Sturmflut
Mittwoch, 16. Mai 2012
Anrufe aus einer anderen Welt
Wir hatten Muttertag. Wir haben morgen Vatertag. Zweifelhaft sind mir diese "Feiertage" ohnehin schon immer gewesen.

Nun erinnern sie ganz offensichtlich meinen Vater daran, dass er Vater ist. Oder es fiel ihm aus anderen Gründen ein. Er rief an und sprach mir auf den Anrufbeantworter. Er wolle nur mal hören, wie es mir so gehe. Er probiere es dann später noch mal. Sprachs mit einem leicht gekränkt wirkenden Knackser in der Stimme und legte auf.

Ich dachte mir, ich warte mal ab und schaue, was passiert. Ich wüsste nicht, was ich denn groß mit ihm zu bereden hätte. Deswegen habe ich ja auch seit mehr als drei Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.

Gestern dann ein zweiter Anruf. Während ich noch überlegte, ob ich drangehe oder nicht, hörte das Klingeln auf. Aber er hatte seinen zweiten Versuch ja angekündigt, also verbuchte ich das recht gelassen unter "Ja, wenn er unbedingt meint..."

Nervig wurde es erst, als ich mein Handy noch einmal anmachte. Ich wollte vor dem Schlafengehen noch nachsehen, ob mein frisch bestellter Trekkingrucksack in der Packstation eingetroffen sein könnte. Das Handy machte sein übliches Schwuppdiwupp-Geräusch, auf das ich inzwischen in Erwartung neuer Nachrichten konditioniert bin, und zeigte mir schließlich im Display die Nummer meiner Eltern. Da kroch mir dann doch der Ärger in den Bauch. Zunächst, weil ich meine neue Nummer meinen Eltern wohlweislich nicht gegeben hatte und sie also jemand ungefragt weitergegeben haben musste. Meiner Cousine traute ich desgleichen nicht zu, Freundin G. nur begrenzt - nach allem, was ich ihr berichtet habe. Blieb nur noch meine Schwester. Ich habe sie per Mail gefragt. Mal sehen, ob sie dazu etwas zu sagen hat.

Der Ärger, der leiser und nachhaltiger ist als der über die verratene Telefonnummer, dreht sich um die plötzliche Dringlichkeit. Darin schimmert diese Bedürftigkeit meines Vaters auf, die nach unbedingter Aufmerksamkeit schreit, und zwar, wann es ihm passt, nicht irgendwem sonst.

Be! Ach! Te! Mich!!!

Dieses Verhalten war einer der Gründe, warum ich ihn nicht mehr ertrug.

Ich bin ratlos. Ich wüsste nicht, was ausreichend erfolgversprechend, emotional wertvoll oder anderweitig bedeutsam wäre, um zwischen uns besprochen zu werden. Ich schätze, den nächsten Anruf werde ich annehmen. Wie das ausgeht, weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht bereit bin, dieser Person größeren Raum in meinem Leben zu gewähren, weil es sich nun einmal ohne sie besser lebt. Ich will mich nicht um meinen Vater kümmern. Dieses Kind!

Ich bin zwischenzeitlich glücklich, und zwar so sehr wie noch niemals vorher in meinem Leben. Ich werde nicht zulassen, dass sich das seinetwegen noch einmal ändert. Ich bin ein anderer Mensch.

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