... später
Sonntag, 12. Juli 2015
Mehr tot als lebendig
Am 12. Jul 2015 im Topic 'Hoch- und Niedrigwasser'
Inzwischen bin ich ziemlich gelassen, wenn ich meiner Schwester begegne. Der Drang, mich ihr gegenüber für mein Leben zu rechtfertigen oder meine Leistungen aufzulisten, hat deutlich nachgelassen. Ob sie mich ver- oder beurteilen wird, treibt mich nicht mehr um, denn wenn sie es tun will, tut sie es so oder so. Ich nehme an, wirklich nah werden wir uns wohl nie sein. Dennoch merke ich auch, dass sie längst nicht alles böse meint, was sie von sich gibt, und dass sie prinzipiell freundlich sein kann. Heute mehr als früher.
Genau so befremdet mich aber auch immer ihre Welt. Ich habe sie und ihre Familie länger nicht mehr gesehen, aber als wir uns gestern zum Mittagessen trafen, fühlte es sich nicht nennenswert anders an als sonst. Das bedeutet trotzdem auch, dass ich mich immer wieder wundere. Über ihre Kühle, darüber, wie extrem selten sie lacht, wie hart sie wirkt. Mein Schwager ist etwas ausgeglichener, ruhig, wärmer.
Ein Riesentheater wurde in dem Café-Restaurant, in dem wir saßen, um das Essen der Kinder gemacht. Meine Nichte, ihre beste Freundin und der Neffe aßen nicht zur Zufriedenheit meiner Schwester. Zu wenig. Hinterherkeineis. Klar, Essen ist mit Kindern immer ein Thema. Das ist auch bei den Kids auf der anderen Seite nicht anders. Aber meine Schwester sorgte dafür, dass zumindest Sohnemann das Essen ernst nahm. Sie griff hart in seinen Nacken, in der anderen Hand die Gabel mit den Nudeln, die sie in Richtung seines Mundes führte. "Du isst jetzt noch was!" Dass der Versuch dennoch misslang, frustrierte sie sichtlich.
Auf jede einzelne Äußerung der Kinder reagiert sie mit unglaublichem Ernst. Kein Raum für Spielerisches, kein Raum fürs Durchatmen. Wie schon eher war da obendrein die Angst, die Kinder könnten sie blamieren. "Da gucken bestimmt auch schon wieder alle!" "Wie gut, dass keiner direkt neben uns sitzt!"
Meine Schwester ist beinahe vollständig humorbefreit. Ich habe sie noch nie ungezwungen erlebt. Jedes Wort wird abgewogen.
Kontrast dazu dann das abendliche Grillen mit Freunden und deren Eltern bei uns. Niemand ist perfekt, auch diese Menschen nicht. Aber es ist so viel mehr Leben in allem. Es wird über Gefühle und Geschichte gesprochen, spontan gelacht, Anteilnahme gezeigt. Ich empfinde das als wirklich, als echt, als Grundzustand.
Ich frage mich, wann das Leben aus meiner Schwester herausrann und wann ihre knöcherne Maske Risse bekommen wird. Ich will mich nicht über sie erheben - wir hatten dieselben Eltern, und jede von uns geht damit anders um. Das Entsetzen packt mich, wenn ich den zwanghaften Umgang sehe, den sie mit ihren eigenen Kindern pflegt. Die Einhaltung von Regeln ist so wichtig, die Erfüllung ihrer starren Vorstellung davon, wie die Dinge zu sein haben. Das Gegenteil von Leben eben.
Genau so befremdet mich aber auch immer ihre Welt. Ich habe sie und ihre Familie länger nicht mehr gesehen, aber als wir uns gestern zum Mittagessen trafen, fühlte es sich nicht nennenswert anders an als sonst. Das bedeutet trotzdem auch, dass ich mich immer wieder wundere. Über ihre Kühle, darüber, wie extrem selten sie lacht, wie hart sie wirkt. Mein Schwager ist etwas ausgeglichener, ruhig, wärmer.
Ein Riesentheater wurde in dem Café-Restaurant, in dem wir saßen, um das Essen der Kinder gemacht. Meine Nichte, ihre beste Freundin und der Neffe aßen nicht zur Zufriedenheit meiner Schwester. Zu wenig. Hinterherkeineis. Klar, Essen ist mit Kindern immer ein Thema. Das ist auch bei den Kids auf der anderen Seite nicht anders. Aber meine Schwester sorgte dafür, dass zumindest Sohnemann das Essen ernst nahm. Sie griff hart in seinen Nacken, in der anderen Hand die Gabel mit den Nudeln, die sie in Richtung seines Mundes führte. "Du isst jetzt noch was!" Dass der Versuch dennoch misslang, frustrierte sie sichtlich.
Auf jede einzelne Äußerung der Kinder reagiert sie mit unglaublichem Ernst. Kein Raum für Spielerisches, kein Raum fürs Durchatmen. Wie schon eher war da obendrein die Angst, die Kinder könnten sie blamieren. "Da gucken bestimmt auch schon wieder alle!" "Wie gut, dass keiner direkt neben uns sitzt!"
Meine Schwester ist beinahe vollständig humorbefreit. Ich habe sie noch nie ungezwungen erlebt. Jedes Wort wird abgewogen.
Kontrast dazu dann das abendliche Grillen mit Freunden und deren Eltern bei uns. Niemand ist perfekt, auch diese Menschen nicht. Aber es ist so viel mehr Leben in allem. Es wird über Gefühle und Geschichte gesprochen, spontan gelacht, Anteilnahme gezeigt. Ich empfinde das als wirklich, als echt, als Grundzustand.
Ich frage mich, wann das Leben aus meiner Schwester herausrann und wann ihre knöcherne Maske Risse bekommen wird. Ich will mich nicht über sie erheben - wir hatten dieselben Eltern, und jede von uns geht damit anders um. Das Entsetzen packt mich, wenn ich den zwanghaften Umgang sehe, den sie mit ihren eigenen Kindern pflegt. Die Einhaltung von Regeln ist so wichtig, die Erfüllung ihrer starren Vorstellung davon, wie die Dinge zu sein haben. Das Gegenteil von Leben eben.
Und täglich grüßt das Murmeltier...
Am 12. Jul 2015 im Topic 'Hoch- und Niedrigwasser'
Vermutlich gehört es wohl zum Leben dazu, immer mal wieder enttäuscht zu werden. Ich ärgere mich darüber, dass ich so dumm war, zu hoffen. Vielleicht gibt es Leute, die sowas mit einer wegwerfenden Handbewegung und einem "Tja!" hinter sich lassen. Ich gehöre nicht zu denen.
Wieder mal geht es um S.. Aus gutem Grund hatte ich meinen diesjährigen Urlaub vollkommen ohne sie geplant. So schön unsere gemeinsamen Erlebnisse gewesen sind, sie sind nicht wiederholbar. Ich habe es vermieden, ihr überhaupt von meinen Niederlande-Wander-Plänen zu berichten, was vielleicht auch ein bisschen unaufrichtig war, aber ich wollte nichts Altes wieder aufwärmen. Weil die Sprache unausweichlich darauf gekommen wäre, dass wir das doch auch unbedingt mal wieder zusammen machen müssen, ach, das wäre schön.
Ja, schön wäre so einiges. Ich habe schon verstanden, dass sich S. nicht ändern wird oder zumindest, dass es vermessen ist, mir das zu wünschen. Im Frühjahr kündigte sie von sich aus an, im August zu Besuch kommen zu wollen. Ein paar Tage, vielleicht wären wir über die Grenze gefahren zu einem Bummel, Kaffee trinken, spazieren gehen, reden.
Offen wollte ich sein und S. auf mich zukommen lassen, so, wie sie es eben am besten kann. Ich nahm an, sie könne es so am besten, wie sie es mir ankündigte. Ein großer Irrtum. Und es ist ein ebenso großer Irrtum meinerseits, zu glauben, wenn ich nur meine Erwartungen tief genug hänge, sei kein Raum mehr für Enttäuschungen.
S. meldete sich bei mir und schlug ein Nachmittagstreffen gemeinsam mit dem Gemahl, ihrem Lebensgefährten und Freundin I. und deren Mann vor - bei I. zuhause. Ich habe das zähneknirschend angenommen. Mir passte aber schon da nicht, dass sie wieder mal uns alle zusammen "abfrühstücken" wollte, und das, anstatt für die ursprünglich gedachten mehreren Tage zu mir zu kommen. Aber die Aussicht, sie mal wieder zu sehen, war doch noch gewichtiger als der grundsätzliche Ärger.
Heute schickte sie dann eine Mail, in der sie eine Vorverlegung des Termins vorschlug - weil I. und ihr Mann an dem genannten Sonntag keine Zeit hätten.
Bei S. gibt es immer einen Moment, der alles wendet und in dem es mir reicht. Das hier war er für dieses Mal. Ich frage mich, ob ich blöd bin, dass ich mich immer wieder enttäuschen lasse, oder ob das nun einmal einfach so sein muss, wenn sich zwei Menschen begegnen. Normalerweise interessieren mich Kontostände nicht - nicht unter Freunden. Aber in diesem Fall macht es mir was aus.
Es sind immer nur leere Versprechen. Die mit ihr verbrachte Zeit hat mir immer viel bedeutet. Aber was nützt das, wenn ich für sie nur ein Termin bin? Lieber wär's mir, sie verspräche nichts mehr.
Wieder mal geht es um S.. Aus gutem Grund hatte ich meinen diesjährigen Urlaub vollkommen ohne sie geplant. So schön unsere gemeinsamen Erlebnisse gewesen sind, sie sind nicht wiederholbar. Ich habe es vermieden, ihr überhaupt von meinen Niederlande-Wander-Plänen zu berichten, was vielleicht auch ein bisschen unaufrichtig war, aber ich wollte nichts Altes wieder aufwärmen. Weil die Sprache unausweichlich darauf gekommen wäre, dass wir das doch auch unbedingt mal wieder zusammen machen müssen, ach, das wäre schön.
Ja, schön wäre so einiges. Ich habe schon verstanden, dass sich S. nicht ändern wird oder zumindest, dass es vermessen ist, mir das zu wünschen. Im Frühjahr kündigte sie von sich aus an, im August zu Besuch kommen zu wollen. Ein paar Tage, vielleicht wären wir über die Grenze gefahren zu einem Bummel, Kaffee trinken, spazieren gehen, reden.
Offen wollte ich sein und S. auf mich zukommen lassen, so, wie sie es eben am besten kann. Ich nahm an, sie könne es so am besten, wie sie es mir ankündigte. Ein großer Irrtum. Und es ist ein ebenso großer Irrtum meinerseits, zu glauben, wenn ich nur meine Erwartungen tief genug hänge, sei kein Raum mehr für Enttäuschungen.
S. meldete sich bei mir und schlug ein Nachmittagstreffen gemeinsam mit dem Gemahl, ihrem Lebensgefährten und Freundin I. und deren Mann vor - bei I. zuhause. Ich habe das zähneknirschend angenommen. Mir passte aber schon da nicht, dass sie wieder mal uns alle zusammen "abfrühstücken" wollte, und das, anstatt für die ursprünglich gedachten mehreren Tage zu mir zu kommen. Aber die Aussicht, sie mal wieder zu sehen, war doch noch gewichtiger als der grundsätzliche Ärger.
Heute schickte sie dann eine Mail, in der sie eine Vorverlegung des Termins vorschlug - weil I. und ihr Mann an dem genannten Sonntag keine Zeit hätten.
Bei S. gibt es immer einen Moment, der alles wendet und in dem es mir reicht. Das hier war er für dieses Mal. Ich frage mich, ob ich blöd bin, dass ich mich immer wieder enttäuschen lasse, oder ob das nun einmal einfach so sein muss, wenn sich zwei Menschen begegnen. Normalerweise interessieren mich Kontostände nicht - nicht unter Freunden. Aber in diesem Fall macht es mir was aus.
Es sind immer nur leere Versprechen. Die mit ihr verbrachte Zeit hat mir immer viel bedeutet. Aber was nützt das, wenn ich für sie nur ein Termin bin? Lieber wär's mir, sie verspräche nichts mehr.
... früher