Klappe, Texter!
Am 15. Jan 2014 im Topic 'Deckschrubben'
Im literarischen Belangen bin ich nicht sonderlich bewandert. In der Rückschau kommt es mir oft so vor, als hätte ausgerechnet der Deutsch-Leistungskurs meines Jahrgangs alles an literarischen Klassikern ausgespart, was andere behandelt haben. Ich habe eklatante Lücken, aber komischerweise auch nicht das Bedürfnis, sie durch nachholende Lektüre zu füllen. Irgendwie gehen mir die Pflichtlektüren von damals (trotz gelegentlicher Anfälle von Bedauern) am Allerwertesten vorbei. Natürlich gibt es Menschen, die mit Klassikern etwas anfangen können. Freundin I., natürlich als beinahe-gewordene Deutschlehrerin durchaus bewandert in diesen Dingen, kann mehr Interesse dafür aufbringen als ich und ist eine große Freundin von Günter Grass, der mich absolut kalt lässt.
Jetzt bin ich allerdings auch keine Trivialliteratur-Leserin. Wobei mich die Klassifizierung der Literatur in trivial und anspruchsvoll schon immer genervt hat - sie ist snobistisch und eitel. Ob U oder E ist mir relativ egal, wobei ich eben einen Anspruch an Bücher hege, was Tiefgang und Qualität der Sprache betrifft. Als mir im Wohnzimmer meiner Schwester "50 Shades of Grey" in die Hände fiel und ich es mal aufschlug, biss mir das sprachliche Missmanagement fies in die Nasenspitze, und ich klappte das Machwerk wieder zu. Es gibt Dinge, die ganz ungeachtet vom Inhalt (der mich auch nicht interessierte) einfach nicht auszuhalten sind. Ich bin also immer auf der Suche nach guter Lektüre, und Freundin I. ist mir in dieser Hinsicht eine gute Quelle für Rat und Tipps. Sie lieh mir bereits auszugsweise den Inhalt ihres Bücherregals, und wir starteten mit Stewart O'Nan. Seine Romane zu lesen bereitete mir ein ausgesprochenes Vergnügen, und gerade liegt auf dem Bücherstapel neben meinem Bett Emily, allein, einer der wenigen, die ich noch nicht gelesen habe. Im Bücherflohmarkt der Bibliothek war außerdem für einen Euro Das Glück der anderen abzugreifen - es verlieh sich wohl nicht oft genug.
Mit Freundin I. habe ich also jemanden für gute Lektüre-Hinweise, und bislang hat sie noch nicht daneben gelegen. Aber was macht man noch, wenn man gute Lektüre sucht? Weil Bücher wie Persönlichkeiten sind, die sich mit dem eigenen Charakter nicht immer vertragen, ist es schon gut, sich auf jemanden verlassen zu können, der einen selbst gut genug kennt, um raten zu können. Deshalb verzichte ich grundsätzlich darauf, mir Rezensionen bei Amazon durchzulesen. Schon allein, dass die Rezension so überdurchschnittlich häufig zur Rezession mutiert, klappt mir die Zehennägel hoch. Da wird der Inhalt nacherzählt wie in Schulaufsätzen, sich darüber beklagt, dass in manchen Büchern "gar nichts passiert", es werden Wendungen verraten und manchmal geht auch schon ein schlichtes "Ich fand das Buch nicht gut!" als Rezension durch. Mich gruselt es. Also lasse ich es lieber.
Es gibt beinahe nichts Schöneres für mich, als mit richtig viel Zeit in die städtische Bücherei zu gehen. Ich muss mir keine Gedanken machen, ob ich mir ein Buch leisten kann, ich kann es gleich mitnehmen, wenn es mich interessiert. Bücherei ist ein Bonbon, und es fällt mir häufig schwer, mich selbst zu beschränken angesichts der guten Auswahl, die die Bibliothek meiner Stadt bereithält. Aber nach welchen Kriterien wähle ich aus? Bei Sachbüchern ist das simpel, da gehe ich nach Interessenlage.
Bei Romanen fesselt mich manchmal ganz einfach der Titel. So geschehen bei Ian McEwans Der Zementgarten, das ich neulich entlieh, ohne mir den Klappentext zuende durchgelesen zu haben und das innerhalb von drei Abenden verschlungen war. Ein Wahnsinnsding, dicht und düster und trotzdem irgendwie lebendig. Der Verzicht auf den Klappentext hat sich allerdings als essentiell herausgestellt. Denn der war erstens grottenschlecht flapsig geschrieben, zweitens verriet er einen Großteil des Inhalts, ohne ihn jedoch drittens korrekt wiederzugeben.
Lesen Klappentexte-Texter eigentlich, was sie in Klappentexten treffend beschreiben sollen? Manchmal scheint es mir, das ist nicht der Fall. Ich bin mit der Materie nicht vertraut, aber vielleicht gibt es ja in Verlagen auch Leute, die für Klappentexte-Texter Zusammenfassungen erstellen, anhand derer die Klappentexte-Texter dann ihre Klappentexte texten. Das ist dann wie Stille Post - die Hälfte der Information geht unterwegs verloren. Die Atmosphäre eines literarischen Werks ohnehin.
Wenn ich mal wieder auf der Suche nach wirklich guten Büchern durch die Regale der Bibliothek wandere und mal das eine, mal das andere zur Hand nehme, sind es die Klappentexte, die mich oft abschrecken und dafür sorgen, dass die das jeweilige Werk stehen lasse. Das mag auch daran liegen, dass ich mich nicht für die ungewöhnlichen, abgehobenen Geschichten interessiere, sondern für die, die Menschen passieren, die so real wie Du und ich sein könnten. Stewart O'Nan ist ein Meister im Erzählen solcher Geschichten. Aber ich kann nicht mein Leben lang nur O'Nan lesen, denn so schnell kann der arme Mann gar nicht schreiben, wie ich ihn lesen möchte. Außerdem isst man nicht jeden Tag Sachertorte.
Als Online-Rezensionsverweigerin bin ich also bei dieser saloppen Suche vorm Regal eben angewiesen auf gut verfasste Klappentexte, die mich auf den Haken zu nehmen verstehen und mich dann auch vor der Enttäuschung bewahren, dass der gelesene Roman schließlich - wie im Fall des Zementgartens - nur wenig mit der Beschreibung auf seiner Rückseite zu tun hatte. Komplett überflüssig erscheinen mir desbezüglich auch Zitate aus den Medien ("Ein Meisterwerk!", "Das ist ganz große Literatur!"), die zur Bewerbung des jeweiligen Buches den Klappentext teilweise oder ganz ersetzen. Das ist riesengroßer Käse. Nur, weil der Feuilletonist irgendeiner namhaften Wochenzeitung etwas für ein Meisterwerk hält, sagt das noch nichts über Qualität aus und schon gar nichts über den Gegenstand einer Erzählung. Allerhöchstens etwas über den Klappentexter, nämlich, dass er faul war.
Ich frage mich insgeheim, wie viele wirklich gute Bücher ich bereits in der Bibliothek habe stehen lassen, weil mich der Klappentext so sehr abschreckte. Zum Teil wirken Klappentexte wie die Alltagserzählungen von Zweitklässlern. Und dann..., und dann..., und dann... Ich muss in einem Klappentext auch nicht die gesamte Handlung präsentiert bekommen. Wenn ich hinterher bei der Lektüre nach einem Drittel des Gesamtumfangs plötzlich feststelle, dass - aha - da jetzt die auf dem Umschlag angekündigte dramatische Wendung kommt, dann hat das einen schalen Beigeschmack. Am schlimmsten finde ich aber die hanebüchene Stereotypisierung der Charaktere, die im Werk selbst viel breiter und wesentlich weniger vorhersagbar angelegt sind. Seichte Protagonisten stoßen mich ab. Ich mache wahrscheinlich bei all dem den Fehler, tatsächlich zu glauben, die Protagonisten seien so seicht, wie es der Klappentext schildert. Aber ich kann das Buch ja nicht schon in der Bücherei zu lesen beginnen, sonst schließen die mich abends ein, ohne es zu merken. (Ich kann mir allerdings schlimmeres vorstellen, als in einer Bibliothek eingeschlossen zu sein.)
Was nun? An Klappentexter appellieren, vorher zu lesen, worüber sie schreiben? Sich mehr Mühe zu geben? An ihren eigenen sprachlichen Qualitäten zu feilen und diese auch einzusetzen? Würde vermutlich wenig helfen. Vielleicht wäre es besser, vom Klappentext gleich auf die erste Seite zu springen und selbst zu sehen, ob die Sprache des Autors und seine Idee mich zu fesseln vermögen. Oder doch noch eine gute Quelle für fundierte, sorgfältige Rezensionen aufzutun, die nicht spoilern. Oder weiterhin Freundin I.s reichlich gefülltes Bücherregal in Anspruch zu nehmen. Mit Algorithmen wie "Kunden, die xxx gekauft haben, bestellten auch yyy" kann ich rein gar nichts anfangen, das erwies sich schon in Sachen Musik. Und was soll auch eine Aussage wie "Schreibt so ähnlich wie..." schon bedeuten? Entweder, jemand schreibt so, wie er schreibt, oder er lässt es besser bleiben.
Mal sehen, ob mir in nächster Zukunft ein Buch unterkommt, nach dessen Lektüre ich über den Klappentext sagen kann: "Ja, genau!" Der unbesungene Held, der gute Klappentexter, hätte sich dann einen Preis verdient. Entscheidet doch, was er schreibt, zwischen "Oh, wie interessant, nehme ich mit!" und "Och nö, langweilig, lass mal lieber...", und damit über die Erschließung neuer Universen oder verschwendete Zeit.
Jetzt bin ich allerdings auch keine Trivialliteratur-Leserin. Wobei mich die Klassifizierung der Literatur in trivial und anspruchsvoll schon immer genervt hat - sie ist snobistisch und eitel. Ob U oder E ist mir relativ egal, wobei ich eben einen Anspruch an Bücher hege, was Tiefgang und Qualität der Sprache betrifft. Als mir im Wohnzimmer meiner Schwester "50 Shades of Grey" in die Hände fiel und ich es mal aufschlug, biss mir das sprachliche Missmanagement fies in die Nasenspitze, und ich klappte das Machwerk wieder zu. Es gibt Dinge, die ganz ungeachtet vom Inhalt (der mich auch nicht interessierte) einfach nicht auszuhalten sind. Ich bin also immer auf der Suche nach guter Lektüre, und Freundin I. ist mir in dieser Hinsicht eine gute Quelle für Rat und Tipps. Sie lieh mir bereits auszugsweise den Inhalt ihres Bücherregals, und wir starteten mit Stewart O'Nan. Seine Romane zu lesen bereitete mir ein ausgesprochenes Vergnügen, und gerade liegt auf dem Bücherstapel neben meinem Bett Emily, allein, einer der wenigen, die ich noch nicht gelesen habe. Im Bücherflohmarkt der Bibliothek war außerdem für einen Euro Das Glück der anderen abzugreifen - es verlieh sich wohl nicht oft genug.
Mit Freundin I. habe ich also jemanden für gute Lektüre-Hinweise, und bislang hat sie noch nicht daneben gelegen. Aber was macht man noch, wenn man gute Lektüre sucht? Weil Bücher wie Persönlichkeiten sind, die sich mit dem eigenen Charakter nicht immer vertragen, ist es schon gut, sich auf jemanden verlassen zu können, der einen selbst gut genug kennt, um raten zu können. Deshalb verzichte ich grundsätzlich darauf, mir Rezensionen bei Amazon durchzulesen. Schon allein, dass die Rezension so überdurchschnittlich häufig zur Rezession mutiert, klappt mir die Zehennägel hoch. Da wird der Inhalt nacherzählt wie in Schulaufsätzen, sich darüber beklagt, dass in manchen Büchern "gar nichts passiert", es werden Wendungen verraten und manchmal geht auch schon ein schlichtes "Ich fand das Buch nicht gut!" als Rezension durch. Mich gruselt es. Also lasse ich es lieber.
Es gibt beinahe nichts Schöneres für mich, als mit richtig viel Zeit in die städtische Bücherei zu gehen. Ich muss mir keine Gedanken machen, ob ich mir ein Buch leisten kann, ich kann es gleich mitnehmen, wenn es mich interessiert. Bücherei ist ein Bonbon, und es fällt mir häufig schwer, mich selbst zu beschränken angesichts der guten Auswahl, die die Bibliothek meiner Stadt bereithält. Aber nach welchen Kriterien wähle ich aus? Bei Sachbüchern ist das simpel, da gehe ich nach Interessenlage.
Bei Romanen fesselt mich manchmal ganz einfach der Titel. So geschehen bei Ian McEwans Der Zementgarten, das ich neulich entlieh, ohne mir den Klappentext zuende durchgelesen zu haben und das innerhalb von drei Abenden verschlungen war. Ein Wahnsinnsding, dicht und düster und trotzdem irgendwie lebendig. Der Verzicht auf den Klappentext hat sich allerdings als essentiell herausgestellt. Denn der war erstens grottenschlecht flapsig geschrieben, zweitens verriet er einen Großteil des Inhalts, ohne ihn jedoch drittens korrekt wiederzugeben.
Lesen Klappentexte-Texter eigentlich, was sie in Klappentexten treffend beschreiben sollen? Manchmal scheint es mir, das ist nicht der Fall. Ich bin mit der Materie nicht vertraut, aber vielleicht gibt es ja in Verlagen auch Leute, die für Klappentexte-Texter Zusammenfassungen erstellen, anhand derer die Klappentexte-Texter dann ihre Klappentexte texten. Das ist dann wie Stille Post - die Hälfte der Information geht unterwegs verloren. Die Atmosphäre eines literarischen Werks ohnehin.
Wenn ich mal wieder auf der Suche nach wirklich guten Büchern durch die Regale der Bibliothek wandere und mal das eine, mal das andere zur Hand nehme, sind es die Klappentexte, die mich oft abschrecken und dafür sorgen, dass die das jeweilige Werk stehen lasse. Das mag auch daran liegen, dass ich mich nicht für die ungewöhnlichen, abgehobenen Geschichten interessiere, sondern für die, die Menschen passieren, die so real wie Du und ich sein könnten. Stewart O'Nan ist ein Meister im Erzählen solcher Geschichten. Aber ich kann nicht mein Leben lang nur O'Nan lesen, denn so schnell kann der arme Mann gar nicht schreiben, wie ich ihn lesen möchte. Außerdem isst man nicht jeden Tag Sachertorte.
Als Online-Rezensionsverweigerin bin ich also bei dieser saloppen Suche vorm Regal eben angewiesen auf gut verfasste Klappentexte, die mich auf den Haken zu nehmen verstehen und mich dann auch vor der Enttäuschung bewahren, dass der gelesene Roman schließlich - wie im Fall des Zementgartens - nur wenig mit der Beschreibung auf seiner Rückseite zu tun hatte. Komplett überflüssig erscheinen mir desbezüglich auch Zitate aus den Medien ("Ein Meisterwerk!", "Das ist ganz große Literatur!"), die zur Bewerbung des jeweiligen Buches den Klappentext teilweise oder ganz ersetzen. Das ist riesengroßer Käse. Nur, weil der Feuilletonist irgendeiner namhaften Wochenzeitung etwas für ein Meisterwerk hält, sagt das noch nichts über Qualität aus und schon gar nichts über den Gegenstand einer Erzählung. Allerhöchstens etwas über den Klappentexter, nämlich, dass er faul war.
Ich frage mich insgeheim, wie viele wirklich gute Bücher ich bereits in der Bibliothek habe stehen lassen, weil mich der Klappentext so sehr abschreckte. Zum Teil wirken Klappentexte wie die Alltagserzählungen von Zweitklässlern. Und dann..., und dann..., und dann... Ich muss in einem Klappentext auch nicht die gesamte Handlung präsentiert bekommen. Wenn ich hinterher bei der Lektüre nach einem Drittel des Gesamtumfangs plötzlich feststelle, dass - aha - da jetzt die auf dem Umschlag angekündigte dramatische Wendung kommt, dann hat das einen schalen Beigeschmack. Am schlimmsten finde ich aber die hanebüchene Stereotypisierung der Charaktere, die im Werk selbst viel breiter und wesentlich weniger vorhersagbar angelegt sind. Seichte Protagonisten stoßen mich ab. Ich mache wahrscheinlich bei all dem den Fehler, tatsächlich zu glauben, die Protagonisten seien so seicht, wie es der Klappentext schildert. Aber ich kann das Buch ja nicht schon in der Bücherei zu lesen beginnen, sonst schließen die mich abends ein, ohne es zu merken. (Ich kann mir allerdings schlimmeres vorstellen, als in einer Bibliothek eingeschlossen zu sein.)
Was nun? An Klappentexter appellieren, vorher zu lesen, worüber sie schreiben? Sich mehr Mühe zu geben? An ihren eigenen sprachlichen Qualitäten zu feilen und diese auch einzusetzen? Würde vermutlich wenig helfen. Vielleicht wäre es besser, vom Klappentext gleich auf die erste Seite zu springen und selbst zu sehen, ob die Sprache des Autors und seine Idee mich zu fesseln vermögen. Oder doch noch eine gute Quelle für fundierte, sorgfältige Rezensionen aufzutun, die nicht spoilern. Oder weiterhin Freundin I.s reichlich gefülltes Bücherregal in Anspruch zu nehmen. Mit Algorithmen wie "Kunden, die xxx gekauft haben, bestellten auch yyy" kann ich rein gar nichts anfangen, das erwies sich schon in Sachen Musik. Und was soll auch eine Aussage wie "Schreibt so ähnlich wie..." schon bedeuten? Entweder, jemand schreibt so, wie er schreibt, oder er lässt es besser bleiben.
Mal sehen, ob mir in nächster Zukunft ein Buch unterkommt, nach dessen Lektüre ich über den Klappentext sagen kann: "Ja, genau!" Der unbesungene Held, der gute Klappentexter, hätte sich dann einen Preis verdient. Entscheidet doch, was er schreibt, zwischen "Oh, wie interessant, nehme ich mit!" und "Och nö, langweilig, lass mal lieber...", und damit über die Erschließung neuer Universen oder verschwendete Zeit.