Sturmflut
Donnerstag, 10. Mai 2012
Ein Wort zur Hausarbeit
Neulich las ich doch irgendwo im Netz, wie eine Supermom betonte, nicht den ganzen Tag etwa nichts gemacht zu haben (wovon sie chronisch meint, dass ihr das immer unterstellt würde), sondern vier (!) Waschmaschinen durchgewaschen, die Wäsche getrocknet und zusammengenommen zu haben. Und das neben der ganzen anderen Hausarbeit. Wow, Supermom! Vier Waschmaschinen, der helle Wahnsinn.

Hausarbeit ist das, was gemacht werden muss, will man nicht verwildern. Der eine verwildert mehr als der andere, und was Schinken-auf-dem-Fußboden-schneide-Fanatiker schon als gammelig betrachten, gehört für Mittelmaßmenschen zum normalen Lebensumfelds-Erscheinungsbild, während es natürlich auch Leute ohne jeglichen Sinn für Ordnung und Sauberkeit geben mag, die inmitten von Pfandflaschen, Angebranntem in Töpfen und randvollen Aschenbechern leben können. Fest steht jedenfalls, dass eigentlich immer Hausarbeit anfällt, und das sogar ganz unabhängig davon, ob man Kinder hat oder nicht. Mit Kindern ist es natürlich mehr, was aber nicht den Umkehrschluss erlaubt, Kinderlose oder Singles müssten sich niemals die Finger schmutzig machen und lebten nur in weitläufigen Lofts mit Putzfrau.

Die Hausarbeit wurde in der Vergangenheit hauptsächlich den Frauen zugewiesen, und an dieser Zweiteilung (Mann, Lohnarbeit, außer Haus - Frau, Hausarbeit, Kindererziehung) halten sich so manche bis heute fest und glauben gar, diese Zuordnung sei "natürlich". Es sind bemerkenswerterweise nicht allein die Männer, die das tun (die Entscheidungsgewalt des Mannes darüber, ob seine Frau arbeiten geht oder nicht, wurde ohnehin bereits 1977 aufgehoben). Es gibt allerhand Frauen, die sich freiwillig entscheiden, es so zu machen und diese Freiwilligkeit auch betonen. Andererseits fordern aber genau diese Frauen häufig "mehr Anerkennung" für die Hausarbeit, die sie erledigen.

Eine Frage, die sich mir da aufdrängt, ist: Anerkennung von wem? Irgend etwas veranlasst diese Frauen dazu, sich vernachlässigt, missachtet und ungenügend gewürdigt zu fühlen in ihrem Tun. Ist da etwa die Anerkennung der ganzen Gesellschaft nötig, um dieses Gefühl zu kompensieren? Und auf welche Weise soll das geschehen? Sollen wir alle jetzt den Betreffenden jeden Tag Fleißkärtchen in die Briefkästen werfen?

Verehrte Frau (beliebigen Namen einsetzen), ich drücke Ihnen meine Hochachtung dafür aus, dass Sie heute

() die Karottenflecken aus Juniors Strampelanzug entfernt
() ihrem Mann das Hemd gebügelt
() das Katzenklo gesäubert
() den klebrigen Küchenfußboden aufgewischt
() die Urinspritzer rund um die Toilette beseitigt
() die dreckigen Socken aufgelesen
() ihrem Mann ein ausgewogenes und schmackhaftes Lunchpaket gepackt
() die Spinnweben in der Zimmerecke weggemacht
() viermal die Waschmaschine betätigt
() sonstiges

haben.

(Zutreffendes ankreuzen, Mehrfachnennungen sind möglich und vor allem hochwillkommen).

Freundliche Grüße, ein(e) dankbare(r) anonyme(r) Mitbürger(in).


Ach, Moment. Wenn ich's recht bedenke, macht sie da doch die Flecken weg, die sie und ihre Familie verursacht haben. Sie packt ihrem Mann das Essen ein, nicht meinem. Warum also sollte die gesamte Gesellschaft für diese letztlich doch eigennützigen Tätigkeiten ihre Anerkennung ausdrücken? Wieso sollte permanent das gesamte Umfeld betonen, wie toll die betreffende Frau das macht, wenn sie es doch für sich und die ihren tut, während alle anderen (abgesehen von solchen Ausnahmefällen, die Personal dafür beschäftigen) genau dasselbe auch für sich erledigen?

Ich finde es vermessen, von der Gesellschaft oder gar vom Staat für die Haushalts- und auch Erziehungstätigkeiten Anerkennung zu fordern. Denn die betreffende Person erhält schon entsprechende Anerkennung, und zwar in der Form, dass sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen muss, sondern von jemand anderem versorgt wird. Sie muss sich ihr Essen nicht verdienen, sondern es nur zubereiten. Sie muss die Heizung nicht bezahlen, sondern nur aufdrehen. Sie hat sich für eine Arbeitsteilung entschieden, von der sie durchaus auch profitiert. Denn auch Berufstätige haben einen Haushalt zu versorgen und tun dies gleichzeitig zu ihrer Arbeit, und ich möchte behaupten, sie machen es nicht unbedingt schlechter.

Den nur-arbeitenden Mann allerdings, der im Haushalt keinen Finger krumm macht und die entsprechende Arbeit aus den Händen anderer auch nicht zu würdigen weiß, haben sich betreffende Damen zum Teil selbst gezüchtet und sind somit Mit-Urheberinnen ihrer eigenen "Misere". Zur Rechtfertigung, dass er sich nicht um den Haushalt kümmert, führen gerade diese Personen häufig an: "Na, er geht ja auch arbeiten!" Na also. Entweder man lässt sich auf die Rechnung ein und ist dann damit auch zufrieden, oder man ändert es. Herumjammern hilft da wenig. So lange betreffende Frau nicht bereit ist, ihrem Versorger-Mann jeden Tag zu sagen "Ach, Schatz, ich bin Dir so dankbar, dass Du mich durchfütterst!", kann sie meines Erachtens auch nicht erwarten, dass er ihr jeden Tag sagt "Ach Mausi, schön hast Du wieder gestaubsaugt!" Sie haben dieses Abkommen nun einmal so getroffen.

Ich habe das Glück, mit einem Mann zusammenzuleben, der sich jahrelang allein um seine Wohnung gekümmert hat, während wir eine Wochenendbeziehung führten. Er weiß, dass es ekelhaft sein kann, Toiletten zu putzen, weil er das selbst gelernt und gemacht hat (und zählt daher auch nicht zu der Gruppe Männer, die man erst zum Sitzpinkeln überreden muss). Er weiß, dass er staubsaugen muss, wenn er nicht will, dass sich irgendwelche Krümel festtreten, und dass es sinnvoll ist, Töpfe abzuwaschen, wenn man irgendwann mal wieder kochen will. Für problematisch in der ganzen Sache halte ich ganz besonders diejenigen Männer, die von ihren Müttern übergangslos an Ehefrauen weitergereicht werden, ohne jemals irgendeine Form der selbständigen Versorgung und Haushaltsführung gelernt zu haben. Auf diese Weise tradieren sich Rollenzuschreibungen, und weshalb auch sollte der liebe Ehegatte Dankbarkeit oder Engagement zeigen, wenn er es gewohnt ist, dass vor allem oder ganz und gar die Frau sich um die Hausarbeit zu kümmern hat? An elterlichen Vorbildern und Anforderungen kann er es ja nicht gelernt haben.

Engagement und Teilhabe an der Hausarbeit ist allerdings das einzige, was ich für ein probates Mittel halte, Anerkennung auszudrücken bzw. diese Form der Arbeit "aufzuwerten". Indem ein Mann sich ebenfalls wie selbstverständlich im Haushalt betätigt, zeigt er, dass er sich nicht zu fein dafür ist und sie, wenn auch manchmal für unangenehm, nicht für minderwertig hält. Dasselbe gilt auch für Kindererziehung. Im Gegenzug wäre es natürlich angebracht, wenn sich Frauen auch mit Erwerbsarbeit auseinandersetzten, denn die ist beileibe auch nicht immer angenehm, und Verantwortung für die Finanzen zu tragen kann eine erhebliche Bürde sein. Sie hat allerdings den Vorteil, dass man sie an den eigenen Neigungen und Fähigkeiten ausrichten kann, was in Sachen Haushalt eben nicht immer der Fall ist.

Mein Mann hilft nicht nur im Haushalt. Wir betrachten das als eine gemeinsame Aufgabe, die sicherstellt, dass wir uns in unserem Lebensumfeld wohlfühlen. Der Gatte spült das dreckige Geschirr und hält die Küche sauber, was ich hasse wie die Pest. Ich wasche und bügle, was er wiederum nicht besonders leiden kann. Zum Staubsauger greifen wir beide. Die Klos putzen wir auch beide. Er bringt den Müll raus. Ich gieße die Blumen. Er mäht den Rasen. Ich schneide die Hecke. Etcetera, etcetera. Natürlich tut auch mal einer mehr als der andere. Oder der andere mehr als der eine. Fest steht, dass ihm niemals einfallen würde zu sagen: "Putz Du das Klo, das ist Deine Aufgabe, Du bist eine Frau!"

Für mich ist dieses Verhältnis in der Arbeitsteilung eine Selbstverständlichkeit, und ich wäre absolut nicht bereit, irgend etwas anderes zu akzeptieren. Meine Freundin I., die wegen chronischer Krankheit voll und ganz auf das Gehalt ihres Mannes angewiesen ist und schlicht nicht arbeiten kann, sagt mir, dass sie sich für den Haushalt zuständig fühlt und dort so viel machen möchte, wie es ihre Kräfte zulassen. Zum Teil aus Dankbarkeit ihrem Mann gegenüber, der selten mault und viel anpackt, zum Teil auch aus Pflichtgefühl und aus dem Wunsch heraus, etwas beizutragen. Auch das finde ich nachvollziehbar. Sie beschwert sich über diese Rollenverteilung allerdings auch nie, selbst wenn sie in ihrer misslichen Lage, einfach nicht so viel zu können, wie sie gern würde, durchaus wirklichen Grund zu Kummer hätte.

Ich verstehe einfach diejenigen nicht, die finden, es sollte ein Erziehungsgehalt, Betreuungsgeld, Hausfrauengehalt oder wie immer man es nun nennen möchte, vom Staat geben. Es ist der Versuch, den Unterschied zwischen Produktions- und Reproduktionsarbeit aufzuheben und auch die Reproduktionsarbeit (insbesondere die Erziehung von Kindern, die oft als uneigennützige und gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet wird) in den monetären Sektor zu "heben". Das ist aber eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Lohnarbeit, die mit der Schaffung von Mehrwert durch den Einsatz menschlicher Arbeitskraft einhergeht, ist nicht mit Haus- und Erziehungsarbeit gleichzusetzen, da nichts produziert wird, was gegen Geld konsumiert werden kann. Unser Problem dabei ist nicht, dass Hausarbeit keinen Wert hätte, sondern dass wir nur jene Verrichtungen und Arbeiten wirklich anerkennen wollen, die bezahlt werden und dass Geld das einzige ist, dem wir einen Wert zuschreiben. Die vermeintlich simple Lösung, Hausarbeit monetär zu werten und in der Konsequenz auch zu bezahlen, geht nicht auf und basiert auf dem unzulässigen Umkehrschluss, dass was bezahlt würde dadurch auch einen Wert erhalte. Ein Hausfrauengehalt bezahlte die gesamte Gesellschaft von ihren Reserven, für die vorher fröhlich wertgeschöpft werden muss durch Lohnarbeit. Bekanntermaßen wird aber gar nicht so viel wertgeschöpft, sondern eher hoch verschuldet. Das alles zur Bezahlung einer Arbeit, die sich nicht in einen Wert-Zusammenhang stellen lässt und sich der monetären Berechnung entzieht. Trocken betrachtet ist das eine Verlustrechnung.

Dennoch klammern sich viele vor allem konservative Frauen an diese Idee und werten jegliche (natürlich gerade wieder aktuelle) Kritik am Betreuungsgeld als Minderbewertung ihres eigenen Lebensentwurfes. Von Zuschreibungen wie "dummes Hausmuttchen" spreche ich in diesem Kontext mal nicht, weil jede für sich selbst wissen muss, ob sie sich durch die Verrichtung geistig nicht sonderlich anspruchsvoller und redundanter Tätigkeiten herausgefordert und erfüllt fühlt oder nicht und ob sie es bevorzugt, sich über ihre Rolle und Funktion als Hausfrau und Mutter zu definieren oder lieber ihren Fähigkeiten Raum gibt (wobei es natürlich auch Frauen geben soll, die tatsächlich nichts anderes können). Das ist immer auch eine persönliche Entscheidung. Aber wenn ebenjene gebetsmühlenartig wiederholen, sie seien total happy mit dieser Wahl und gingen darin auf, dann widerspricht dies der penetranten Forderung nach der Anerkennung ihrer Tätigkeiten (auch finanzieller Art). Dann lässt sich aus der reinen Haus- und Erziehungsarbeit offenbar doch nicht genügend Selbstwertgefühl schöpfen, als dass nicht doch ein Hungergefühl nach dauernder Belobigung von außen verbliebe.

Dieser Widerspruch gibt mir zu denken und deckt sich mit meiner Annahme, dass vielleicht hinter den Kulissen des Hausfrauendaseins doch nicht so eitel Sonnenschein herrscht, wie manche dieser Frauen vorgeben. An der Frustration, die die Beschränkung auf die Hausfrauenrolle und der vollkommene Bezug auf andere mit sich bringt, werden aber auch 150 Euro Betreuungsgeld nichts ändern. Das ist, als schöpfe man seinen Dispokredit aus, ließe sich die Kohle in Scheinen auszahlen und verbrennte diese dann im Kamin. Es wird nie genug sein, es ist ein Fass ohne Boden. Denn die Wertschätzung, die sich so manche Hausfrau und Mutter erhofft, steigert sich nicht durch Bezahlung. Natürlich ist jeder Mensch auf Anerkennung für das, was er tut, angewiesen. Ganz ohne geht es nicht, auch nicht in der Lohnarbeit (wie zahllose frustrierte Arbeitnehmer belegen). Während aber Frust über den Job durchaus Ausdruck finden darf und gestresste Arbeitnehmer abends mit einem "Puh!" aufs Sofa fallen dürfen, ist dieses Verhalten für Vollzeithausfrauen und -mütter inakzeptabel. Es gehört zum Selbstbild bestimmter Frauen, vollkommenes Glück in diesen Tätigkeiten finden zu wollen und das auch permanent nach außen zu demonstrieren, obwohl sie (und das schließt die Erziehung der Kinder mit ein) bisweilen verdammt anstrengend, fordernd, öde und nervig sein können. Anstatt das aber zuzugeben, projizieren sie ihre Unzufriedenheit nach außen und jammern darüber, diese Arbeiten würden nicht anerkannt. Es ist schließlich doch wichtiger, die Rollenerwartungen zu erfüllen und von sich zu sagen "Ich bin eine gute Mutter!", "Ich mache meinen Haushalt gern!", "Ich bin immer für meinen Mann und meine Kinder da!", "Ich habe alles im Griff!", als den Tatsachen in die Augen zu sehen, sich selbst mehr gerecht zu werden und dann Dinge anders zu machen und andere Wege zu finden. Schuld an der eigenen Unterbewertung sind dann immer die anderen.

Es ist, als würden solche Frauen durch das Gebrauchtwerden geadelt, und deshalb können sie diese Rolle auch nicht loslassen. Allerdings haben bereits Generationen vor uns Gebrauchtwerden mit Achtung und Liebe verwechselt und sind daran unglücklich geworden. "Guck doch, was ich alles für Dich tue!" erzeugt keine Dankbarkeit, sondern ein schlechtes Gewissen. Die Frage ist bloß, wie lange wir dieses unsinnige und widersprüchliche Frauenbild noch weiter züchten wollen (und mit ihm übrigens auch ein verqueres Männerbild). Ich finde die Forderung nach dem Hausfrauengehalt unverschämt, weil damit der Gesamtheit ungerechtfertigt eine Last aufgebürdet wird, nur weil ein Teil der Bevölkerung es nicht hinbekommt, in Frage zu stellen, was ihm seit Jahrzehnten und Jahrhunderten vorgekaut wurde. Es wird Zeit, die gloriose, aufopferungsvolle Frau und Mutter zu ermorden und sich mit dem fehlbaren Menschen anzufreunden. Dann braucht man sich auch nicht einzureden, "Familienmanagerin" zu sein (auch diese Begrifflichkeit ist ein Versuch, Reproduktionstätigkeiten in den wertigeren Bereich der Lohnarbeit zu liften) und beleidigt zu sein, wenn jemand diesen Status in Frage stellt.

Hausarbeit ist nicht immer schön und angenehm. Andere Arbeit auch nicht. Das Leben ist kein Ponyhof. Allerdings ist Hausarbeit auch längst nicht immer so fürchterlich, wie manche Frau betont. Das Gejammere über das, was nun einmal getan werden muss, ist in Wahrheit ein Gejammere über überkommene Rollen, die man sich nicht zu hinterfragen traut (genau so wie übrigens manche Frauen bis zum Erbrechen wiederholen, wie sie ihre Kinder unter unsäglichen Schmerzen geboren haben). Im Übrigen macht es die ganze Angelegenheit leichter und vor allem auch würdiger, wenn man die anfallende Arbeit partnerschaftlich teilt, anstatt sich in spezielle, angeblich natürliche Nischen zurückzuziehen und an der einseitigen Belastung schließlich innerlich zugrunde zu gehen.

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