Sturmflut
Donnerstag, 28. Juli 2011
Mehr als ich hören kann
Was für Welten doch zwischen Musik und Musik liegen. Täglich werde ich im Büro beschallt, und ich kann sie wirklich nicht mehr hören, die Duffies und Beth Dittos, Caro Emeralds und Dragonettes, die Beyoncés und Pinks dieser Welt. Das immer gleiche einfallslose Gedudel wird bis zum Erbrechen widergekäut, und freiwillig käme ich nicht auf die Idee, mir so etwas anzutun. Die geringe stimmliche Varianz der vor sich hinquäkenden Pop-Weibchen, das Gejammer und Gejaule, die tongewordenen, mit eh-ohs und yeahs und uhs gespickten Langweiligkeiten, all die Texte ohne Aussage, die für "gute Laune" sorgen sollten, kotzen mich einfach nur an. Sogar die ehemals (allerdings in einer anderen Lebensphase) heißgeliebten Chili Peppers schossen sich mit ihrem jüngsten (wenn auch nicht mehr gar so jungen) Album schwungvoll in die seichten Pfützen der Popwelt und sind seitdem nicht mehr daraus aufgetaucht. Ich empfinde solche Musik, die eigentlich den Namen nicht einmal verdient, als Zumutung - sie vermatscht das Gehirn.

Dabei muss es nicht unbedingt Hochanspruchsvolles sein, das ich in meine Ohren lassen mag. Ich mag auch ganz zurückgelehnte Sachen, sogar ab und an Pop. Mich darüber zu erheben wäre arrogant, denn irgendwie ist manches ja schon in dem Moment Pop, wenn es von einer größeren Gruppe Menschen gehört werden mag. Und so staune ich, in welchem Ausmaß mir Musik eigentlich Gänsehaut über die Arme jagen kann - manche Titel schon nach ein paar Akkorden, manche erst nach längerem Hören. Eine solche Perle rollte mir beispielsweise zufällig mit dem stillen Titel "re: Stacks" von Bon Iver über den Weg, reifte mit jedem Hören nach, der Text mit all seinen Symbolismen (sicher nicht jedermanns Sache) griff nach meinem Innern und ließ mich nicht mehr los. So fand er auch einen Ehrenplatz auf meinem jüngsten Tape.

Zu bespielen wäre noch die B-Seite, und weil auf der A-Seite nur männliche Stimmen zu finden sind (die den größeren Anteil in meiner Musiksammlung ausmachen, weil sie angenehmerweise zu deutlich weniger Kitsch, Quietsch und Zuckersüßlichkeit neigen), sollten diesmal die Frauen dran sein. Verliebt habe ich mich in Vienna Tengs großartig kraftvolle Akustikversion von "Antebellum" und Bird York mit dem doch erheblich ruhigeren und sehr eingängigen "In the deep", aber es fehlt der Kitt und die Verbindung zwischen den Songs. Sauschwer, was zu finden, was nicht wieder in die Belanglosigkeit abgleitet und die Balance schafft zwischen sich überschlagendem Gekiekse und zuckrigem Herzschmerz-Hauchen.

Mein letzter Hörausflug auf "Gooveshark" blieb irgendwo bei Katja Werker hängen (aber leider hat die Fernsehwerbung dieses "You take me away" von ihr so überstrapaziert, dass ich ihre eigentlich einmalige, leicht kratzige Stimme nur noch damit assoziere...). Sie ist noch nicht vom Tisch. Aber gegen abend war ich so frustriert von vielversprechend beginnenden Songs, die sich durch schmalzige Refrains, lahme Texte und eingestreute Glöckchen, Zimbeln und synthetische Drums disqualifizierten, dass ich es aufgegeben habe. Es war mehr da, als ich hören konnte, und mehr als ich hören wollte. Komplizierte Sache, so ein Tape.

Tipps willkommen. Alldieweil höre ich die A-Seite.

Meine Musik des Tages:
Bon Iver - re: Stacks

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