schließlich in der Hand, es anders zu machen - zumindest für mich selbst. Reduktion auf das Wesentliche, das wäre nett. Was hindert mich also, das zu praktizieren? Schmale Geschenke, dafür aber ausgesucht und vielleicht sogar selbst gemacht. Mandarinen, heißer Tee, ab und an mal was backen, Kerzen anstecken...

Der Verzicht auf den ganzen Eigenbedarf-Konsum fällt mir eigentlich nicht so schwer. Ich kann gut und gerne verzichten auf all das aromatisierte Zeugs, das es gibt. Den Menschen, der Tee mit Glühweingeschmack erfunden hat, sollte man ohnehin mal fragen, wann er zum letzten Mal seine Pillen genommen hat. Und ein zappelndes LED-Rentier kommt mir definitiv nicht in den Vorgarten.

Anders ist es wohl leider, wenn es um die Erwartungen anderer geht. Mir kommt dazu eine Passage aus einem Gedicht von Joachim Ringelnatz in den Kopf:

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.


Mit Geist, ohne List - kluge Worte, aber gar nicht immer so einfach.

Mit Geist... Wenn man Menschen beschenkt, die ohnehin schon "alles haben", kann das sinnvoll sein, den Geist zu bemühen (wenn man sich das Schenken nicht ohnehin ganz schenkt). Dann könnte man gemeinsame Zeit schenken, oder Erlebnisse, oder Erinnerungen. Völlig geistlose Geschenke erhalten am ehesten wohl die Menschen, die uns am wenigsten bedeuten. Aber warum beschenkt man die dann überhaupt?

Ohne List ist schon schwieriger. Das fängt beim Wert an (dem rein monetären). Wer kann schon von sich sagen, sich nicht fragen zu müssen, wieviel denn investiert werden sollte? Was angemessen ist? List, das ist das Abwägen und das Vorwegnehmen der Reaktion des Betreffenden auf das Geschenk. Ich kann mich in diesem Falle von der List nicht vollständig freisprechen.

Was möchte ich von mir geben? Das wäre eine wichtige Frage. Oft lautet die Frage, die hinter unserem Schenken schlummert, aber oft: Was möchte ich haben? Stellt man sich beidem, reduziert sich sicherlich die Schenk-List. Und damit auch der Schenk-Stress.

Ich werde dieses Jahr die Innenstädte weitestgehend meiden, das Gerenne hängt mir schon jetzt zum Halse raus. Ich werde einigen wenigen Personen redlich versuchen, Wünsche zu erfüllen und einen von Herzen kommenden Teil von mir zu geben.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind oft heimlich hinunter in das Wohnzimmer schlich und die Lichter am Weihnachtsbaum anmachte, mich davor setzte und ihn mir nur verzaubert ansah. Das blieb mir mehr im Gedächtnis als jedes Geschenk. Mir selbst werde ich also das Geschenk machen, die dunkle Jahreszeit ein wenig leuchtender zu gestalten, aber auch leiser und langsamer als üblich.

Den ganzen Rest schenke ich mir...

Permalink



Mittwoch, 25. November 2009
Unten...
Wie fühlt sich das an, wenn die ganze Welt kollabiert? Das kann man nicht beschreiben.

Was an Worten in mir dafür vorhanden ist: Jegliches Gefühl steigert sich fast bis hin zu anhaltender Panik, ohne äußeren Anlass und deshalb auch ohne sichtbaren Ausweg... Alles, was ich berühre, zerfällt zu Asche und verneint meine Bemühungen, verneint mich. Das Wort "Sinnlosigkeit" ist bei weitem zu banal für diesen Zustand.

Es rettete mich mein Bleistift.
Es rettete mich Hans Zimmers wunderbare Musik.
Es rettete mich die zärtliche Hand eines Menschen, der nicht fragen musste.
Es rettete mich das Wort eines Menschen, der selbst schon an diesem Ort war.
Es rettete mich mein Löwenherz, das doch noch schlägt.

Fürs erste...

Permalink



Montag, 2. November 2009
Andere wären froh...
Heute schrieb sie mir eine Mail voller warmer Worte. Sie war ganz treusorgende Mutter.

Ich muss daran denken, was sie uns sagten, wenn wir als Kinder die Teller nicht leer aßen. "Andere wären froh, wenn sie hätten, was Du hast!" In fast jeder Lage gab es Kinder (und Erwachsene), die schlechter dran waren als wir.

Ich mag die warmen Worte nicht, denn sie haben einen Beigeschmack. Ich mag diesen Teller nicht leer essen. Mag sein, andere wären froh, hätten sie eine Mutter wie meine. Ich bin es nicht. Ich kann gerade nicht annehmen, was sie mir zu geben vermag. Es ist gut gewürzt und nett angerichtet, aber es schmeckt mir nicht. Nicht nach all den Jahren.

Ich bin traurig und wünsche mir eine andere Zeit, in der ich gelernt haben werde, sie so zu sehen, wie sie ist, nicht wie ich sie gern hätte.

Meine Musik des Tages:
Nine Inch Nails - Even Deeper

Permalink



Donnerstag, 29. Oktober 2009
Blick zum Horizont

Diese Figur steht am Hafen meiner Lieblingsinsel und schaut hinaus auf das Wasser. Sie hält Ausschau nach dem Menschen, von dem sie eigentlich weiß, dass er nicht wieder kommen wird. Sie weiß, dass das Meer ihn für sich behalten hat. Aber sie ist da und trotzt beharrlich dem Wind und hält sich den Mantel unter dem Kinn zu. Der Horizont hält ihren Blick fest.

Ihr stummes Widersprechen fesselt mich. Entgegen besserem Wissen ist manchmal das, was wir fühlen, wichtiger als jede nackte, kalte "Realität", und es ist das, was schließlich zählt.

Permalink



Zweiter Versuch...
Dies ist der zweite Versuch. Darüber gibt es an dieser Stelle nur wenig zu schreiben:

Der erste Versuch für ein Blog war vor einem Jahr, und ich habe nicht die geringste Ahnung, was aus diesem zweiten werden wird. Vielleicht liest es jemand, vielleicht nicht...

In einem Jahr tut sich so viel, wenn man es zulässt. Das heißt, ein zweiter Blog-Versuch muss auch nicht mehr gekünstelt cool wirken, um sich von der Masse der anderen Blogs abzuheben. Der zweite Versuch braucht keine Sätze ohne Subjekt, keine Schrägheiten, keine untergrundig wirkende Kunst. Ich bin hier als Mensch und nicht als Kunstprodukt.


Was bleibt: Meine Musik des Tages. Meine Gedanken. Ein paar Zitate. Mein tägliches Auf und Ab. Fußabdrücke im Netz. Ein Stück von mir zum Nachlesen. Erlebnisse.


Meine Musik des Tages:
Duncan Sheik - Nothing Fades

"Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man."
- F. Kafka

Permalink