It's a mad world.
Am 23. Aug 2010 im Topic 'Deckschrubben'
Wenn doch der Mensch nur im Erfinden von hilfreichen Dingen genau so pfiffig wäre wie im Erfinden der nutzlosen, die Geld bringen. Gewinnmaximierung ist wirklich eine gewaltige Triebfeder, die allerlei Mist hervorbringt.
Während der Gatte im Baumarkt war, um eilig noch einige Schräubchen für seine Teleskopmontierung zu besorgen, lief ich in die Drogerie, um mal schnell eben... Ja, und da haperte es dann auch schon. Denn schnell mal eben eine Schachtel Slip-Einlagen (eigentlich sowas Profanes) zu kaufen, ist quasi unmöglich.
Ich stand vor der breiten Angebotspalette kleiner, selbstklebender Zellstoffstreifen und konnte einfach keine normalen finden. Es gab welche mit Aloe Vera und mit Kamille, welche zum Falten und welche in schwarz (damit der neuesten Eroberung beim Abstreifen des Schlüpfers nicht auffällt, dass man überhaupt welche benutzt, was ja wieder irgendwie peinlich wäre), es gab welche mit Duft in zig verschiedenen Varianten (damit man bloß keinen Eigengeruch absondert). Welche mit Flügelchen. Welche in extra klein, welche im praktischen Döschen, einzeln in Plastikfolie verpackte, welche mit Schutzfolie und welche ohne. Nur so ganz normale Slipeinlagen musste ich länger suchen.
Vielleicht ist es ein wenig absurd, angesichts von Konsumenten-Verwirrung vor dem Intimhygieneregal philosophische Betrachtungen anzustellen. Trotzdem musste ich mich zwangsläufig fragen: "Wer braucht den Unsinn?" Mir wurde mal wieder klar, dass nicht zwangsläufig die Nachfrage das Angebot bestimmt, wie es glühende Marktwirtschaftsanhänger immer wieder behaupten.
Ich bin nicht der Ansicht, es sollte fürderhin - lang lebe der Sozialismus! - nur noch Einheits-Artikel für diesen Zweck geben, und zwar aus Recycling-Papier. Großes Aber: Ich glaube, die (in diesem Fall) geneigte Konsumentin würde auf den Unfug niemals von alleine kommen, sich ein mit 0,00000337%iger Aloe-Vera-Lösung imprägniertes, plattgewalztes Stück Watte ins Höschen kleben zu wollen. Sie wüsste gar nicht, weshalb sie das wollen sollen würde.
Es muss erst ein findiger Marketing-Mensch kommen und bei ihr das Bedürfnis nach zarter Haut auch an den verstecktesten Körperstellen wecken und die passende Lösung präsentieren, nach deren Stichhaltigkeit angesichts des blumigen Versprechens niemand mehr fragt. Oder, was noch viel, viel wirksamer ist, der Marketing-Mensch erfindet ein Schreckgespenst...!!!
Der Gedanke ist ja nun auch wirklich absolut unerträglich für uns Durchschnittsfrauen. Man stelle sich das vor: Man schlängelt sich im fahrenden Zug durch enge Sitzreihen, und an deren Ende dräut, mit ausgestreckten Beinen und sympathischem Dreitagebart, der totale Traumtyp - optimal zum Flirten (oder sogar mehr...). Und dann, plötzlich, kriegt man die Krise, weil man feststellt, man ist nicht das zarte, süße, elegante, frische und dem gängigen Idealbild entsprechende Persönchen von einer Frau, mit dem so ein Typ flirten würde.
Im Gegenteil: Man ist schon drei Stunden mit diesem vermaledeiten Zug unterwegs und riecht dementsprechend. Also nicht nach Schweinestall oder wie drei Tage nicht geduscht, sondern einfach nur wie ein weiblicher Mensch. Was für eine Schreckensvision! Ehrlich!! Ist es nicht wirklich eine Bereicherung für die Menschheit, dass da dieser findige Marketing-Mensch unsere Angst und unseren Schrecken erkannt hat und uns die Möglichkeit gibt, im Schritt wunderbar leicht und locker nach Raumspray zu duften anstatt nach Frau? Nasoeinglück!!
Die Slipeinlage als solche steht natürlich exemplarisch für all die anderen lustigen Dinge, die zu kaufen uns immer wieder mit Nachdruck ans Herz gelegt wird. Es spielt gar keine Rolle, ob wir all die bunten Dinge wirklich brauchen oder ob sie tatsächlich einen Zweck erfüllen.
Mit dem Kaufen ist es wie mit dem Rauchen. Wir befriedigen damit ein Bedürfnis, das wir eigentlich nicht hätten, legte es nicht jemand drauf an, dass wir es haben sollen. Eine Kaufhauskette warb neulich mal auf Plakaten mit dem Slogan "Kaufen macht glücklich!". Ich dachte nicht, dass man Leuten straflos so platt ins Gesicht lügen kann, aber offenbar kann man. Nett verpackt geht es natürlich noch leichter, dann riecht es auch noch gut.
Problematisch ist die emotionale Besetzung des Ganzen. Mit Angst wie mit Begehren lässt sich der Mensch super steuern. Duftende und glänzende Dinge sorgen dafür, dass wir uns weniger farblos fühlen und die Befürchtung, langweilig und unattraktiv zu sein, für zumindest ein halbes Stündchen auf ein erträgliches Maß zusammenschrumpft. Dann brauchen wir wieder die nächste Zigarette.
Der Mensch ist in erster Linie Zielgruppe, und in dem Begriff schlägt sich schon deutlich nieder, dass die Nachfrage nicht das Angebot bestimmt, sondern es zumindest in mancherlei Hinsicht genau umgekehrt ist. Auf mich als Menschen wird gezielt. Es soll etwas an den Mann, an die Frau gebracht werden. Es geht dabei nicht um meine Bedürfnisse oder gar darum, was ich brauche.
Die Super-Mami aus der Milchcreme-Snack-Werbung braucht keine Süßigkeiten, denn diese konkrete Süßigkeit wäre allenfalls noch lecker, zumindest macht sie aber vor allem nur dick und wegen ihrer kurzkettigen Kohlehydrate ein bisschen euphorisch. Das tun all die anderen Süßigkeiten auch. Also wird vermittelt: Jemand, der ein solches Familienmanager-Allroundtalent ist und ständig nur an andere denkt, darf sich zwischendurch auch mal was gönnen - tadaaaa, da ist sie, die emotionale Botschaft. Du hast es Dir verdient!! Du hast Dir was Besonderes verdient!!! Wirklich echt. Gönn' es Dir!!
Das Bedürfnis nach etwas Besonderem, nach Anerkennung und nach Seelen-Streicheleien haben wir alle, und zwar so sehr, dass es ein leichtes ist, auf uns als Gruppe zu zielen, abzudrücken und uns Zucker und Fett als etwas Besonderes zu verkaufen. Man muss nur die richtigen Verbindungen herstellen.
Das wäre vielleicht alles soweit zumindest noch im Bereich des Erträglichen, wenn uns Bonbons als Bonbons verkauft würden, aber da war ja noch die Sache mit der Gewinnmaximierung. Also wird auch noch an der anderen Stellschraube gedreht, die neben dem Konsumenten beeinflussbar ist, nämlich am Produkt. Wieso sollte man Menschen, die ohnehin alles fressen würden, noch Käse verkaufen, wenn es auch analog geht? Wieso die guten Teile vom Schwein nehmen, wenn man auch die Reste zusammenbasteln kann, die sonst in die Tonne gekommen wären? Wieso sollte man Erdbeeren in den Joghurt tun, wenn Sägespäne billiger sind? Bunt verpackt macht es keinen Unterschied mehr.
Was mich beeindruckt ist die enorme Kreativität, die dahinter steckt. Endlose Designtests werden veranstaltet, um zu sehen, wie sehr ein Mobiltelefon als stylisches (aber leider unfunktionelles) Prestigeobjekt taugt. Immer wieder neue Zusammenstellungen von Aromen aus der Pipette werden ausprobiert, um dem Geschmack von Omas Eintopf so nah wie möglich zu kommen und ihn in ein wasserlösliches Pülverchen zu bannen. Wie findig es doch ist, überhaupt darauf zu kommen, dass sich aus Hefe ein Stoff extrahieren lässt, der uns zumindest gierig, wenn nicht süchtig macht, wenn man ihn auf frittierte Kartoffelscheiben aufträgt.
Naiv, davon zu träumen, was man mit all dieser Kreativität und den zur Gewinnmaximierung gebundenen Ressourcen alles anstellen könnte. It's a mad world. It's a sad world.
Während der Gatte im Baumarkt war, um eilig noch einige Schräubchen für seine Teleskopmontierung zu besorgen, lief ich in die Drogerie, um mal schnell eben... Ja, und da haperte es dann auch schon. Denn schnell mal eben eine Schachtel Slip-Einlagen (eigentlich sowas Profanes) zu kaufen, ist quasi unmöglich.
Ich stand vor der breiten Angebotspalette kleiner, selbstklebender Zellstoffstreifen und konnte einfach keine normalen finden. Es gab welche mit Aloe Vera und mit Kamille, welche zum Falten und welche in schwarz (damit der neuesten Eroberung beim Abstreifen des Schlüpfers nicht auffällt, dass man überhaupt welche benutzt, was ja wieder irgendwie peinlich wäre), es gab welche mit Duft in zig verschiedenen Varianten (damit man bloß keinen Eigengeruch absondert). Welche mit Flügelchen. Welche in extra klein, welche im praktischen Döschen, einzeln in Plastikfolie verpackte, welche mit Schutzfolie und welche ohne. Nur so ganz normale Slipeinlagen musste ich länger suchen.
Vielleicht ist es ein wenig absurd, angesichts von Konsumenten-Verwirrung vor dem Intimhygieneregal philosophische Betrachtungen anzustellen. Trotzdem musste ich mich zwangsläufig fragen: "Wer braucht den Unsinn?" Mir wurde mal wieder klar, dass nicht zwangsläufig die Nachfrage das Angebot bestimmt, wie es glühende Marktwirtschaftsanhänger immer wieder behaupten.
Ich bin nicht der Ansicht, es sollte fürderhin - lang lebe der Sozialismus! - nur noch Einheits-Artikel für diesen Zweck geben, und zwar aus Recycling-Papier. Großes Aber: Ich glaube, die (in diesem Fall) geneigte Konsumentin würde auf den Unfug niemals von alleine kommen, sich ein mit 0,00000337%iger Aloe-Vera-Lösung imprägniertes, plattgewalztes Stück Watte ins Höschen kleben zu wollen. Sie wüsste gar nicht, weshalb sie das wollen sollen würde.
Es muss erst ein findiger Marketing-Mensch kommen und bei ihr das Bedürfnis nach zarter Haut auch an den verstecktesten Körperstellen wecken und die passende Lösung präsentieren, nach deren Stichhaltigkeit angesichts des blumigen Versprechens niemand mehr fragt. Oder, was noch viel, viel wirksamer ist, der Marketing-Mensch erfindet ein Schreckgespenst...!!!
Der Gedanke ist ja nun auch wirklich absolut unerträglich für uns Durchschnittsfrauen. Man stelle sich das vor: Man schlängelt sich im fahrenden Zug durch enge Sitzreihen, und an deren Ende dräut, mit ausgestreckten Beinen und sympathischem Dreitagebart, der totale Traumtyp - optimal zum Flirten (oder sogar mehr...). Und dann, plötzlich, kriegt man die Krise, weil man feststellt, man ist nicht das zarte, süße, elegante, frische und dem gängigen Idealbild entsprechende Persönchen von einer Frau, mit dem so ein Typ flirten würde.
Im Gegenteil: Man ist schon drei Stunden mit diesem vermaledeiten Zug unterwegs und riecht dementsprechend. Also nicht nach Schweinestall oder wie drei Tage nicht geduscht, sondern einfach nur wie ein weiblicher Mensch. Was für eine Schreckensvision! Ehrlich!! Ist es nicht wirklich eine Bereicherung für die Menschheit, dass da dieser findige Marketing-Mensch unsere Angst und unseren Schrecken erkannt hat und uns die Möglichkeit gibt, im Schritt wunderbar leicht und locker nach Raumspray zu duften anstatt nach Frau? Nasoeinglück!!
Die Slipeinlage als solche steht natürlich exemplarisch für all die anderen lustigen Dinge, die zu kaufen uns immer wieder mit Nachdruck ans Herz gelegt wird. Es spielt gar keine Rolle, ob wir all die bunten Dinge wirklich brauchen oder ob sie tatsächlich einen Zweck erfüllen.
Mit dem Kaufen ist es wie mit dem Rauchen. Wir befriedigen damit ein Bedürfnis, das wir eigentlich nicht hätten, legte es nicht jemand drauf an, dass wir es haben sollen. Eine Kaufhauskette warb neulich mal auf Plakaten mit dem Slogan "Kaufen macht glücklich!". Ich dachte nicht, dass man Leuten straflos so platt ins Gesicht lügen kann, aber offenbar kann man. Nett verpackt geht es natürlich noch leichter, dann riecht es auch noch gut.
Problematisch ist die emotionale Besetzung des Ganzen. Mit Angst wie mit Begehren lässt sich der Mensch super steuern. Duftende und glänzende Dinge sorgen dafür, dass wir uns weniger farblos fühlen und die Befürchtung, langweilig und unattraktiv zu sein, für zumindest ein halbes Stündchen auf ein erträgliches Maß zusammenschrumpft. Dann brauchen wir wieder die nächste Zigarette.
Der Mensch ist in erster Linie Zielgruppe, und in dem Begriff schlägt sich schon deutlich nieder, dass die Nachfrage nicht das Angebot bestimmt, sondern es zumindest in mancherlei Hinsicht genau umgekehrt ist. Auf mich als Menschen wird gezielt. Es soll etwas an den Mann, an die Frau gebracht werden. Es geht dabei nicht um meine Bedürfnisse oder gar darum, was ich brauche.
Die Super-Mami aus der Milchcreme-Snack-Werbung braucht keine Süßigkeiten, denn diese konkrete Süßigkeit wäre allenfalls noch lecker, zumindest macht sie aber vor allem nur dick und wegen ihrer kurzkettigen Kohlehydrate ein bisschen euphorisch. Das tun all die anderen Süßigkeiten auch. Also wird vermittelt: Jemand, der ein solches Familienmanager-Allroundtalent ist und ständig nur an andere denkt, darf sich zwischendurch auch mal was gönnen - tadaaaa, da ist sie, die emotionale Botschaft. Du hast es Dir verdient!! Du hast Dir was Besonderes verdient!!! Wirklich echt. Gönn' es Dir!!
Das Bedürfnis nach etwas Besonderem, nach Anerkennung und nach Seelen-Streicheleien haben wir alle, und zwar so sehr, dass es ein leichtes ist, auf uns als Gruppe zu zielen, abzudrücken und uns Zucker und Fett als etwas Besonderes zu verkaufen. Man muss nur die richtigen Verbindungen herstellen.
Das wäre vielleicht alles soweit zumindest noch im Bereich des Erträglichen, wenn uns Bonbons als Bonbons verkauft würden, aber da war ja noch die Sache mit der Gewinnmaximierung. Also wird auch noch an der anderen Stellschraube gedreht, die neben dem Konsumenten beeinflussbar ist, nämlich am Produkt. Wieso sollte man Menschen, die ohnehin alles fressen würden, noch Käse verkaufen, wenn es auch analog geht? Wieso die guten Teile vom Schwein nehmen, wenn man auch die Reste zusammenbasteln kann, die sonst in die Tonne gekommen wären? Wieso sollte man Erdbeeren in den Joghurt tun, wenn Sägespäne billiger sind? Bunt verpackt macht es keinen Unterschied mehr.
Was mich beeindruckt ist die enorme Kreativität, die dahinter steckt. Endlose Designtests werden veranstaltet, um zu sehen, wie sehr ein Mobiltelefon als stylisches (aber leider unfunktionelles) Prestigeobjekt taugt. Immer wieder neue Zusammenstellungen von Aromen aus der Pipette werden ausprobiert, um dem Geschmack von Omas Eintopf so nah wie möglich zu kommen und ihn in ein wasserlösliches Pülverchen zu bannen. Wie findig es doch ist, überhaupt darauf zu kommen, dass sich aus Hefe ein Stoff extrahieren lässt, der uns zumindest gierig, wenn nicht süchtig macht, wenn man ihn auf frittierte Kartoffelscheiben aufträgt.
Naiv, davon zu träumen, was man mit all dieser Kreativität und den zur Gewinnmaximierung gebundenen Ressourcen alles anstellen könnte. It's a mad world. It's a sad world.