Sturmflut
Mittwoch, 25. September 2013
Ausflug, Ausflucht, Auszeit
Mit einem schönen Wuppdich im Magen freue ich mich auf meine Harz-Fahrt. Irgendwie ist es nur recht und billig, dass es mir gelungen ist, das Jubiläumsgeschenk der Ex-Firma in Geld umzusetzen und davon jetzt einen kurzen Urlaub machen zu können. Ich würde eher auf einen reich ausgestatteten Kleiderschrank und Beauty- oder Wellness-Firlefanz verzichten als auf das Reisen. Quedlinburg rückt in greifbare Nähe.

Natürlich konnte ich wieder nicht anders, als die Nase tief in die Wanderkarten zu stecken und voller Vorfreude zu planen. Auf die Landschaft im Ostharz bin ich besonders gespannt, und wenn jetzt noch das Wetter mitspielt... die Prognose sieht jedenfalls gut aus. Ins Auge gefasst haben wir das Bodetal, das mich besonders wegen der schroffen Felsen und des am und über dem Fluss verlaufenden Wanderwegs reizt. Ich hoffe nur, dass S. ihre Höhenangst da keinen Strich durch die Rechnung macht. Im Zweifel müssen wir händchenhaltend wandern.

Wir werden keine Probleme haben, die knapp vier Tage zu füllen. Quedlinburg an sich gibt viel her, und es gibt in der Umgebung Seilbahnen, Täler mit viel Wald und Wasser, Burgruinen und Schlösser, Klöster, Höhlen und kuriose Naturdenkmale. Ich werde mich mit Eindrücken vollsaugen wie ein Schwamm und Erinnerungen schaffen, die mir auch die aktuell schwierige Zeit nicht wird nehmen können.

Vor allem freue ich mich aber auf die gemeinsame Zeit mit S.. Unser Krach im Sommer war notwendig, das weiß ich jetzt - da gab es einige wichtige Erkenntnisse. Aber die Tatsache, dass wir uns beide aufeinander und auf unsere Fahrt freuen können, vermittelt mir ein neues Gefühl von Zusammengehörigkeit. Ich denke, wir sehen guten Gesprächen und schönen gemeinsamen Erlebnissen entgegen. Außerdem werde ich es genießen, zwischendurch mal die Sorgen zu vergessen. Das Leben ist noch mehr als Bewerben, Hoffen, Warten und Ungewissheit. Zum Glück.

Meine Musik des Tages:
The National - Fake Empire

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Donnerstag, 29. August 2013
Mache mich von dannen...
Von morgen bis Sonntag über die Grenze, frische Luft und weiten Himmel tanken. Nur zu Fuß. Schlafen im Zelt. Kekse und belegte Brötchen als Proviant.

Tot ziens!

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Donnerstag, 22. August 2013
Totale Erschöpfung
Ich fühle mich, als könnte ich tagelang durchschlafen. Dabei kann ich das nicht einmal eine Nacht lang vernünftig. Das vage Hin und Her der vergangenen Wochen macht mich fertig, ich schwanke zwischen Glücksgefühlen und einem düsteren Tunnelblick.

Abends bin ich zu groggy, um mich noch richtig müde zu lesen, und sobald das Licht gelöscht ist, sausen die Gedanken wild von einer Ecke zur anderen. Schutzbleche kommen darin vor und mein inneres Auge konstruiert die Vorwegnahme einer neuen Schicht Lackes, die ich auftrage. Worte, die meine Arbeitsvermittlerin sprechen könnte (oder auch nicht) geistern durch die Dunkelheit. Eventualitäten werden gewälzt, Zaunlatten gestrichen, Ideen über das Unterwegssein zu Fuß wachsen wie zarte, aus dem Boden lugende Keimlinge. Ich werde verrückt.

Gestern rief meine Arbeitsvermittlerin an, und dieses Mal machte sie ihrem Namen Ehre. Sie vermittelte mir drei Unternehmen samt Ansprechpartnern, die grundsätzlich bereit seien, zum Mediengestalter umzuschulen. Meine Auffassung, dass die Lage für Mediengestalter nicht so schlecht ist wie behauptet und dass Speditionskauffrau keine wirkliche Option für mich darstellt, habe ich offenbar nachdrücklich glaubhaft machen können. Noch am gleichen Tag habe ich mich bei allen dreien beworben (und bei zweien blöderweise die abschließende Grußformel vergessen - wie dämlich, ist sonst nicht meine Art). Auch die überbetriebliche Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch. So oder so schwebt die große, schwarze 1 vor dem Wörtchen September auf einem Kalenderblatt vor meinen geschlossenen Augen, nachts im Bett.

Keine negativen Nachrichten, summa summarum geht es mir wirklich gut, und dennoch... Es geht allmählich an die Substanz, ich fühle mich völlig ausgelaugt, schaue in ein Spiegelbild mit tiefen, dunklen Schatten unter den Augen und wünsche mir Rhythmus, Richtung, Bestimmung. Statt dessen heißt es wieder, nach getätigter Aktion auf Reaktion zu warten. Keine Kontrolle, keine Gezieltheit, auch wenn ich das noch so gern hätte. Ich kreise um die Lampe und vergesse, zu essen.

Ich freue mich auf das Wochenende. Auf die zweieinhalb Tage, an denen mich ganz gewiss niemand anrufen wird, ich das Handy ausschalten kann, beim Checken der Mails keine Überraschungen erleben werde - weder gute noch weniger gute. Nur ein bisschen Ruhe.

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Dienstag, 6. August 2013
Quedlinburg
Das letzte Telefonat mit S. war chaotisch. Bedingt dadurch, dass wir viel aufzuholen hatten, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen, aber auch, weil unsere Siedlung am selben Tag einen Stromausfall gehabt hatte und das der Telefonie via Internet offenbar nicht allzu gut getan hat. So habe ich schließlich nur Brocken davon mitbekommen, wie S. über Quedlinburg schwärmte, das sie ins Auge gefasst hat als Ziel und Ausgangsbasis für unseren Harz-Ausflug.

Aber genug mitbekommen habe ich doch, um zu sehen: Etwas ist passiert. S. hat mit großer Sorgfalt bereits Pensionen ausgesucht, die für diese kleine Reise in Frage kommen, und sich auch anderweitig gut informiert. Ich war überrascht und vor allem sehr froh, denn jetzt kann ich ihre Begeisterung spüren und merke, dass sie da ist.

Ich würde gern diese Fahrt noch im August machen, weil nach wie vor offen ist, ob ich Anfang September den Lehrgang zum Mediengestalter antreten darf oder nicht. So lange man noch Zeit hat... Danach bin ich nämlich an die Schulferien gebunden.

Ich bin gespannt, wie es sein wird mit S.. Sie ist schon wieder unterwegs, heute in Richtung Ruhrgebiet, wo morgen eine ihrer Freundinnen heiratet, am Wochenende dann zu den Eltern ihres Lebensgefährten, denen es gesundheitlich nicht gut geht, und schließlich macht sie dann noch einen kleinen Urlaub im Kloster, irgendwo an der Grenze zu Tschechien. Hoffentlich nimmt sie sich nicht zu viel vor, und hoffentlich trage ich nicht zum Stress bei, wenn ich noch in diesem Monat in den Harz will.

Beim nächsten Telefonat tut's dann aber hoffentlich die Technik wieder, so dass wir diese Fragen in Ruhe besprechen können.

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Montag, 5. August 2013
Tantenstolz
Am Samstag haben wir Schwager und Schwägerin mit den Resten ihres Umzugs ins Ammerland geholfen, und schließlich nahmen wir uns eine kleine Auszeit vom Räumen und Wuchten und gingen in den an die Siedlung angrenzenden kleinen Wald, um durchzuatmen und einen Geocache zu suchen.

Als wir dem neuen Haus den Rücken zuwandten, kam uns der Neffe entgegen, auf dem noch etwas zu großen Tretroller seiner älteren Schwester, und schickte sich an, uns zu begleiten. Ich sagte dem Knirps, er möge sich bei seinen Eltern abmelden, damit die ihn nicht plötzlich vermissten, und während der Gatte und ich auf der holprigen Pflasterstraße warteten, rollerte der kleine Blondschopf um die Ecke und holte das Okay der Eltern ein. Dann sauste er uns auf dem schlingernden Roller voraus.

Eine ältere Dame mit Hündchen kam uns entgegen, und der Kleine grüßte sie überaus herzlich - das regional verbreitete "Moin!" zum Gruß hatte er schon gründlich geübt. Als die Dame dann bei uns ankam, strahlte sie uns entgegen und sagte: "Das ist aber ein freundlicher kleiner Junge!"

In dem Moment war ich höllisch stolz. So einen süßen, aufgeweckten kleinen Neffen zu haben, und ja, auch, vermutlich gemeinsam mit dem Gatten für das Elternpaar gehalten zu werden. Bewusst kinderlos zu sein, bedeutet nicht zwangsweise, Kinder nicht ausstehen zu können. Mir ging mit dem Knirps an dem Tag das Herz über.

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Triümphchen
Zurück aus der Anstalt staune ich über mich selbst. Dass ich hart bleiben kann und entschieden und es offenbar verstehe, Menschen in Richtungen zu schubsen, die ich selbst gern hätte, anstatt mich schubsen zu lassen.

Ob es tatsächlich geholfen hat, das weiß ich noch nicht, aber ich habe die kategorische Auffassung meiner sogenannten Arbeitsvermittlerin, es gebe hier nichts für Mediengestalter, zumindest aufbrechen können. Es hat sich endlich ausgezahlt, dass ich informiert und kämpferisch (wenn auch freundlich) aufgetreten bin. Wenn es sonst nichts bringt, bringt es mir zumindest das gute Gefühl, mit Kraft und Überzeugung für meine Sache eingetreten zu sein.

Das ist auch schon mal was.

Meine Musik des Tages:
Incubus - Drive

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Donnerstag, 25. Juli 2013
Harz vielleicht
Freundin I. berichtete mir neulich von einem längeren Telefonat mit S., in dem S. ihre Sicht der Dinge schilderte. Inhaltlich sagte I. beinahe gar nichts darüber, sondern merkte nur an, dass S. für ihre Verhältnisse erstaunlich viel berichtet habe. Sich zurückzuhalten, passt zu I.s Charakter. Sie hat eine Meinung, setzt sich aber nicht zwischen die Stühle und behält Anvertrautes für sich. Etwas, das ich ihr hoch anrechne.

Die kurze Bemerkung über dieses Gespräch machte mir klar, dass es aber eben doch immer mindestens zwei Seiten einer Geschichte gibt. Vielleicht auch, weil meine Wut über die verdrehte und verpatzte Wanderung inzwischen verraucht ist, nicht aber meine Zuneigung zu S., setzte ich mich an den Tisch und schrieb ihr einen langen Brief.

Vorgestern lag dann ein Umschlag von S. in meinem Briefkasten. Zwei Seiten dicken Papiers hatte sie gefüllt, und nicht nur aus ihren Worten, auch an ihrer Handschrift ließ sich ablesen, wie unglaublich müde sie ist.

Ich frage mich, ob es letztlich allein diese Müdigkeit war, die ich im Kontakt mit ihr immer gespürt habe und die mich vermuten ließ, dass sie nicht anwesend und präsent sei. Ich weiß, wie schwer es S. fällt, mit dieser Müdigkeit umzugehen und die eigenen Grenzen zu akzeptieren, und also muss es mich auch nicht verwundern, wenn sie sie mir gegenüber nicht kommuniziert. In diesem Brief tat sie es dann schon, und sie merkte an, möglicherweise sei es in der Tat wichtig für sie, sich in ihren Aktivitäten zu beschränken und dies dann auch auszuhalten.

Ich denke, irgendwie ist das einfach ein neues Kapitel Freundschaft. Wir haben uns verkracht, auseinandergesetzt, über den anderen geärgert, und jetzt ist es vielleicht an der Zeit, Dinge in dieser Beziehung neu anzugehen und anders zu betrachten.

Vor allem würde ich aber gern mit ihr reden. Und sie auch mit mir. Sie schlug vor, vielleicht doch noch einmal Zeit zusammen zu verbringen und griff den Gedanken wieder auf, noch gemeinsam in den Harz zu fahren. Das hatten wir ursprünglich mal als "Übungstour" in Vorbereitung für die große Wanderung in diesem Jahr angedacht, aber es fiel dann auch wieder ins Wasser.

Der Gedanke erscheint mir irgendwie passend. Wir hätten die Möglichkeit, uns für ein paar Nächte irgendwo einzumieten und dann kleine Wanderungen ohne Gepäck zu unternehmen, die uns die Gelegenheit bieten, ins Gespräch zu kommen und dabei zugleich die Natur zu genießen.

Ich rolle den Gedanken noch ein wenig hin und her und werde dann mit ihr darüber telefonieren. Ich freue mich, dass wir uns letzten Endes doch nicht vollständig verloren haben und dass uns offenbar an der jeweils anderen genug gelegen ist, um nicht einfach die Flinte ins Korn zu werfen.

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Dienstag, 23. Juli 2013
Ich versuch's...
... mal mit Akzeptanz. Dafür, dass mich gerade alles zum Heulen bringt. Der Brief von S.. Meine gegenwärtige Lage. Dass es sich aussichtslos anfühlt (auch, wenn es "nur" arbeitslos ist). Dass ich mir wünsche, mal einen Tag verbringen zu können ohne To-Do-Liste im Hinterkopf und dass ich unsagbar müde bin. Gegen diese Art Müdigkeit hilft kein Schlaf. Vielleicht hilft das Zulassen von Schwäche. Ich weiß es nicht.

Die Tränen bewirken aber auch, dass ich mich lebendig fühle. Ich habe mich so zusammengerissen all die Tage, versucht, den Fokus auf Strategien zu setzen, Pläne zu machen und mir die dauernde Frage gestellt, wie ich erreichen kann, was ich erreichen will.

Jetzt gerade will ich das nicht mehr. Ich möchte zurück ins Jetzt. Den Kloß im Hals wegheulen, mich trösten lassen. Es hängt mir gerade alles so sehr zum Halse heraus. Auf eine Art, die mich fühlen lässt wie ein eingesperrtes Tier.

Ich wäre gern am Meer. Mit Wind im Haar und dem rauschenden Kommen und Gehen des Wassers und der Erlaubnis, nur da zu sein und atmen zu können.

So ist das.

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Montag, 22. Juli 2013
Wahr haben. Recht sein.
Ich muss unbedingt mein Oberstübchen durchputzen, weil es ganz ohne das nun doch nicht geht. Meine Gedanken kreisen um die Diskussionskultur im Netz.

Es gab mal eine Zeit, da bin ich viel in - meist themengebundenen - Internet-Foren unterwegs gewesen. Es ging mir dabei darum, mich auszukotzen und das Sich-Anvertrauen zu üben, denn es war mir wichtig, zu merken, dass ich mit meinen Problemen nicht allein bin. Manchmal half die Forentätigkeit auch, wenn ich in sensiblen Dingen und persönlichen Angelegenheiten einen Rat brauchte oder einfach nur Trost. Und es gab auch eine Zeit, in der es sehr zu meinem Selbstbewusstsein beitrug, anderen zu helfen und zu raten - was mich zuverlässig davor schützte, mich eigenem Schmerz und eigener Angst zu widmen.

Die Zeit der Foren war etwas ganz eigenes, wichtiges. Da hat man sich manchmal einen Troll gefangen, sich über seitenlange Threads hinweg Argumentationsschlachten geliefert, hat wirklich wichtigen, guten Rat bekommen. Ich durfte sehr wertvolle Menschen kennenlernen, mit denen mich heute noch intensive Freundschaften verbinden. Ich habe gelernt, zu meinem Wort und meiner Meinung zu stehen und auch klein beizugeben, wenn die Erkenntnis kam, mich geirrt zu haben.

Letztlich waren Foren für mich aber auch Energieräuber und somit eine wunderbare Trainingswiese dafür, eigene Grenzen zu erkennen und mich schließlich zurückzuziehen.

Eine solche Grenze war erreicht, als ich mal aus der Feder eines anderen lesen durfte, an dem Missbrauch durch meinen Vater selbst schuld gewesen zu sein. Jemand anderes verknüpfte das Schicksal des Missbrauchtwerdens gar an schlechtes Karma. Es gab auch Machtspielchen zwischen Forenbetreiberinnen, zwischen deren Fronten ich nicht kommen wollte. Oder Themen, die mich nicht mehr interessierten, nachdem ich mich an ihnen abgearbeitet hatte und über mich lernen durfte, dass ich auch ganz wunderbare Stellvertreterkriege im Netz durchfechten konnte, um mich realen Menschen und Aspekten nicht stellen zu müssen.

Irgendwann war es wichtiger und spannender, aus dem Netz wieder in die Realität zu treten und den Dingen ins Auge zu sehen. Ich habe das Forenlesen und -schreiben völlig aufgegeben. Denn Foren besitzen ein großes Aufregerpotenzial, und wenn man beginnt, mehr über eigene Grenzen und Ressourcen zu verstehen, dann weiß man irgendwann auch, dass man sich nicht mehr über alles aufzuregen braucht und nicht jeden einzelnen Kampf durchfechten muss, nur um... Ja, warum eigentlich? Weil es sich so toll anfühlt, andere zu überzeugen, an die Wand zu argumentieren, sich durchzusetzen, Recht zu behalten oder das letzte Wort?

Dann kam das Blog, und natürlich bin ich mit dem Ende der Foren nicht völlig aus der Netzkommunikation ausgestiegen. Konfrontationen, Debatten, Argumentationen ähneln sich schon oft. Die schriftliche Kommunikation verläuft in Kommentarsträngen ähnlich wie in Forenthreads - missverständlich, sehr persönlich und bisweilen erheblich ungehemmter als bei einem Gespräch Auge in Auge. Meinungen stehen einander gegenüber, teilweise starr wie Burgmauern. Ich habe meine Dauerthemen, die mir immer wieder aufs Neue Adrenalinschübe durch die Blutbahn jagen, während anderes mich total kalt lässt. Manches habe ich auch durchgekaut und brauche es nicht mehr. Manchen Dialog habe ich aufgegeben nach der Erkenntnis, dass andere nicht so ticken wie ich und das weitere Bemühungen aufgrund gegenseitiger Fremdheit oder gegenseitigen Befremdens unfruchtbar sind. Mit manchen Menschen wollte und will ich einfach nicht kommunizieren. Es gibt Glücksgriffe und Griffe ins Klo, auch beim digitalen Austausch.

Die Grundsatzfrage, die ich mir zwischendurch immer mal wieder stelle ist, was ich denn eigentlich im Netz will. Das Netz ist ein wunderbarer Raum, der bevölkert wird von spannenden Menschen mit spannenden Ansichten. Die muss ich nicht immer teilen, im Gegenteil. Beim Lesen in anderer Leute Blogroll, in verlinkten Artikeln, in Kommentaren zu Selbstgeschriebenem stoße ich auf ganz aufregende neue Gedankenstränge, an die ich selbst nicht gedacht, die mir allein nie in den Sinn gekommen wären oder die mich einfach immer wieder aufs Neue berühren. Manche Schreiber finden Worte für das, was ich nicht ausdrücken kann oder genau so hätte sagen wollen. Es ist nicht immer der Gleichgesinnte, der inspiriert. Die Meinungen anderer helfen mir bei der Orientierung und Findung der eigenen Position.

Und dann gibt es natürlich auch Leute, die halte ich für total daneben, kann mich weder mit ihrem Lebensentwurf noch mit ihrer Haltung anderen gegenüber anfreunden und nehme selbige manchmal genau deshalb unter die Lupe, um den eigenen Blick zu schärfen. Ich rege mich auf, ich geb's zu. Wie kann man nur...? Ich be- und verurteile, grenze mich ab, fluche und schimpfe und lasse mich ärgern und atme dann durch und lerne wieder Neues über mich und die Zwiebelschichten und die wunden Punkte und Haken und Ösen. Ich führe lange Kopfdialoge mit Menschen. Stimmt, mir kocht das Blut. Anschließend bin ich klarer.

Es soll ja Menschen geben, die schon mit einer Antwort auf alles auf die Welt gekommen sind und die sich selbst jederzeit in dem Zustand wähnen, im Recht zu sein, die einzig fundierte Position zu besitzen, die Wahrheit zu kennen und sie allen anderen mundgerecht servieren zu müssen. Ich gebe mir große Mühe, das nicht zu tun. Es gibt Diskussionen, und es gibt Diskussionen. In ersteren lässt man sich schubsen, stoßen, schieben und den eigenen Blickwinkel verändern, man hobelt und spänt, und manchmal lässt man sich auch bestätigen, ist einer Meinung und freut sich darüber, nicht allein zu sein, sondern Gleichklang zu finden. Letztere schürfen und scheuern, verletzen, verkrampfen, verwunden und enden nicht eher, bis einer dem anderen glaubwürdig vermittelt oder gar das Zugeständnis abgerungen hat, die einzig legitime Auffassung vom Universum zu besitzen, die es gibt und geben darf.

Welcher Art Diskussion ich mich widme, ist für mich ein Lernprozess in Sachen Energiemanagement. Ich werde besser darin, aber ich bin nicht wirklich gut. Vielleicht werde ich es auch nie. Macht nichts. Recht haben, die Wahrheit kennen, das letzte Wort schreiben oder sprechen muss ich nicht immer. Mindestens ist es nicht so viel wert, wie es scheint. Draußen den Grünspan von Zaunlatten zu scheuern, kann weitaus befriedigender sein als das. Es wird ohnehin niemals vorkommen, dass die ganze Welt meiner Meinung ist.

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Dienstag, 9. Juli 2013
Sommerglück in Vollendung
Die spröden Tage sind vorbei. Die Wärme ist wie Balsam, und liebe Menschen versüßen mir die Zeit.

Am vorvergangenen Montag, nach dem Frust beim Arbeitsamt, habe ich mit Hingabe mein Couchtischchen neu angestrichen und festgestellt, wie beruhigend es ist, etwas zu tun, das man wirklich gut kann. Versunken in eine simple, erfolgversprechende Tätigkeit verflogen Gedanken von Angst und Unzulänglichkeit. Zugleich keimten neue Perspektiven aus der inneren Ruhe.

Dienstag: Ein wunderbarer Stadtbummel mit Schwiegermutter und Mittelnichte, garniert mit Eiskaffee, Kinderlachen, guten Gesprächen und dem Gefühl, absolut willkommen zu sein.

Am Donnerstag gab es dann eine ausgedehnte Stippvisite auf Freundin I.s Sofa, und wir redeten, und die Zeit verflog.

Das Wochenende habe ich mit dem Gatten im Ruhrgebiet bei Freunden verbracht, um eine ExtraSchicht einzulegen. Die Sommernacht war lau und weich, und wir ließen uns mit Bus und Bahn durch die Nacht tragen und sogen die neuen Eindrücke auf, Leichtigkeit im Herzen. Am Sonntag als Dreingabe ein langer Spaziergang in Dinslaken, verbunden mit etwas Geocaching und anschließendem leichtem Sonnenbrand.

Gestern dann spontan in den heimischen Baggersee gehüpft und anschließend im Sand gelegen und die Haut vom Wind trocknen lassen.

Heute rief I. an, und wieder haben wir länger als eine fliegende Stunde lang gesprochen.

Ich habe tagelang keine Socken getragen.

Trotz anhaltender Pflichten, Pläne, Ideen und auch Unsicherheiten kann das Leben meinetwegen so weitergehen. Wenn man weiß, was trägt, ist Sommerglück nicht mehr und nicht weniger als das.

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... früher