Sturmflut
Montag, 18. Januar 2010
Zwischen den Stühlen
"Man kann nicht nicht kommunizieren...!" Dieses wahre Wort von Paul Watzlawick beschäftigt mich wieder mal.

Was sage ich aus, wenn ich nicht kommuniziere? Wenn ich mich dem Sprechen und Schreiben manchen Personen gegenüber verweigere? Und was ist die Botschaft, die ankommt, obwohl ich eigentlich nur nicht kommunizieren will?

Das hängt natürlich immer vom Empfänger (oder in diesem Fall Nicht-Empfänger) ab: Er trägt eine Brille und nimmt wahr, was seiner persönlichen Erfahrungsgeschichte mit mir und anderen entspricht.

Man könnte sagen, die Entscheidungsgrundlage für ein Kommunizieren oder Nicht-Kommunizieren sei ganz simpel. Entweder man will es, oder man will es nicht. Beispiel: Ich entscheide, ob ich meiner Mutter zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren will, und dann verhalte ich mich entsprechend. Was Watzlawick aber zu Bedenken gibt ist, dass Kommunikation über das reine Wort hinausgeht und dass auch ein Unterlassen eine Botschaft transportieren kann.

Die reine Entscheidung umfasst nur die beiden Pole "Ja" und "Nein". Die dahinter stehenden Botschaften, Motivationen, Subtexte, Interpretationsmöglichkeiten dagegen sind sehr vielfältig und liegen in fast genau so großem Maß beim Empfänger wie beim Sender. Je nachdem, ob ich meiner Mutter gratuliere oder nicht, wird sie sich entsprechend fühlen. Ihre mögliche Reaktion auf mein Verhalten beeinflusst dasselbe.

Dabei würde ich gern einfach nur nicht kommunizieren - das heißt, in diesem Fall wäre es mir am allerliebsten, meine Mutter hätte keinen Geburtstag, zu dem man ihr gratulieren könnte oder müsste. Ich würde gern all die Assoziationen, die sie aufgrund unserer beider Beziehungsverflechtungen haben könnte, einfach nur vermeiden. Ich würde gern meinen Alltag frei halten von im Raum stehenden Erwartungen, von denen ich glaube, dass sie sie hat. Meine (kurze und unsentimentale) Gratulations-Mail an meine Mutter war nur dazu gut, um mögliche Reaktionen auf eine Nicht-Kommunikation meinerseits zu verhindern. Ganz schön kompliziert, und eigentlich auch recht unnötig, denn eigentlich sind ihre Erwartungen und ihre Gefühle auch ihr Problem, nicht meines.

Kommunikation ist schwierig. Ich kenne das Gefühl, mich der Kommunikation entziehen und schweigen zu wollen. Es überkommt mich manches Mal mit großer Dringlichkeit - ich will den Kopf unter die Decke stecken und auf nichts mehr reagieren müssen. Ich empfinde jede Nachfrage nach meinem Befinden dann als Rechtfertigungszwang. Wieder geht es um die Gefühle anderer, die ausgelöst werden durch mein Schweigen. Ihr Problem, nicht meins, das sagt sich dann auch manchmal leicht.

Denn ich kenne auch die andere Seite. Manches Mal wunderte ich mich über das Schweigen anderer, das mir unbegründet schien und für das ich keine logische Erklärung fand - hatte man doch im Vorfeld immer gleichberechtigte und vielsagende Formen des Miteinander-Sprechens. Zweifel kamen hoch wie Schaum aus der Waschmaschine, wo vorher noch alles gut zu funktionieren schien. Und selbst, wenn man dann etliche Male wieder reibungslos gewaschen hat, traut man dem Frieden bisweilen nicht so ganz. Irgendwas falsch bedient, zu schnell geschleudert, eine dunkle Socke in der Weißwäsche? Zweifel dieser Art sind schwer zu verkraften.

Kommunikation, wenn ich sie denn aufrecht erhalten will, lebt wohl von der Dynamik. Schweigepausen von Freunden zeigten mir manches Mal auch, dass es okay ist, zu schweigen und mal nicht kommunizieren zu wollen oder zu können. Zu anderen Zeiten war es dann mal wieder das unerwartete Wort eines Gegenübers oder eine innige, verwobene und intensive Art des Austausches, die den Tag rettete. Der einzige Platz für Kommunikation könnte in der Tat zwischen den Stühlen sein, in der Bewegung.

Permalink



... früher