Sturmflut
Montag, 29. September 2014
Obacht. Obhut. Sicherheit. Schutz.
Ein deutsches Märchen.
"In Deutschland achtet man die Würde des Menschen," sagte heute bleichgesichtig Steffen Seibert in die Kamera der ARD. Mir entfuhr ein lautes "Ganz offensichtlich nicht!"

Der kapitalistische Lochfraß hat von der Würde der Menschen in Deutschland nicht viel übrig gelassen, denn man kann von Menschenwürde bereits dann nicht mehr sprechen, wenn in einem Land manche Menschen würdiger sind als andere. Herr Seibert sollte nicht einmal das Wort Würde in den Mund nehmen, wenn geringfügig beschäftigte Security-"Fachleute" sich unter Aufbietung ihrer speziellen Fähigkeiten um Menschen "kümmern", die gerade erst ihre Heimat unter ungeahnten Umständen verlassen haben.

Bei uns hier überlässt man es aus finanziellen Gründen privaten Unternehmen, sich um Aufgaben zu kümmern, die eigentlich sowohl einer gründlichen Ausbildung als auch einer regelmäßigen staatlichen Überprüfung bedürften. Ich dachte eigentlich, es sei selbsterklärend, wie blöd- und leichtsinnig das ist. Aber die Hoffnung trog. Neu ist es jedenfalls nicht.

Ich sage nicht, dass jeder Beschäftigte der Branche eine zweifelhafte Einstellung mit sich herumträgt. Aber mal im Ernst: Wie sind die Menschen wohl gestrickt, die dieses Berufsbild anzieht? Man ist befugt, andere zurechtzuweisen, von Grundstücken und Gebäuden fernzuhalten (oder eben drinnen), man darf über Recht und Ordnung entscheiden und sie durchsetzen. Sogenannte Sicherheitsbedienstete dürfen Macht und Gewalt ausüben. Ob sie damit auch umgehen können, beurteilt ihr Arbeitgeber.

Jemand, der über einem am Boden in Erbrochenem sitzenden Menschen steht und in vollem Machtbewusstsein sagt "Willst du noch eine?", der kann mit seiner Macht nicht umgehen. Der hätte sie auch besser nie erhalten. Große Jungs, die endlich jemanden zum Verprügeln gefunden haben, spielen sich als Kasernenwächter auf. Was für ein Rausch.

"Warum mich schlagen?" fragt der Mann am Boden, und mir wird eiskalt. Warum? Ich weiß es ganz genau, armer Mensch. Weil du gerade da bist. Weil du der Fremde bist. Weil du die Sprache nicht verstehst. Weil du drinnen sitzen musst und er derjenige ist, der die Tür bewacht. Weil er alles behaupten kann, während man dir nicht glauben wird. Weil wir die Regeln machen. Weil er es kann. Ganz einfach. Täusch Dich über nichts. Das ist so gewollt in diesem Land.

Du bist hierher gekommen in der Hoffnung, dass es besser ist als anderswo. Du irrst. Es ist nur anders.

Nachtrag:
Fürderhin sollen nur noch Sicherheitsdienste die Bewachung von Flüchtlingsheimen leisten dürfen, die bereit sind, ihre Mitarbeiter durch den Verfassungsschutz prüfen zu lassen. War das nicht der Verein, der auch in anderen Fällen auf dem rechten Auge ziemlich schlecht sah?

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