Sturmflut
Schenken
Alle Jahre wieder... kommt in mir der Widerwille und die Kritik hoch am Weihnachtsbetrieb. Das ist schon fast so etwas wie ein Reflex.

Mein Ärger über das Gerenne fühlt sich schon beinahe abgedroschen an, weil auch er jedes Jahr immer wieder derselbe ist, genau wie das Weihnachtsgeschäft an sich. Die Unschuld haben wir als Erwachsene ja schon längst verloren, der Zauber der Vorfreude auf Weihnachten hat sich erledigt, seit wir selbst diejenigen sind, die Geschenke kaufen "müssen".

Trotzdem ist auch das Gemaule über die weihnachtlichen Konsum-Mühlen eigentlich obsolet und ungerechtfertigt. Ich habe es ja schließlich in der Hand, es anders zu machen - zumindest für mich selbst. Reduktion auf das Wesentliche, das wäre nett. Was hindert mich also, das zu praktizieren? Schmale Geschenke, dafür aber ausgesucht und vielleicht sogar selbst gemacht. Mandarinen, heißer Tee, ab und an mal was backen, Kerzen anstecken...

Der Verzicht auf den ganzen Eigenbedarf-Konsum fällt mir eigentlich nicht so schwer. Ich kann gut und gerne verzichten auf all das aromatisierte Zeugs, das es gibt. Den Menschen, der Tee mit Glühweingeschmack erfunden hat, sollte man ohnehin mal fragen, wann er zum letzten Mal seine Pillen genommen hat. Und ein zappelndes LED-Rentier kommt mir definitiv nicht in den Vorgarten.

Anders ist es wohl leider, wenn es um die Erwartungen anderer geht. Mir kommt dazu eine Passage aus einem Gedicht von Joachim Ringelnatz in den Kopf:

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.


Mit Geist, ohne List - kluge Worte, aber gar nicht immer so einfach.

Mit Geist... Wenn man Menschen beschenkt, die ohnehin schon "alles haben", kann das sinnvoll sein, den Geist zu bemühen (wenn man sich das Schenken nicht ohnehin ganz schenkt). Dann könnte man gemeinsame Zeit schenken, oder Erlebnisse, oder Erinnerungen. Völlig geistlose Geschenke erhalten am ehesten wohl die Menschen, die uns am wenigsten bedeuten. Aber warum beschenkt man die dann überhaupt?

Ohne List ist schon schwieriger. Das fängt beim Wert an (dem rein monetären). Wer kann schon von sich sagen, sich nicht fragen zu müssen, wieviel denn investiert werden sollte? Was angemessen ist? List, das ist das Abwägen und das Vorwegnehmen der Reaktion des Betreffenden auf das Geschenk. Ich kann mich in diesem Falle von der List nicht vollständig freisprechen.

Was möchte ich von mir geben? Das wäre eine wichtige Frage. Oft lautet die Frage, die hinter unserem Schenken schlummert, aber oft: Was möchte ich haben? Stellt man sich beidem, reduziert sich sicherlich die Schenk-List. Und damit auch der Schenk-Stress.

Ich werde dieses Jahr die Innenstädte weitestgehend meiden, das Gerenne hängt mir schon jetzt zum Halse raus. Ich werde einigen wenigen Personen redlich versuchen, Wünsche zu erfüllen und einen von Herzen kommenden Teil von mir zu geben.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind oft heimlich hinunter in das Wohnzimmer schlich und die Lichter am Weihnachtsbaum anmachte, mich davor setzte und ihn mir nur verzaubert ansah. Das blieb mir mehr im Gedächtnis als jedes Geschenk. Mir selbst werde ich also das Geschenk machen, die dunkle Jahreszeit ein wenig leuchtender zu gestalten, aber auch leiser und langsamer als üblich.

Den ganzen Rest schenke ich mir...