Sturmflut
Bla bla
Es ist einfach ein einziges unerträgliches, blödes Gelaber. Sie reden über immer dasselbe, auf immer die gleiche Art, die Ungerechtigkeiten der ganzen bösen Welt widerkäuend bis zum Erbrechen. Über die anderen Abteilungen und Kollegen, und wie fürchterlich sich die doch alle verhalten. Der kleine Dicke jammert, dass immer er es ist, der alles ausbaden muss. Der Misanthrop mit dem fliehenden Kinn wirft ein, die anderen seien ja alle auch bräsig und faul und lässt dabei so richtig seine "Alle dumm außer mir"-Attitüde raushängen. Er ist belehrend und anmaßend. Zwischendurch wispert er im Verschwörerton mit der Juniorette, die glucksend vor sich hinkichert und ihn gebührend bewundert. Oder er macht sie durch die Blume runter. Dann kichert sie auch.

Kaum zu glauben, dass der kleine Dicke Abteilungsleiter ist. Er hat keinen Arsch in der Hose, aber einen ausgeprägten Hang zur Nörglerei. Denen gegenüber, über die er sich hinterher aufregt, ist er geradezu auf kriecherische Art freundlich. Sein reflexartiger, leidender Seufzer nach Auflegen des Telefons ist ihm liebgewordene Gewohnheit, scheint mir. Der Misanthrop hingegen kommt sich auch dem kleinen Dicken gegenüber sehr überlegen vor und füttert ihn mit "Anregungen", wie er es besser machen könnte. Die beiden spielen Ping Pong mit Sätzen, die beginnen mit "Ist doch auch klar, weil..." und "Aber...". So geht das minutenlang, immer hin und her. Showtime. "Bedaure mich, ich habs doch so schwer!" "Schau mich an! Ich bin cool, verächtlich und hab alles schon längst genau durchschaut!"

Und? Was interessierts mich? Weder ist der kleine Dicke mein Abteilungsleiter, noch tangieren mich deren Probleme, noch hätte ich irgendwas zum Gespräch beizusteuern. Zudem hatte ich doch erst jüngst gemeint, mich regten die Dinge allgemein weniger auf.

Heute ist aber alles irgendwie zu viel. Da ist ein krankes Ohr, das mich alles nur als pampigen, verschwommenen Klangteppich wahrnehmen lässt. Da stört das Gequatsche und macht es mir schwer, zu fokussieren. Außerdem erschrecke ich vor fast jedem lauteren oder plötzlichen Geräusch. Aber das Problem ist nicht bloß physischer Natur. Ich habe Schwierigkeiten, das Gesprochene und seinen Inhalt beiseite zu schieben, Unwesentliches auszufiltern und auszublenden. Es überschwemmt mich, ich kann es nicht ignorieren, genau wie das dumme Radio. Dieses infantile Geschwätz, dieses wasserfallartige Geblubber über nichts und wieder nichts drängt sich mir auf und kriecht mir unter den Pelz, wo ich es nicht haben will. Seine Redundanz sägt an meinen Nerven, und ich wünsche mir nur eins: Schweigen. Sie sollen die Klappe halten, nur mal einen Tag lang. Auf die Selbstdarsteller-Show verzichten und bloß ihren Job machen.

Jemand hat mir mal gesagt, ich sei ein sehr ernster Mensch und mir fehle eine gewisse Leichtigkeit im Leben. Es trifft zu. Ich tue mich schwer damit, die anderen auch nur halb so amüsant zu finden wie sie sich selbst. Ich bin nicht sicher, ob das ein Manko ist. Aber es stört mich, diese Belanglosigkeit aushalten zu müssen, diese faden Aufgüsse von Ewigdemselben.

Ich freue mich, dass der Misanthrop morgen Urlaub hat und dass bald Wochenende ist. Aber heute bin ich nur noch müde.