Employability und Bildungsbulimie
Am 1. Jun 2011 im Topic 'Deckschrubben'
Über diese zwei Begriffe stolperte ich heute in einer Diskussion im ZDF-Blickpunkt. Diskutiert wurde, was in Deutschland geschehen müsse, damit der Bildungsstandard besser würde und sich das Land von der Bildungswüste zur blühenden Landschaft entwickele.
Man nahm Belgien als Musterbeispiel, wo die Chancen offensichtlich auch für finanziell und sozial Benachteiligte besser stehen, gleichzeitig aber auch die Anforderungen höher sind. Schon als ich den Beitrag darüber sah, dachte ich mir: Tja, da wäre ich wohl auch unten herausgefallen - keine Zeit, kein Platz für persönliche Probleme im Uni-System. Wer den Anforderungen nicht genügt, fliegt.
Der Gesprächspartner im Studio, an dessen Namen ich mich leider nicht erinnere, äußerte sich sehr kritisch gegenüber Bachelor, Punktekampf und Modul-Gemurkse. Er sprach mir aus der Seele, als er von "Bildungsbulimie" redete - schnell viel herunterschlingen und es hinterher wieder auskotzen, Nährwert gleich null. In diese Richtung hat sich auch "mein" Studiengang verändert auf dem Weg vom Magister hin zum Bachelor/Master. Die Uni als Fachidioten-Zuchtanstalt.
Noch mehr beeindruckt hat mich allerdings der Ausdruck "Employability". In Deutschland wird gerade gejammert über Fachkräftemangel. Darauf scheinen dann auch die Bildungsbestrebungen allgemein hinauszulaufen: Auf die Fachkräfteproduktion für den Arbeitsmarkt. Der Mensch ist nicht mehr dazu in der Welt, sein Leben zu leben und herauszufinden, wer er ist, was er machen, was er bewirken kann, wie er sich ausdrücken kann, was sich denken lässt, was ihn interessiert.
Er ist nur noch zu zweierlei Zwecken da: Arbeiten und Kaufen.
Das degradiert Schulen, Universitäten und leider, leider auch schon Kindergärten mit ihren Frühüberforderungsprogrammen zu Produktionsstätten für humanoide Puzzleteile, die sich möglichst reibungslos in die Mechanismen eines globalisierten Kapitalismus einfügen sollen. Das ist ein echtes Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Dummhirnig wird immer noch der Annahme hinterhergerannt, dass sich schon alles regeln wird, wenn man den "Markt" (wer ist denn das eigentlich?) mal machen lässt. Ich befürchte, dass wir zu einer selbstauslöschenden Spezies werden, denn wenn man jungen Menschen vom Kleinkind bis zum Studenten das eigenständige Denken, die Freiheit des Seins und die Neugier auf noch Unentdecktes so gründlich abgewöhnt, wird schließlich auch das Wissen darüber abhanden kommen, dass das alles einmal anders war.
Einen Hauch von Gänsehaut und Hoffnung verspürte ich dennoch: Ich sah (ja, ab und an bildet Fernsehen auch...) auch einen Beitrag über einen Tänzer, der an einer bayrischen Hauptschule einen Tanzkurs für Jugendliche gab. Dieser Mensch hatte eine regelrecht magische Ausstrahlung. Auch die borstigsten, coolsten, überlegensten Jungs und Mädchen hingen ihm nach kürzester Zeit an den Lippen, weil er so unglaublich authentisch wirkte und ihnen vermitteln konnte, dass sie - jeder einzelne auf seine Art - absolut in Ordnung waren. Er blamierte sich ganz ungeniert vor den Kids, indem er lächerliche Bewegungen machte und sie ebenfalls dazu animierte. Er ermunterte sie, ihr eigenes Solo zu entwerfen und den Bewegungen zu folgen, die ihnen ihr eigener Ausdruckswille vorgab. Heraus kam eine kraftvolle, emotionale Performance voller Stolz und Persönlichkeit. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich das sah.
Zu was aber ist der Tanz, der Ausdruck dieser als "dämlich", bildungsfern und sozial schwach stigmatisierten Hauptschüler in unserem alles verwertenden marktwirtschaftlichen System nütze? Individualität, Authentizität, Stolz, Selbstbewusstsein und Selbstgefühl sind nicht mehr gefragt. Im Gegenteil, sie sind Hindernisse auf dem Weg in die reibungslose Verarbeitung unserer Arbeitskraft. Wer selber macht, hat weniger das Bedürfnis, Leere durch Konsum zu füllen. Wer sich selbst achtet, lässt sich nicht für jeden beliebig niedrigen Hungerlohn demütigen.
Ich hoffe, dass noch viele Menschen es wagen zu tanzen, anstatt sich auf dem Weg zu mehr "Employability" zum gefühl- und profillosen Idioten optimieren zu lassen.
Man nahm Belgien als Musterbeispiel, wo die Chancen offensichtlich auch für finanziell und sozial Benachteiligte besser stehen, gleichzeitig aber auch die Anforderungen höher sind. Schon als ich den Beitrag darüber sah, dachte ich mir: Tja, da wäre ich wohl auch unten herausgefallen - keine Zeit, kein Platz für persönliche Probleme im Uni-System. Wer den Anforderungen nicht genügt, fliegt.
Der Gesprächspartner im Studio, an dessen Namen ich mich leider nicht erinnere, äußerte sich sehr kritisch gegenüber Bachelor, Punktekampf und Modul-Gemurkse. Er sprach mir aus der Seele, als er von "Bildungsbulimie" redete - schnell viel herunterschlingen und es hinterher wieder auskotzen, Nährwert gleich null. In diese Richtung hat sich auch "mein" Studiengang verändert auf dem Weg vom Magister hin zum Bachelor/Master. Die Uni als Fachidioten-Zuchtanstalt.
Noch mehr beeindruckt hat mich allerdings der Ausdruck "Employability". In Deutschland wird gerade gejammert über Fachkräftemangel. Darauf scheinen dann auch die Bildungsbestrebungen allgemein hinauszulaufen: Auf die Fachkräfteproduktion für den Arbeitsmarkt. Der Mensch ist nicht mehr dazu in der Welt, sein Leben zu leben und herauszufinden, wer er ist, was er machen, was er bewirken kann, wie er sich ausdrücken kann, was sich denken lässt, was ihn interessiert.
Er ist nur noch zu zweierlei Zwecken da: Arbeiten und Kaufen.
Das degradiert Schulen, Universitäten und leider, leider auch schon Kindergärten mit ihren Frühüberforderungsprogrammen zu Produktionsstätten für humanoide Puzzleteile, die sich möglichst reibungslos in die Mechanismen eines globalisierten Kapitalismus einfügen sollen. Das ist ein echtes Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Dummhirnig wird immer noch der Annahme hinterhergerannt, dass sich schon alles regeln wird, wenn man den "Markt" (wer ist denn das eigentlich?) mal machen lässt. Ich befürchte, dass wir zu einer selbstauslöschenden Spezies werden, denn wenn man jungen Menschen vom Kleinkind bis zum Studenten das eigenständige Denken, die Freiheit des Seins und die Neugier auf noch Unentdecktes so gründlich abgewöhnt, wird schließlich auch das Wissen darüber abhanden kommen, dass das alles einmal anders war.
Einen Hauch von Gänsehaut und Hoffnung verspürte ich dennoch: Ich sah (ja, ab und an bildet Fernsehen auch...) auch einen Beitrag über einen Tänzer, der an einer bayrischen Hauptschule einen Tanzkurs für Jugendliche gab. Dieser Mensch hatte eine regelrecht magische Ausstrahlung. Auch die borstigsten, coolsten, überlegensten Jungs und Mädchen hingen ihm nach kürzester Zeit an den Lippen, weil er so unglaublich authentisch wirkte und ihnen vermitteln konnte, dass sie - jeder einzelne auf seine Art - absolut in Ordnung waren. Er blamierte sich ganz ungeniert vor den Kids, indem er lächerliche Bewegungen machte und sie ebenfalls dazu animierte. Er ermunterte sie, ihr eigenes Solo zu entwerfen und den Bewegungen zu folgen, die ihnen ihr eigener Ausdruckswille vorgab. Heraus kam eine kraftvolle, emotionale Performance voller Stolz und Persönlichkeit. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich das sah.
Zu was aber ist der Tanz, der Ausdruck dieser als "dämlich", bildungsfern und sozial schwach stigmatisierten Hauptschüler in unserem alles verwertenden marktwirtschaftlichen System nütze? Individualität, Authentizität, Stolz, Selbstbewusstsein und Selbstgefühl sind nicht mehr gefragt. Im Gegenteil, sie sind Hindernisse auf dem Weg in die reibungslose Verarbeitung unserer Arbeitskraft. Wer selber macht, hat weniger das Bedürfnis, Leere durch Konsum zu füllen. Wer sich selbst achtet, lässt sich nicht für jeden beliebig niedrigen Hungerlohn demütigen.
Ich hoffe, dass noch viele Menschen es wagen zu tanzen, anstatt sich auf dem Weg zu mehr "Employability" zum gefühl- und profillosen Idioten optimieren zu lassen.