Sturmflut
Freitag, 2. Januar 2015
Müssen wir reden...? Nö!
Ich habe einen Fehler gemacht. Das kommt natürlich ab und an mal vor, und besonders gern im Internet, da man ja nur das geschriebene Wort als Anhaltspunkt hat und seinem Gegenüber nicht in die Augen schauen kann. Die Netzwelt ist voller Missverständnisse.

Das Missverständnis, dem ich gestern aufgesessen bin, ist eigentlich ein relativ schlichtes: Ich ging davon aus, dass in einem meiner Kommentarstränge tatsächlich diskutiert werden wollte. Das war nicht der Fall.

Ziemlich zuverlässig weckt es die Aufmerksamkeit eines bestimmten Kommentatorentyps, wenn ich über eine diskriminierte Minderheit schreibe. In diesem Fall ging es um Homosexualität und den Umgang mit dem (gefühlt) Andersartigen im Alltag, und das funktioniert formidabel als Aufhänger. Ich bin nämlich jemand, der sich prinzipiell für die Akzeptanz des "Andersartigen" ausspricht. In diesem Fall ist da aber ein Haken dran.

Zu besagtem Beitrag fanden sich recht schnell verschiedene Stimmen. Es würde zu weit führen, haarklein wiederzugeben, was genau in den Kommentaren stand. So viel sei nur gesagt: Ich war nicht mit jedem Kommentator einer Meinung. Das kann passieren und ist für mich ausdrücklich kein Grund, Kommentare zu löschen oder ihre Verfasser in irgendeiner Weise zu beleidigen oder anzugreifen. Es ist aber ein Grund, mal genauer nachzufragen. Woher kommt diese Meinung? Gibt es dafür tatsächlich Anhaltspunkte und wenn ja, welche? Das funktioniert auch, so lange man sich im Rahmen einer Diskussion zu einem Thema befindet.

Es gibt aber Menschen, die grundsätzlich gar kein Interesse an der Vertiefung und sachlichen Auseinandersetzung über ein Thema haben. Da passiert dann Folgendes: Sie werfen eine Behauptung in den Raum, aber anstatt diese im weiteren Verlauf der Diskussion zu belegen, zu widerrufen oder durchzudiskutieren, leiten sie vom eigentlichen Thema fort.

Ziemlich zügig werden Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Es wird dann recht schnell persönlich, ohne wirklich persönlich zu werden. Man kann das durchaus neidlos als hohe Kunst bezeichnen. Zwischen den Zeilen wird viel gesagt, direkt ins Gesicht aber beinahe gar nichts. Wer so seidenweich kommentiert, hat mit Sicherheit ein gewisses Maß an Übung oder zumindest an Gewohnheit (möglicherweise sogar, ohne das selbst zu realisieren – es sitzt halt wie eine zweite Haut). Kernstück der Angelegenheit ist die Ablenkung. Es ist beinahe egal, was im Ursprungsbeitrag Thema war (aber wie schon erwähnt, Beiträge über Minderheiten oder (auch nur gefühlte) Benachteiligungen eignen sich besonders gut – dazu später mehr). Ehe man sich versieht, geht es nicht mehr um sachliche Inhalte, sondern um den Kommunikationsstil, um Intelligenz, um Positionierung und deren Rechtmäßigkeit.

Die Umlenkung eines Kommentarstranges in diese Richtung ist ein echtes Bravourstück. Wenn ich in einer Hinsicht mit mir hadere, dann wegen des Umstands, noch viel zu lange geglaubt zu haben, hier würde tatsächlich diskutiert. Andererseits – wie gesagt, manche praktizieren ein solches Kommentierverhalten bereits so lange, dass sie darin einige Übung erlangt haben und es schwer ist, zu begreifen, was eigentlich geschieht. Wird man sich klar darüber, beginnt ein neuer Akt des Dramas.

Es gab irgendwann einen Punkt, an dem ich mich fragte, wie es sein konnte, dass die vermeintliche Diskussion in eine ganz andere Richtung lief, als der Ursprungsbeitrag vermuten ließ. Ich spürte Unbehagen. Das kam bereits eher vor. Unbehagen ist etwas, das ich in meinem eigenen Blog nicht haben möchte.

Jetzt zurück zum Haken: Der Umstand, dass ich parteiisch über eine Minderheit schrieb, macht jede Kritik am nachfolgenden Kommentierverhalten anderer angreifbar. Die Kritisierten können nämlich jederzeit behaupten, mit ihrer speziellen Meinung und ihrem Stil ebenfalls einer Minderheit anzugehören und mir eine intolerante, engstirnige, gar diktatorische Haltung unterstellen, da ich ja nicht bereit bin, mich auf ihre Sichtweise einzulassen. Ich diskriminierte also selber.

So verwundert es mich auch überhaupt nicht, dass mir vorgeworfen wurde, ich zensierte oder erteilte Redeverbot. Es war bereits ziemlich später Abend, als ich beschloss, die betreffenden Kommentare zu löschen. Im Blog habe ich außerdem die Kommentarfunktion über Nacht abgeschaltet. Grund dafür war, dass ich keine Lust hatte, heute morgen gleich wieder aufräumen zu müssen. Ich kann mir vorstellen, dass es Leute gibt, die sich in der Rolle der unbequemen Wahrheitsliebenden gefallen. Denen wird das ein "Hab' ich's doch gewusst!" entlockt haben. Mein Löschen der Kommentare dient damit als klarer, auch noch von mir selbst erbrachter Beweis für meine Scheuklappen, meine Engstirnigkeit und mangelnde Akzeptanz. Dort schließt sich der Kreis. Applaus, Applaus.

So eine Bloggerin bin ich also? Eine, die nur dann mit Begeisterung diskutiert, wenn der Kreis der treuen Claqueure um sie herum in dieselbe Richtung schaut wie sie, ihr beipflichtet, ihr Ego streichelt? Eine, die Abweichler nicht erträgt und mit Kritik nicht umgehen kann? In schönen Farben gemalt, dieses Bild.

Aber leider unzutreffend.

Ich fragte mich irgendwann im Verlauf des gestrigen Abends, wie lang ich wohl noch bereit sein würde, mein eigenes ungutes Gefühl zu ignorieren und mir auf der Nase herumtanzen zu lassen. Und kam zu dem Schluss, dass irgendwann einmal das Maß voll ist. Denn die Diskussion war in Wahrheit gar keine, schon gar nicht war sie kontrovers, und die eigene Offenheit der Kommentatoren war lediglich zur Schau getragen. Ich bin kein Tanzbär, vielen Dank.

Die anschließende Verschnupftheit der Beteiligten über die Löschung der Kommentare ist eigentlich auch kein Wunder. Einer von ihnen spielt jetzt die beleidigte Leberwurst. Ich habe gar eine Frist erhalten bis zum morgigen Tag, sämtliche anderen Kommentare aus der Feder desjenigen aus meinem Blog zu entfernen. Also, wenn du nicht mehr spielst, will ich auch nicht mehr! Und einen Screenshot habe man auch gemacht, zur Dokumentation. Ohne jegliche Rückfrage hätte ich die Kommentare gelöscht. Fragen hätte ich sollen? Werter Herr, ich mag Ihre Art zu kommunizieren nicht, ist es recht, wenn ich Ihren Kommentar lösche? Ich geb's zu, das entlockt mir einen echten Lacher.

Ach, plötzlich so viele Empfindlichkeiten. Von denen war vorher so gar nichts zu spüren. Aber, so wurde mir mitgeteilt, man sei zu wohlwollenden Gesprächen im Gegensatz zu mir jederzeit bereit. Nun, wenn man schon vorher weiß, dass ich diese Bereitschaft nicht teile, wozu dann noch diese Mitteilung? Das mag sich jeder selbst denken.

Mein Blog ist mein Blog. Das bedeutet, es gelten auch meine Regeln. Eine Showbühne für die egomanischen Spitzfindigkeiten einzelner Selbstdarsteller ist es nicht. Das habe ich bereits einmal gesagt. Jeder kann nun aus der Tatsache, dass ich Kommentare gelöscht habe, seine eigenen Folgerungen ziehen. Das Urteil der Betreffenden über mich steht ohnehin schon fest. Schlaflose Nächte wird mir das nicht bereiten.

Das Netz ist ein Ort voller wundersamer Begegnungen. Ich empfinde es nicht als persönliches Manko oder gar als einen Charakterfehler, nicht jede dieser Begegnungen auch zu schätzen.

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