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Montag, 27. Januar 2014
Kinderbelustigung, oder:
Die wachsende Sehnsucht
nach weißem Rauschen
Die wachsende Sehnsucht
nach weißem Rauschen
Am 27. Jan 2014 im Topic 'Deckschrubben'
Für anderthalb Tage verschlug es den Gatten und mich ins Ruhrgebiet. Wir hatten vor, eine Kabarettveranstaltung zu besuchen und gleichzeitig hatte der Gatte versprochen, Freund B. technische Hilfestellung in ein paar Dingen zu geben. Folglich saßen wir am Samstagmorgen um neun bei B. und P. am Frühstückstisch, während Klein-J. auf dem Fußboden herumwieselte und glücklich vor sich hin krähte.
J. ist zehn Monate alt, ein wirklich süßer kleiner Kerl mit einem ungemein charmanten Lächeln. Wie es mir scheint, könnte er auch ein sehr entspanntes Kind sein, wenn seine Eltern ihn nur ließen.
Nichtmütter - das habe ich inzwischen gelernt - dürfen sich ja nur in begrenztem Rahmen über die Erziehungstätigkeiten und -fähigkeiten anderer ereifern, weil sie "überhaupt keine Ahnung" haben. Und so versuche ich denn auch, mich gedanklich in P. hineinzuversetzen und ihr einige Dinge zugute zu halten. Dass J. ihr erstes Kind ist. Dass sie viele Unsicherheiten zu bewältigen hat. Dass sie und B. nun mal (euphemistisch gesprochen) alles andere als autoritär sind. Dass sich P.s Mutter bereits sehr früh massiv in die Erziehung des Kindes eingemischt hat und damit den Maßstab gesetzt hat für alles.
J. ist ein helles Köpfchen. Er hat bereits jetzt herausgefunden, dass seine Mutter und in geringerem Maße auch sein Vater alles an ihn herantragen. Er braucht nur mit dem Finger darauf zu zeigen. Es ist ganz gleich, ob das Objekt des Begehrens kaputtgehen könnte, ob es besser nicht in den Mund gesteckt werden sollte oder sich einfach nicht zum Spielen eignet, Junior bekommt es gereicht. Weil er, wenn das nicht geschieht, in unzufriedenes Jammern ausbricht. Und was könnte junge Eltern schon mehr unter Druck setzen als das Gefühl, es nicht richtig und ihr Kind möglicherweise unglücklich zu machen?
Dabei ist P. selbst von diesem Zustand genervt. Sie wirkt unglücklich und müde, als sie mir davon berichtet, wie anstrengend es sei, den ganzen Tag mit dem Kind allein und mit dieser Überforderung konfrontiert zu sein. Sie habe eigentlich gar keine Lust, das Kind dauernd zu bespaßen. Ich kann's ihr nachfühlen. Während ich ein Auge auf Junior habe, backt sie einen Kuchen, sichtlich dankbar dafür, dass sie ganz in Ruhe einen Schritt nach dem anderen machen kann, ohne unterbrechen zu müssen.
Ab und an wendet sie sorgenvoll den Blick von der Rührschüssel ab. Vor allem dann, wenn sich J. wieder an irgendeinem Möbelstück hochgezogen hat, denn er könnte hintenüber fallen. Mit gleichgewichtigem Stehen hat er es noch nicht so, und mit kontrolliertem Fall auf den bewindelten Hintern auch nicht. Also checkt P. ab und an, ob ich auch sehe, was sie sieht, und Junior am Stürzen hindere. Sie selbst setzt ihn meistens einfach wieder hin, wenn er aufgestanden ist. Als ich dabei zuschaue, frage ich mich, wie das Kind stehen und fallen lernen soll, wenn man es nicht lässt.
Das an und für sich geräumige Wohnzimmer unserer Freunde ist zur Zeit ausgepolstert wie eine Gummizelle. Auf dem Fußboden liegen Schaumstoffmatten und Decken, das ist ganz offensichtlich Juniors Zone. In einem Laufstall, wenn es denn einen gäbe, würde er sich nicht wohl fühlen und nur meckern, bekomme ich erklärt. Und auch da könne er natürlich fallen. Kein Wunder also, dass P. nie die Hände frei hat, denn der Kleine bleibt nicht in seiner Zone, er will vor allem auf den Arm und gucken und haben und in den Mund stecken.
Irgendwann beginnt J. zu jammern. Es ist kein echtes Weinen, eher von ungeduldiger Konsistenz. Ich nehme ihn auf den Arm und spaziere mit ihm durch die Wohnung. Er reibt sich mit seinen kleinen Händen die nurmehr halb offenstehenden, leicht glasigen Augen, irgendwann lehnt sein Kopf an meiner Wange. Ich plappere ein wenig belangloses Zeug, während ich über das Laminat schlurfe, und wiege ihn sacht hin und her, während in der Küche das Rührgerät brummt. Wir schauen uns gemeinsam im Flurspiegel an, und ich stelle fest, ich passe nicht zum Kind. Obwohl uns beiden gleichermaßen gerade nicht unbedingt unbehaglich zumute ist.
Erst, als wir erneut in der Küche eintreffen, wird das Kind wieder aufgeregt, weist mit der Hand auf die Teigschüssel und kräht. "Fahr mal ein bisschen mit ihm Fahrrad", meint P. und holt aus einem anderen Zimmer ein Dreirad mit Anschiebestange, auf dem J. recht stabil sitzen kann. Eigentlich fand er es auf dem Arm ganz gut, aber wer widersetzt sich schon einer Mutter. Ich komme mir blöd vor, als ich Söhnchen durch den engen Flur schiebe, in der Küche kehrtmache und dann wieder zurücklaufe in Richtung Haustür. Ich mache das ein paarmal und lasse ihn dann einfach wieder krabbeln. Es dauert keine drei Minuten, da zieht er sich wieder an den Hosenbeinen seiner Mutter hoch und möchte sehen, was da oben gemacht wird.
Ich weiß, dass das Großziehen von Kindern anstrengend sein kann, sogar, obwohl ich selbst keine habe. Das erschließt sich mir nicht nur an Tagen wie diesen, bei Menschen wie diesen. Andere Leute meiner Umgebung sind in Sachen Kindererziehung ganz anders gestrickt. Ich habe schon vieles gesehen. Die Bandbreite rangierte zwischen schwägerlich-zurückgelehnt und schwesterlich-strengkalt, und die meisten Begegnungen dazwischen waren irgendwie bodenständig, unaufgeregt und ganz normal. Trotzdem kennen sie natürlich auch das Gefühl, den eigenen Nachwuchs am liebsten an die Wand klatschen zu wollen, sie verlieren die Geduld, sind wütend, verzweifelt oder genervt. Kann vorkommen.
Aber P. und B. kreisen mit ihrem Sohn wirklich um die Lampe. Das Kind wird regelrecht dauerbearbeitet, manchmal gar von beiden Eltern zugleich. Während unseres Besuches frage ich mich immer wieder, wie der Kleine Ruhe finden soll, wenn die Eltern so unruhig sind. Der kleinste Mucks fordert sie zu ausgereiften Ablenkungsmanövern heraus, sie wedeln vor seinem Gesicht mit Spielzeug, denken sich ad hoc irgendwelche "lustigen" Spiele aus, damit er wieder lacht. Und zeigt er mit dem Finger irgendwo drauf, bekommt er, ungeachtet der eigenen Bedürfnisse von Mutter und Vater, unverzüglich, was er scheinbar verlangt. Das Rührei vom Teller, die Tulpe aus der Vase, die Deko von der Wand.
P. wundert sich, dass er nicht allein schläft. Ich wundere mich nicht. Und auch, wenn ich gut reden habe, weil ich mich nicht Tag für Tag mit kindlichen Ansprüchen auseinandersetzen muss, habe ich doch irgendwie das ungute Gefühl, dass das alles nicht besser, sondern eher schlimmer wird, wenn es so weitergeht.
Die Eltern sind beide ungeheuer liebe Menschen, ich mag sie sehr. Das Kind ist (noch) ein Sonnenschein. Aber ich war unglaublich erleichtert, als ich mit dem Gatten zusammen wieder auf der Autobahn war und wir gemeinsam heimwärts glitten, einziges Geräusch das monotone Brummen der Reifen auf dem Asphalt. Keine unvorhergesehenen kindlichen Krähanfälle mehr, vor allem aber keine ausdauernd wiederholten Sätze in drei Oktaven zu hoher Babysprache, kein Geklapper mit kleinteilgefüllten Plastikboxen, kein Geknister mit Folientüten, kein "Schau mal da!" und "Schau mal hier!", keine in wachsender Verzweiflung abgesungenen Kinderlieder.
Stille. Im Kontrast zu anderen Menschen die Bestätigung dafür zu erleben, dass man sich richtig entschieden hat, kann erleichternd sein. Selbst dann, wenn man (vielleicht fälschlicherweise) von sich selbst annimmt, man würde es ganz anders machen.
J. ist zehn Monate alt, ein wirklich süßer kleiner Kerl mit einem ungemein charmanten Lächeln. Wie es mir scheint, könnte er auch ein sehr entspanntes Kind sein, wenn seine Eltern ihn nur ließen.
Nichtmütter - das habe ich inzwischen gelernt - dürfen sich ja nur in begrenztem Rahmen über die Erziehungstätigkeiten und -fähigkeiten anderer ereifern, weil sie "überhaupt keine Ahnung" haben. Und so versuche ich denn auch, mich gedanklich in P. hineinzuversetzen und ihr einige Dinge zugute zu halten. Dass J. ihr erstes Kind ist. Dass sie viele Unsicherheiten zu bewältigen hat. Dass sie und B. nun mal (euphemistisch gesprochen) alles andere als autoritär sind. Dass sich P.s Mutter bereits sehr früh massiv in die Erziehung des Kindes eingemischt hat und damit den Maßstab gesetzt hat für alles.
J. ist ein helles Köpfchen. Er hat bereits jetzt herausgefunden, dass seine Mutter und in geringerem Maße auch sein Vater alles an ihn herantragen. Er braucht nur mit dem Finger darauf zu zeigen. Es ist ganz gleich, ob das Objekt des Begehrens kaputtgehen könnte, ob es besser nicht in den Mund gesteckt werden sollte oder sich einfach nicht zum Spielen eignet, Junior bekommt es gereicht. Weil er, wenn das nicht geschieht, in unzufriedenes Jammern ausbricht. Und was könnte junge Eltern schon mehr unter Druck setzen als das Gefühl, es nicht richtig und ihr Kind möglicherweise unglücklich zu machen?
Dabei ist P. selbst von diesem Zustand genervt. Sie wirkt unglücklich und müde, als sie mir davon berichtet, wie anstrengend es sei, den ganzen Tag mit dem Kind allein und mit dieser Überforderung konfrontiert zu sein. Sie habe eigentlich gar keine Lust, das Kind dauernd zu bespaßen. Ich kann's ihr nachfühlen. Während ich ein Auge auf Junior habe, backt sie einen Kuchen, sichtlich dankbar dafür, dass sie ganz in Ruhe einen Schritt nach dem anderen machen kann, ohne unterbrechen zu müssen.
Ab und an wendet sie sorgenvoll den Blick von der Rührschüssel ab. Vor allem dann, wenn sich J. wieder an irgendeinem Möbelstück hochgezogen hat, denn er könnte hintenüber fallen. Mit gleichgewichtigem Stehen hat er es noch nicht so, und mit kontrolliertem Fall auf den bewindelten Hintern auch nicht. Also checkt P. ab und an, ob ich auch sehe, was sie sieht, und Junior am Stürzen hindere. Sie selbst setzt ihn meistens einfach wieder hin, wenn er aufgestanden ist. Als ich dabei zuschaue, frage ich mich, wie das Kind stehen und fallen lernen soll, wenn man es nicht lässt.
Das an und für sich geräumige Wohnzimmer unserer Freunde ist zur Zeit ausgepolstert wie eine Gummizelle. Auf dem Fußboden liegen Schaumstoffmatten und Decken, das ist ganz offensichtlich Juniors Zone. In einem Laufstall, wenn es denn einen gäbe, würde er sich nicht wohl fühlen und nur meckern, bekomme ich erklärt. Und auch da könne er natürlich fallen. Kein Wunder also, dass P. nie die Hände frei hat, denn der Kleine bleibt nicht in seiner Zone, er will vor allem auf den Arm und gucken und haben und in den Mund stecken.
Irgendwann beginnt J. zu jammern. Es ist kein echtes Weinen, eher von ungeduldiger Konsistenz. Ich nehme ihn auf den Arm und spaziere mit ihm durch die Wohnung. Er reibt sich mit seinen kleinen Händen die nurmehr halb offenstehenden, leicht glasigen Augen, irgendwann lehnt sein Kopf an meiner Wange. Ich plappere ein wenig belangloses Zeug, während ich über das Laminat schlurfe, und wiege ihn sacht hin und her, während in der Küche das Rührgerät brummt. Wir schauen uns gemeinsam im Flurspiegel an, und ich stelle fest, ich passe nicht zum Kind. Obwohl uns beiden gleichermaßen gerade nicht unbedingt unbehaglich zumute ist.
Erst, als wir erneut in der Küche eintreffen, wird das Kind wieder aufgeregt, weist mit der Hand auf die Teigschüssel und kräht. "Fahr mal ein bisschen mit ihm Fahrrad", meint P. und holt aus einem anderen Zimmer ein Dreirad mit Anschiebestange, auf dem J. recht stabil sitzen kann. Eigentlich fand er es auf dem Arm ganz gut, aber wer widersetzt sich schon einer Mutter. Ich komme mir blöd vor, als ich Söhnchen durch den engen Flur schiebe, in der Küche kehrtmache und dann wieder zurücklaufe in Richtung Haustür. Ich mache das ein paarmal und lasse ihn dann einfach wieder krabbeln. Es dauert keine drei Minuten, da zieht er sich wieder an den Hosenbeinen seiner Mutter hoch und möchte sehen, was da oben gemacht wird.
Ich weiß, dass das Großziehen von Kindern anstrengend sein kann, sogar, obwohl ich selbst keine habe. Das erschließt sich mir nicht nur an Tagen wie diesen, bei Menschen wie diesen. Andere Leute meiner Umgebung sind in Sachen Kindererziehung ganz anders gestrickt. Ich habe schon vieles gesehen. Die Bandbreite rangierte zwischen schwägerlich-zurückgelehnt und schwesterlich-strengkalt, und die meisten Begegnungen dazwischen waren irgendwie bodenständig, unaufgeregt und ganz normal. Trotzdem kennen sie natürlich auch das Gefühl, den eigenen Nachwuchs am liebsten an die Wand klatschen zu wollen, sie verlieren die Geduld, sind wütend, verzweifelt oder genervt. Kann vorkommen.
Aber P. und B. kreisen mit ihrem Sohn wirklich um die Lampe. Das Kind wird regelrecht dauerbearbeitet, manchmal gar von beiden Eltern zugleich. Während unseres Besuches frage ich mich immer wieder, wie der Kleine Ruhe finden soll, wenn die Eltern so unruhig sind. Der kleinste Mucks fordert sie zu ausgereiften Ablenkungsmanövern heraus, sie wedeln vor seinem Gesicht mit Spielzeug, denken sich ad hoc irgendwelche "lustigen" Spiele aus, damit er wieder lacht. Und zeigt er mit dem Finger irgendwo drauf, bekommt er, ungeachtet der eigenen Bedürfnisse von Mutter und Vater, unverzüglich, was er scheinbar verlangt. Das Rührei vom Teller, die Tulpe aus der Vase, die Deko von der Wand.
P. wundert sich, dass er nicht allein schläft. Ich wundere mich nicht. Und auch, wenn ich gut reden habe, weil ich mich nicht Tag für Tag mit kindlichen Ansprüchen auseinandersetzen muss, habe ich doch irgendwie das ungute Gefühl, dass das alles nicht besser, sondern eher schlimmer wird, wenn es so weitergeht.
Die Eltern sind beide ungeheuer liebe Menschen, ich mag sie sehr. Das Kind ist (noch) ein Sonnenschein. Aber ich war unglaublich erleichtert, als ich mit dem Gatten zusammen wieder auf der Autobahn war und wir gemeinsam heimwärts glitten, einziges Geräusch das monotone Brummen der Reifen auf dem Asphalt. Keine unvorhergesehenen kindlichen Krähanfälle mehr, vor allem aber keine ausdauernd wiederholten Sätze in drei Oktaven zu hoher Babysprache, kein Geklapper mit kleinteilgefüllten Plastikboxen, kein Geknister mit Folientüten, kein "Schau mal da!" und "Schau mal hier!", keine in wachsender Verzweiflung abgesungenen Kinderlieder.
Stille. Im Kontrast zu anderen Menschen die Bestätigung dafür zu erleben, dass man sich richtig entschieden hat, kann erleichternd sein. Selbst dann, wenn man (vielleicht fälschlicherweise) von sich selbst annimmt, man würde es ganz anders machen.
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