Sturmflut
Widersinnigkeiten
Jetzt ist es also so weit: Noch rund eine Woche lang werde ich arbeiten, dann nehme ich meinen restlichen Urlaub und kümmere mich ums Fortkommen (oder schiebe auch vielleicht den einen oder anderen wirklich freien Tag ein).

Vor mir liegt Ungewissheit, und ich schwanke zwischen Zuversicht und latenter Panik. Freundin I. meinte, ich würde doch immer wieder irgendwie auf die Füße fallen, und dass sie mir das so gesagt hat und generell zu glauben scheint, dass ich einen Weg finden werde, das macht mir ungeheuer viel Mut.

Wie also soll's weitergehen? Ich stelle fest, dass mir der fehlende Studiumsabschluss Schwierigkeiten macht. Aber eben nicht nur der, denn selbst, wenn ich ein abgeschlossenes Studium hätte, stünde ich jetzt wieder vor der Problematik, mit den Geisteswissenschaften als Basis etwas anfangen zu müssen.

Was nicht bedeutet, dass ich nichts kann. Auf der Grundlage dessen, was ich kann (und mir in den vergangenen fünf Jahren im aktuellen Betrieb teils unter kundiger und freundlicher Anleitung, teils autodidaktisch angeeignet habe), würde eine Umschulung zur Mediengestalterin sinnvoll sein. Stellt sich dabei natürlich die Frage, wer das bezahlt. Wenn meine Lieblingsagentur die Kosten für diese Weiterbildungsmaßnahme trüge, dann stünde dem nichts mehr im Weg - abgesehen von ein paar Widersinnigkeiten.

Ich muss nämlich - darauf wies mich I. hin - im Falle, dass ich die Umschulung bewilligt bekomme, jederzeit bereit sein, die Maßnahme zugunsten einer Arbeitsaufnahme abzubrechen. Das erscheint mir haarsträubend, steht so aber leider auch im Merkblatt der Agentur. Das heißt, selbst wenn ich auf dem besten Wege zur ausgebildeten Mediengestalterin bin, muss ich im Zweifel eine Stelle als Hilfskraft beim örtlichen Bäcker oder irgendwo im Büro annehmen. Sinnhaftigkeit offen.

Googelt man nach dem Thema, finden sich nun wiederum nur die verzweifelten Äußerungen diverser Erwerbsloser, die die Maßnahmen, in die sie die Agentur für Arbeit vermittelt hat, abbrechen wollen, es aber nicht dürfen, es sei denn, sie nähmen in Kauf, dass ihnen die Mittel gekürzt werden.

Auf "gut" deutsch heißt das also, dass ich, ganz gleich, ob das sinnvoll ist oder nicht, den Anweisungen meines Sachbearbeiters zu folgen habe. Es schüttelt mich, es schüttelt mir den Kopf.

Nun muss es dazu ja nicht kommen, und Versuch macht klug. Ich habe am Montag in einer Woche einen Termin beim Weiterbildungsträger meiner Wahl. Einen Gesprächstermin bei meiner Sachbearbeiterin der Agentur habe ich bislang nicht bekommen. Das bestätigt mich darin, dass mich bloß Eigeninitiative weiterbringt und selbige Agentur sich lediglich als Notstandsverwalterin sieht, nicht als Vermittlerin und Perspektiveneröffnerin. Bei meinem letzten Termin, der berufsbedingt um viertel vor sechs abends stattfand, sagte die Dame vom Amt recht lapidar: "Um diese Zeit, so kurz vor Feierabend, überschlag' ich mich auch nicht mehr!" Die Einstellung müsste ich mir mal leisten.

Auch die Diskrepanz zwischen den schönen Worten seitens der Politik, die jüngst in den Medien auftauchen, und der Realität ist eklatant und fügt sich in dieses Bild der Widersinnigkeiten ein. Studienabbrecher wolle man besonders fördern, hörte ich erst neulich wieder. Hey, hier ist die Gelegenheit: Befassen Sie sich doch mit jemandem, der wirklich etwas lernen will. Machen Sie mich zur Fachkraft. Ich behebe gern Ihren Fachkräftemangel.

Die Jobangebote hier sind gerade sehr mau. Und ein Großteil der Angebote sind solche aus der Zeitarbeit. Es ist wirklich keine Frage von Lust oder Unlust, sich mit selbigen nicht näher befassen zu wollen - es kann aber spielentscheidend sein, wenn's um die Ansprüche gegenüber der Agentur geht. Meine Güte, davon wird mir schlecht.

Vor rund einem Monat gab es allerdings gleich mehrere Angebote in meiner Gegend, auf die ich mit einem Abschluss als Mediengestalterin super gepasst hätte. Mir macht das Hoffnung, aber erleichtert bin ich wirklich erst dann, wenn mein Ansinnen Erfolg hat. Also versuche ich, in den Nägel-mit-Köpfen-Modus zu schalten und mir nicht allzu viele Sorgen zu machen.

Erleichterung macht sich, von allem anderen mal abgesehen, aber auch breit angesichts des Umstandes, dass ich ab kommenden Monat nicht mehr in der Firma aufzutauchen brauche. Die Stimmung ist so dermaßen schlecht, dass man das Gefühl beinahe mit Händen greifen kann. Der Boss befindet sich alldieweil im Urlaub und gibt aus dieser unerreichbaren Position allerhand verquere Anweisungen, die ambestengestern umgesetzt werden sollen. So unter anderem auch der Umzug mit unseren Arbeitsplätzen von der Zweigstelle zurück ins Haupthaus, der am letzten Donnerstag befohlen und inzwischen ausgeführt wurde. Die Modalitäten und Gegebenheiten interessierten Chef einen feuchten Kehricht, wir sind halt alle "ein bisschen zusammengerückt". Man fühlt sich wie ein Möbel, das hin- und hergeschoben wird. Die Nebenstelle steht nun leer, und ich war nicht die einzige, die das wie eine vorgezogene Abwicklung empfand.

Nun, es kümmert mich nicht mehr. Schade nur, dass der Gatte das noch länger ertragen muss. Das ist denn auch das einzige, was mich tatsächlich ein wenig traurig macht: Die Mehrheit der Belegschaft wird mich zwar nicht vermissen, und ich sie auch nicht, aber es gibt doch einen, zwei Kollegen. Auch, nicht mehr mit dem Gatten zusammen zu arbeiten ist etwas, das mir und vielleicht auch ihm fehlen wird.

Vor mir liegt eine weiße Fläche, gefüllt mit ein paar Wegmarken und Terminen. Hoffen wir, dass sie sich nicht mit zu vielen Widersinnigkeiten füllen wird.