Sturmflut
Totale Erschöpfung
Ich fühle mich, als könnte ich tagelang durchschlafen. Dabei kann ich das nicht einmal eine Nacht lang vernünftig. Das vage Hin und Her der vergangenen Wochen macht mich fertig, ich schwanke zwischen Glücksgefühlen und einem düsteren Tunnelblick.

Abends bin ich zu groggy, um mich noch richtig müde zu lesen, und sobald das Licht gelöscht ist, sausen die Gedanken wild von einer Ecke zur anderen. Schutzbleche kommen darin vor und mein inneres Auge konstruiert die Vorwegnahme einer neuen Schicht Lackes, die ich auftrage. Worte, die meine Arbeitsvermittlerin sprechen könnte (oder auch nicht) geistern durch die Dunkelheit. Eventualitäten werden gewälzt, Zaunlatten gestrichen, Ideen über das Unterwegssein zu Fuß wachsen wie zarte, aus dem Boden lugende Keimlinge. Ich werde verrückt.

Gestern rief meine Arbeitsvermittlerin an, und dieses Mal machte sie ihrem Namen Ehre. Sie vermittelte mir drei Unternehmen samt Ansprechpartnern, die grundsätzlich bereit seien, zum Mediengestalter umzuschulen. Meine Auffassung, dass die Lage für Mediengestalter nicht so schlecht ist wie behauptet und dass Speditionskauffrau keine wirkliche Option für mich darstellt, habe ich offenbar nachdrücklich glaubhaft machen können. Noch am gleichen Tag habe ich mich bei allen dreien beworben (und bei zweien blöderweise die abschließende Grußformel vergessen - wie dämlich, ist sonst nicht meine Art). Auch die überbetriebliche Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch. So oder so schwebt die große, schwarze 1 vor dem Wörtchen September auf einem Kalenderblatt vor meinen geschlossenen Augen, nachts im Bett.

Keine negativen Nachrichten, summa summarum geht es mir wirklich gut, und dennoch... Es geht allmählich an die Substanz, ich fühle mich völlig ausgelaugt, schaue in ein Spiegelbild mit tiefen, dunklen Schatten unter den Augen und wünsche mir Rhythmus, Richtung, Bestimmung. Statt dessen heißt es wieder, nach getätigter Aktion auf Reaktion zu warten. Keine Kontrolle, keine Gezieltheit, auch wenn ich das noch so gern hätte. Ich kreise um die Lampe und vergesse, zu essen.

Ich freue mich auf das Wochenende. Auf die zweieinhalb Tage, an denen mich ganz gewiss niemand anrufen wird, ich das Handy ausschalten kann, beim Checken der Mails keine Überraschungen erleben werde - weder gute noch weniger gute. Nur ein bisschen Ruhe.