Sturmflut
Relativ krank
Ich liege unter der Wolldecke auf dem Sofa, auf dem Schoß das Laptop, mir ist kalt, ich bin müde. Warte aber noch auf den Anruf eines Kollegen, mit dem ich klären möchte, was in meiner Abwesenheit sonst auf meinem Schreibtisch liegenbliebe.

Ich bin krank. Das Stimmchen im meinem Kopf sagt: "Relativ krank!" Denn so schlimm können Glieder- und Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Husten ja nicht sein, dass ich deshalb zuhause bleiben dürfte. Mit mir sitzt also das schlechte Gewissen auf dem Sofa und motzt beständig.

Angesteckt habe ich mich bei den Kolleginnen. Die eine blieb deshalb bereits am Freitag zuhause, was bei mir zu einer leichten Panik angesichts der anstehenden Aufgaben führte, die mich überrollten wie ein Tsunami. Denn die andere Kollegin, die noch im Thema ist, hatte und hat noch Karnevalsurlaub. Helau!

Während die ganze Woche bis zu ihrem Urlaubsantritt kaum etwas zu tun war, quollen ausgerechnet am Freitagmorgen die Aufträge stapelweise herein, fast alle mit "ambestengestern"-Vermerk. Die Azubine war überfordert, machte aber angesichts der Umstände das beste daraus.

Heute konnte ich dann allerdings auch nicht mehr. Zuerst war ich versucht, die kranke Kollegin anzurufen und nachzufragen, ob sie denn ihrerseits heute wieder im Betrieb auftauchen würde. Falls nicht, so mein Plan (nachts um 3:10 Uhr), würde ich mich halt aufraffen. Dann wurde mir klar, dass ihre Krankheit auch nicht schwerer wiegt als meine, da wir ja schließlich beide dasselbe haben und beide in etwa gleich arbeitsfähig sind.

Die Rückstufung meiner eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten hinter die anderer hat nichts mit irgendeiner kruden Art Altruismus zu tun. Sie kommt aus der Angst vor Vorwürfen, Abmahnungen, Rechtfertigungszwang, Nichternstgenommenwerden. Und ist deswegen doppelt blöd. Ich habe keine Angst, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt oder ein Terrorist mich ins Jenseits bombt. Aber ich habe Angst davor, dass mir jemand ein falsch gesetztes Satzzeichen ankreidet, mir vorwirft, ich stelle mich nur an oder ich würde es wahlweise an Sorgfalt, Pflichtgefühl, Effizienz oder Schnelligkeit vermissen lassen.

Das ist gaga. Ich bin nicht relativ krank, es geht mir offen gestanden ziemlich lausig.

Aber Blogbeiträge schreiben kannste noch, wie?

Na dann. Bis zur Besserung dauert's wohl noch.