Sturmflut
you in a nutshell
G. sagte mir im Schein der zwischen uns flackernden Kerze nach Currywurst und Kaffee, Du habest Dich verändert. Du sprächest jetzt auch darüber.

Mal drei Tage wandern würdest Du gern, ganz für Dich allein, um zu Dir zu finden. Herauszufinden, ob Du eigentlich so viel von all dem nötig habest. Materielles. Anerkennung.

Wer außen steht und Dich nicht kennt, mag denken: Oh, ein toller Mann. So nachdenklich, so selbstkritisch, so tiefgründig. Aber als sie mir das sagte, gähnte ich innerlich. So warst Du schon immer, und mich langweilt diese Attitüde, weil ich sie zur Genüge kenne. Das hängt mir zum Hals raus. Du hängst mir zum Hals raus. Du kannst in die Wälder gehen und Bäume umarmen, so lange Du willst, aber Du wirst dort nicht finden, was Du nicht in Dir trägst. Und in Dir trägst Du lediglich ein großes Vakuum. Du wirst Dir nicht begegnen, wenn Du dauernd einen Bogen um Dich herum machst. Darin bist Du Künstler. Zu Dir finden - das habe ich schon so oft gehört von Dir. Du selbst bist das Loch, das andere füllen sollen. Du kannst nicht allein sein mit Dir. Du brauchst tiefschürfende Gespräche mit Menschen, die Dir die Illusion von Dialog, Bestätigung, Erfüllung geben. Du brauchst jemanden, der Deine innere Leere füllt. Du bist ein Vampir. Und allein mit Dir wäre alles, was Dir vielleicht gelingen würde, die Selbstzerstörung. Drei Tage würden nicht reichen, drei Jahre nicht, drei Menschenleben nicht.

Dass sich irgendwas an Dir ändert, glaube ich erst, wenn ich es sehe. Aber ich rechne nicht damit.