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Montag, 9. Dezember 2013
Selbstbild
Am 9. Dez 2013 im Topic 'Tiefseetauchen'
"Das passt nicht zu meinem Selbstbild", sagte S. mir am Telefon. Wir sprachen über die Wahrung der eigenen Grenzen und darüber, wie wir damit umgehen, wenn wir Nein sagen. Wenn wir Nein sagen.
Wir waren uns einig darüber, dass letzteres nicht leicht ist. Vor allem dann nicht, wenn man fürchtet, nicht mehr anerkannt, geliebt und geachtet zu werden, wenn man sich verweigert. Mit Ablehnung umzugehen und damit, sich den Zorn anderer zuzuziehen, wenn man sich nicht erwartungsgemäß verhält, ist - so viel kann ich auch aus meiner eigenen Erfahrung sagen - höllisch schwer. Es wird einem mal mehr, mal weniger systematisch mittels Sanktionen abtrainiert, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen im Blick zu halten und sie durchzusetzen. Für Mädchen und junge Frauen ist das noch einmal eine Extra-Aufgabe, denn kratzbürstig zu sein und sich zu wehren passt nicht zum anschmiegsamen, sozialen Image des Ideal-Weiblichen, das gemeinhin gepflegt wird.
S. und ich also, im Kern immer noch Mädchen dieser Strickart geblieben, spüren beide, wie schwer es fällt, dieses Aushalten von Disharmonie und das Ablegen der Verantwortung für die Stimmung anderer.
Aber da ist noch etwas, das mich an dem Satz, den S. über ihr Selbstbild sagte, nicht loslässt. Ich staune gewissermaßen, denn wenn ich darüber nachdenke, dann finde ich kein solches Selbstbild, kein solches Ideal in mir. So schwer es war, zu begreifen, dass ich ein Recht auf Abgrenzung und Durchsetzung meiner Interessen habe, so erfrischend, ermutigend und ermächtigend war auch das Gefühl bei der Umsetzung dieser Idee. Allein sich zu sagen: "Na gut, dann ist er/sie halt jetzt sauer, das ist nicht mein Problem", entlastet ungemein. Nicht, dass es mir immer gelänge. Aber es ist ein Anfang, und ich zweifle im Grundsatz nicht mehr daran, dass das mein gutes Recht ist, so wie es das gute Recht jedes Menschen ist. Bis hierher, und nicht weiter!, Mit mir nicht! - für manchen banale Sätze, für mich eine ganze Welt.
Aber das Selbstbild. An dem Gedanken hake ich mich immer wieder fest. Ich glaube, S. wäre gern ein besonders guter Mensch - gut nicht in dem Sinne, dass sie gern Vorbild für andere wäre, sondern auf eine Weise gut, dass sie mit ihrer bloßen Existenz möglichst nicht die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse anderer durchkreuzt, keinen Schaden anrichtet und anderen Raum für die Entwicklung der eigenen Person bietet. Ich muss wieder an den Satz denken, den sie in Quedlinburg zu mir sagte: "Ich bin so sehr offen für alles...". Das stimmt.
S. ist ohne Grenzen. Sie ist so offen, dass sie sich als Projektionsfläche und Erfüllungsgehilfin für andere eignet. Ich höre, wie sie von ihrer Wut erzählt, weil ein Kollege sie hintergangen hat, und ich frage sie, was sie jetzt tun wird. Der Gedanke, irgend etwas zu tun, ist ihr vollkommen fremd. "Aber er wollte doch so gern...". Ja, der Kollege wollte so gern sein Ding durchziehen, seine Vorstellung davon, wie es zu laufen hat. Und sie hat ihn gelassen und wird dafür kein Dankeskärtchen, kein Blumenbouquet erhalten. Im Gegenteil, sie wird weiter ausgenutzt, weiter hintergangen werden, weil inzwischen alle wissen, dass sie es mit ihr machen können. Am Abend wird sie auf ihr Sofa fallen und sich wundern, was sie so müde macht. Die Bestrebung, ein guter Mensch zu sein. Das Selbstbild, das mehr Bild als Selbst ist.
Obwohl ich genau weiß, dass mir kein Urteil zusteht, bin ich wieder einmal erschüttert. Nicht erstaunt über das Ausmaß ihrer Selbstverleugnung, das schon lange nicht mehr. Erschüttert deshalb, weil ich selbst das Gefühl gut kenne, die eigenen Pforten nicht schließen zu können, um die Bedürfnisse, Wünsche und Aggressionen anderer draußen zu halten.
Ich frage mich verzweifelt, wie es so weit kommt, dass Selbst-Sein als existenzbedrohend empfunden wird. Das Gegenteil ist ja der Fall, wir müssten endlich mit dem Selbst-Sein anfangen, um nicht nur überleben, sondern wirklich leben zu können. Ich bin, also schade ich. - wie kam es zur Tätowierung dieses Satzes in die Seele, der als Konsequenz nur die totale Selbstauflösung, den Selbstmord erlaubt?
Ich weiß, ich kann das Problem für S. nicht lösen. Ich kann sie nicht erreichen. Das macht mich nicht böse, es kratzt nicht an meinem Ego, aber es ist schwer erträglich, ihr bei dieser Art von Selbstvernichtung zuzusehen. Zugleich kann ich fühlen, wie wichtig es für mich selbst ist, aktiv und aggressiv zu sein. Ich merke, so will ich nicht sterben. Ich kann noch trainieren, da ist noch Spielraum zum Sein. Für sie kann ich nur hoffen.
Wir waren uns einig darüber, dass letzteres nicht leicht ist. Vor allem dann nicht, wenn man fürchtet, nicht mehr anerkannt, geliebt und geachtet zu werden, wenn man sich verweigert. Mit Ablehnung umzugehen und damit, sich den Zorn anderer zuzuziehen, wenn man sich nicht erwartungsgemäß verhält, ist - so viel kann ich auch aus meiner eigenen Erfahrung sagen - höllisch schwer. Es wird einem mal mehr, mal weniger systematisch mittels Sanktionen abtrainiert, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen im Blick zu halten und sie durchzusetzen. Für Mädchen und junge Frauen ist das noch einmal eine Extra-Aufgabe, denn kratzbürstig zu sein und sich zu wehren passt nicht zum anschmiegsamen, sozialen Image des Ideal-Weiblichen, das gemeinhin gepflegt wird.
S. und ich also, im Kern immer noch Mädchen dieser Strickart geblieben, spüren beide, wie schwer es fällt, dieses Aushalten von Disharmonie und das Ablegen der Verantwortung für die Stimmung anderer.
Aber da ist noch etwas, das mich an dem Satz, den S. über ihr Selbstbild sagte, nicht loslässt. Ich staune gewissermaßen, denn wenn ich darüber nachdenke, dann finde ich kein solches Selbstbild, kein solches Ideal in mir. So schwer es war, zu begreifen, dass ich ein Recht auf Abgrenzung und Durchsetzung meiner Interessen habe, so erfrischend, ermutigend und ermächtigend war auch das Gefühl bei der Umsetzung dieser Idee. Allein sich zu sagen: "Na gut, dann ist er/sie halt jetzt sauer, das ist nicht mein Problem", entlastet ungemein. Nicht, dass es mir immer gelänge. Aber es ist ein Anfang, und ich zweifle im Grundsatz nicht mehr daran, dass das mein gutes Recht ist, so wie es das gute Recht jedes Menschen ist. Bis hierher, und nicht weiter!, Mit mir nicht! - für manchen banale Sätze, für mich eine ganze Welt.
Aber das Selbstbild. An dem Gedanken hake ich mich immer wieder fest. Ich glaube, S. wäre gern ein besonders guter Mensch - gut nicht in dem Sinne, dass sie gern Vorbild für andere wäre, sondern auf eine Weise gut, dass sie mit ihrer bloßen Existenz möglichst nicht die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse anderer durchkreuzt, keinen Schaden anrichtet und anderen Raum für die Entwicklung der eigenen Person bietet. Ich muss wieder an den Satz denken, den sie in Quedlinburg zu mir sagte: "Ich bin so sehr offen für alles...". Das stimmt.
S. ist ohne Grenzen. Sie ist so offen, dass sie sich als Projektionsfläche und Erfüllungsgehilfin für andere eignet. Ich höre, wie sie von ihrer Wut erzählt, weil ein Kollege sie hintergangen hat, und ich frage sie, was sie jetzt tun wird. Der Gedanke, irgend etwas zu tun, ist ihr vollkommen fremd. "Aber er wollte doch so gern...". Ja, der Kollege wollte so gern sein Ding durchziehen, seine Vorstellung davon, wie es zu laufen hat. Und sie hat ihn gelassen und wird dafür kein Dankeskärtchen, kein Blumenbouquet erhalten. Im Gegenteil, sie wird weiter ausgenutzt, weiter hintergangen werden, weil inzwischen alle wissen, dass sie es mit ihr machen können. Am Abend wird sie auf ihr Sofa fallen und sich wundern, was sie so müde macht. Die Bestrebung, ein guter Mensch zu sein. Das Selbstbild, das mehr Bild als Selbst ist.
Obwohl ich genau weiß, dass mir kein Urteil zusteht, bin ich wieder einmal erschüttert. Nicht erstaunt über das Ausmaß ihrer Selbstverleugnung, das schon lange nicht mehr. Erschüttert deshalb, weil ich selbst das Gefühl gut kenne, die eigenen Pforten nicht schließen zu können, um die Bedürfnisse, Wünsche und Aggressionen anderer draußen zu halten.
Ich frage mich verzweifelt, wie es so weit kommt, dass Selbst-Sein als existenzbedrohend empfunden wird. Das Gegenteil ist ja der Fall, wir müssten endlich mit dem Selbst-Sein anfangen, um nicht nur überleben, sondern wirklich leben zu können. Ich bin, also schade ich. - wie kam es zur Tätowierung dieses Satzes in die Seele, der als Konsequenz nur die totale Selbstauflösung, den Selbstmord erlaubt?
Ich weiß, ich kann das Problem für S. nicht lösen. Ich kann sie nicht erreichen. Das macht mich nicht böse, es kratzt nicht an meinem Ego, aber es ist schwer erträglich, ihr bei dieser Art von Selbstvernichtung zuzusehen. Zugleich kann ich fühlen, wie wichtig es für mich selbst ist, aktiv und aggressiv zu sein. Ich merke, so will ich nicht sterben. Ich kann noch trainieren, da ist noch Spielraum zum Sein. Für sie kann ich nur hoffen.
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