Kuriositäten, Trödel, schwindende Trends
Am 25. Aug 2013 im Topic 'Seemannsgarn'
Mit dem Gatten und Freund J. war ich gestern auf dem alljährlich bei uns stattfindenden großen Flohmarkt. Ich liebe Flohmärkte, auch wenn ich das Gedrängel, Gewatschel und Geschiebe nicht unbedingt mag.
Meist ist der Flohmarkt die Möglichkeit, an Dinge heranzukommen, die man nicht gesucht hat, für einen Preis, den man verkraften kann, abzüglich Nachlass-Spanne.
Ich hatte eigentlich gar nichts gesucht. Zwischen den Ständen fielen mir natürlich trotzdem Dinge ein, die ich noch brauchen könnte: Eine robuste Fahrradtasche oder eine Messengertasche für künftige Anforderungen an Bücher- und Schreibkramtransport, vielleicht ein nettes Paar Schuhe, Holzkistchen, Bernsteinschmuck, (noch) einen Rock für meinen Kleiderschrank. Letztlich blieb es bei zwei blechernen Zigarillo-Schachteln, die sich prima für die Aufbewahrung von Nähmaschinennadeln und anderem Krimskrams eignen.
Gesammelt habe ich dennoch, denn die Eindrücke waren vielfältig. Es gab natürlich die gesamte übliche Flohmarkt-Angebotspalette: Biergläser mit Werbeaufdruck, das gute achteckige Arcoroc-Geschirr in schwarz oder die Joy-Gläser der Tochter, die schon seit Jahrzehnten auf dem Dachboden gestanden hatten, das Teegeschirr von Oma, Bambusrollos und Schreibtischlampen, massenweise CD-Regale, Werbetafeln, Barbiepuppen, monumentale Bildbände aus den Siebzigern, Karteikästen mit alten Fotos, Münzsammlungen, Plüschpantoffeln, Kindergarderobe, Schallplatten, Bilderrahmen, glasierte Blumentöpfe.
Das Kabinett der Scheußlichkeiten war groß und vielfältig, Kitsch und Nippes allerorten.
Aber auch echte Erstaunlichkeiten wie dieses wunderhübsche Liebhaberklo kamen mir unter die Augen.
Spannend ist immer, an den Flohmarktständen zu beobachten, welche Trends in Sachen Haushaltsgeräte, Deko, Spielzeug und Technik-Gimmicks auf dem absteigenden Ast sind. Vor ein paar Jahren rangierten die Standinhaber ihre Joghurtbereiter aus. Man erinnere sich: Mit der Hilfe eines passenden Elektrogeräts wurde unter Verwendung von ein bisschen Joghurt in einer Batterie von Glasbehältern noch mehr Joghurt erzeugt. Ungefähr zeitgleich mit den Joghurtbereitern schieden auch die Sandwichmaker aus den Haushalten ihrer Besitzer aus.
Gestern verlor ich eine Wette. Nachdem wir an mehreren Ständen Brotback-Automaten gesehen hatten, sprach ich vollmundig zu J. und zum Gatten: "Wenn wir tatsächlich zehn Stück davon zu Gesicht bekommen, gebe ich Euch ein Eis aus!" Das Schicksal nahm seinen Lauf, offenbar ist der Brotback-Automat gerade aus der Liste der beliebten Haushaltsgeräte herausgefallen. Bei Nummer zehn angekommen, bedankte sich J. artig bei den Standbetreibern dafür, dass sie den ihren zum Verkauf anböten. Die Leute waren leicht irritiert und schienen einen Moment lang zu glauben, J. wolle ihnen den Automaten abkaufen. Dann wurde gelacht, aber eine Spur Enttäuschung über das entgangene Geschäft schien mir in der Luft hängen zu bleiben. Richtig geärgert hätte ich mich, wäre es denn bei zehn Brotback-Automaten geblieben. Aber wir brachten es insgesamt dann doch auf zwölf, und abends gab es Eis.
Ähnlich spannend wie mit den verflossenen Haushaltsgeräte-Vorlieben verhält es sich mit den aufgegebenen Hobbies der Kinder. Vor allem Reithelme, Reitstiefel und andere Accessoires für Pferdenarren standen auf Tapetentischen ausgebreitet.
Aber auch Skates, Skier, Schlittschuhe, Kindercomputer, Konsolenspiele und haufenweise Kuscheltiere (wer kauft die?).
Einen ganz eigenen, kuriosen Zweig stellt die Sparte der nicht funktionierenden, irgendwann einmal im Teleshopping erstandenen Sportgeräte dar. Darunter sind so Dinger mit allerhand Zahnrädchen drin, mit deren Hilfe man in gehockter Körperhaltung über den Teppichboden rollern kann (allerdings bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, denn der gewünschte Adoniskörper stellt sich bei dieser Tätigkeit nicht ein, oder zumindest sehr viel später als ein dauerhafter Haltungsschaden). Oder Plastikkonstrukte, die man mittels einer Hebelbewegung gegen die Bauchdecke pressen soll und die irgendwann ein Sixpack erzeugen sollen. Der Vorgang des schwindenden Trends ist auf diesem Gebiet allerdings beinahe abgeschlossen, ähnlich wie bei der Sache mit dem Joghurtbereiter.
Es waren natürlich auch echte Schätze dabei. Alte Schreibmaschinen beispielsweise.
Die erinnern mich immer daran, wie ich als Kind und Jugendliche vor dem Auftauchen des ersten Computers in unserem Haushalt mit Hingabe stundenlang auf der mechanischen Schreibmaschine meiner Mutter vor mich hingehämmert habe, fasziniert darüber, wie schnell sich durch das Bewegen der Finger Gedanken auf ein Stück Papier pressen ließen. Mitnehmen wollte ich so eine Schreibmaschine trotzdem nicht. Wir haben schon genug Kram im Haus. Ähnlich verhielt es sich mit Nähmaschinen. Da waren einige Schätzchen dabei, aber es erschien mir wichtiger, Frau Josefine und Mrs Singer hier bei mir zuhause Manieren beizubringen, als noch mehr Konkurrenz ins Haus zu holen.
Neben Nippes, Ausrangiertem, Antikem und Schrott hatten einige Flohmarktverkäufer auch eine gehörige Portion Humor. Schon allein daher lohnte sich der Besuch.
Kein Flohmarktbesuch aber ohne Sinnspruch. Ich schließe mit diesem hier, der mir gerade besonders gefällt:
Fußnote:
Zwischen zwei Standreihen begegnete mir plötzlich mein Vater. Er ist sehr alt geworden. Die Umarmung, in die er mich - wie üblich - hineinziehen wollte, verweigerte ich. Er erzählte über sich. Wo er war, was er macht und über eine Operation, die ihm bevorsteht. Mir fiel nicht viel ein, was ich hätte sagen können. Er musterte mich noch einen Moment, besonders die weißen Strähnen in meinem Haaransatz, und dann trennten sich unsere Wege.
Meist ist der Flohmarkt die Möglichkeit, an Dinge heranzukommen, die man nicht gesucht hat, für einen Preis, den man verkraften kann, abzüglich Nachlass-Spanne.
Ich hatte eigentlich gar nichts gesucht. Zwischen den Ständen fielen mir natürlich trotzdem Dinge ein, die ich noch brauchen könnte: Eine robuste Fahrradtasche oder eine Messengertasche für künftige Anforderungen an Bücher- und Schreibkramtransport, vielleicht ein nettes Paar Schuhe, Holzkistchen, Bernsteinschmuck, (noch) einen Rock für meinen Kleiderschrank. Letztlich blieb es bei zwei blechernen Zigarillo-Schachteln, die sich prima für die Aufbewahrung von Nähmaschinennadeln und anderem Krimskrams eignen.
Gesammelt habe ich dennoch, denn die Eindrücke waren vielfältig. Es gab natürlich die gesamte übliche Flohmarkt-Angebotspalette: Biergläser mit Werbeaufdruck, das gute achteckige Arcoroc-Geschirr in schwarz oder die Joy-Gläser der Tochter, die schon seit Jahrzehnten auf dem Dachboden gestanden hatten, das Teegeschirr von Oma, Bambusrollos und Schreibtischlampen, massenweise CD-Regale, Werbetafeln, Barbiepuppen, monumentale Bildbände aus den Siebzigern, Karteikästen mit alten Fotos, Münzsammlungen, Plüschpantoffeln, Kindergarderobe, Schallplatten, Bilderrahmen, glasierte Blumentöpfe.
Das Kabinett der Scheußlichkeiten war groß und vielfältig, Kitsch und Nippes allerorten.
Aber auch echte Erstaunlichkeiten wie dieses wunderhübsche Liebhaberklo kamen mir unter die Augen.
Spannend ist immer, an den Flohmarktständen zu beobachten, welche Trends in Sachen Haushaltsgeräte, Deko, Spielzeug und Technik-Gimmicks auf dem absteigenden Ast sind. Vor ein paar Jahren rangierten die Standinhaber ihre Joghurtbereiter aus. Man erinnere sich: Mit der Hilfe eines passenden Elektrogeräts wurde unter Verwendung von ein bisschen Joghurt in einer Batterie von Glasbehältern noch mehr Joghurt erzeugt. Ungefähr zeitgleich mit den Joghurtbereitern schieden auch die Sandwichmaker aus den Haushalten ihrer Besitzer aus.
Gestern verlor ich eine Wette. Nachdem wir an mehreren Ständen Brotback-Automaten gesehen hatten, sprach ich vollmundig zu J. und zum Gatten: "Wenn wir tatsächlich zehn Stück davon zu Gesicht bekommen, gebe ich Euch ein Eis aus!" Das Schicksal nahm seinen Lauf, offenbar ist der Brotback-Automat gerade aus der Liste der beliebten Haushaltsgeräte herausgefallen. Bei Nummer zehn angekommen, bedankte sich J. artig bei den Standbetreibern dafür, dass sie den ihren zum Verkauf anböten. Die Leute waren leicht irritiert und schienen einen Moment lang zu glauben, J. wolle ihnen den Automaten abkaufen. Dann wurde gelacht, aber eine Spur Enttäuschung über das entgangene Geschäft schien mir in der Luft hängen zu bleiben. Richtig geärgert hätte ich mich, wäre es denn bei zehn Brotback-Automaten geblieben. Aber wir brachten es insgesamt dann doch auf zwölf, und abends gab es Eis.
Ähnlich spannend wie mit den verflossenen Haushaltsgeräte-Vorlieben verhält es sich mit den aufgegebenen Hobbies der Kinder. Vor allem Reithelme, Reitstiefel und andere Accessoires für Pferdenarren standen auf Tapetentischen ausgebreitet.
Aber auch Skates, Skier, Schlittschuhe, Kindercomputer, Konsolenspiele und haufenweise Kuscheltiere (wer kauft die?).
Einen ganz eigenen, kuriosen Zweig stellt die Sparte der nicht funktionierenden, irgendwann einmal im Teleshopping erstandenen Sportgeräte dar. Darunter sind so Dinger mit allerhand Zahnrädchen drin, mit deren Hilfe man in gehockter Körperhaltung über den Teppichboden rollern kann (allerdings bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, denn der gewünschte Adoniskörper stellt sich bei dieser Tätigkeit nicht ein, oder zumindest sehr viel später als ein dauerhafter Haltungsschaden). Oder Plastikkonstrukte, die man mittels einer Hebelbewegung gegen die Bauchdecke pressen soll und die irgendwann ein Sixpack erzeugen sollen. Der Vorgang des schwindenden Trends ist auf diesem Gebiet allerdings beinahe abgeschlossen, ähnlich wie bei der Sache mit dem Joghurtbereiter.
Es waren natürlich auch echte Schätze dabei. Alte Schreibmaschinen beispielsweise.
Die erinnern mich immer daran, wie ich als Kind und Jugendliche vor dem Auftauchen des ersten Computers in unserem Haushalt mit Hingabe stundenlang auf der mechanischen Schreibmaschine meiner Mutter vor mich hingehämmert habe, fasziniert darüber, wie schnell sich durch das Bewegen der Finger Gedanken auf ein Stück Papier pressen ließen. Mitnehmen wollte ich so eine Schreibmaschine trotzdem nicht. Wir haben schon genug Kram im Haus. Ähnlich verhielt es sich mit Nähmaschinen. Da waren einige Schätzchen dabei, aber es erschien mir wichtiger, Frau Josefine und Mrs Singer hier bei mir zuhause Manieren beizubringen, als noch mehr Konkurrenz ins Haus zu holen.
Neben Nippes, Ausrangiertem, Antikem und Schrott hatten einige Flohmarktverkäufer auch eine gehörige Portion Humor. Schon allein daher lohnte sich der Besuch.
Kein Flohmarktbesuch aber ohne Sinnspruch. Ich schließe mit diesem hier, der mir gerade besonders gefällt:
Fußnote:
Zwischen zwei Standreihen begegnete mir plötzlich mein Vater. Er ist sehr alt geworden. Die Umarmung, in die er mich - wie üblich - hineinziehen wollte, verweigerte ich. Er erzählte über sich. Wo er war, was er macht und über eine Operation, die ihm bevorsteht. Mir fiel nicht viel ein, was ich hätte sagen können. Er musterte mich noch einen Moment, besonders die weißen Strähnen in meinem Haaransatz, und dann trennten sich unsere Wege.