Montag, 6. Dezember 2010
Gefühle und Verantwortung
Am 6. Dez 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Als mir vor längerer Zeit in einem Gespräch mal jemand sagte, der Mensch sei gewissermaßen wie eine "Blackbox" und man habe als Außenstehender nur wenig bis keinen Einfluss darauf, was der andere fühle und denke, da empfand ich das wie eine Anmaßung, fast schon einen Affront und eine nahezu undenkbare Behauptung.
Kann ja nicht sein, das hab' ich doch anders gelernt:
Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer. Vor allem dann, wenn sich jemand schlecht fühlt, mies drauf ist, wütend wird oder es ihm anderweitig an etwas mangelt.
Andere Menschen sind verantwortlich für meine Gefühle. Wenn ich mich schlecht fühle, dann kann mich ausschließlich jemand von außen aus dieser Lage befreien. Wenn die anderen mir nicht wohlgesonnen sind, dann ist das Leben nichts wert.
Auf diesen Grundannahmen fußen meine teilweise massiven Schuldgefühle und das zeitweilige Bedürfnis, den Kopf möglichst unten zu halten. Ich lasse mich schnell anstecken vom Stress anderer und tue alles, um zu beschwichtigen, einzulenken und Zorn anderer nicht auf mich zu ziehen. Sogar dann, wenn ich definitiv nicht die Ursache für den Stress bin. Je wichtiger der betreffende Mensch für mich ist, umso größer die Verantwortung, die ich auf mich nehme. Da ist es auch egal, ob der andere sie mir zuschiebt.
Es hat lange gedauert, bis ich mir dessen überhaupt bewusst wurde. Die Muster, die man kennt, nimmt man als gegeben und natürlich hin. Man hinterfragt sie erst dann, wenn sie beginnen, über das bekannte Maß hinaus weh zu tun und man zu spüren beginnt, dass man eigentlich nicht wirklich lebt. Natürlich wurden die Menschen in meinem Umfeld trotz meiner Bemühungen auch weiterhin wütend, waren traurig, missgestimmt, erschöpft oder anderweitig mit den sogenannt unerwünschten Gefühlen beschäftigt. Es war also ein Kampf gegen Windmühlenflügel, und es war auf jeden Fall ein Kampf gegen ein Phantom. Energieverschwendung. Mehr noch: Schmerz. Eine Bemühung, die ständig ins Leere laufen muss und die mir daher die vermeintliche Unzulänglichkeit nur noch mehr vor Augen führt.
Ich denke an meine Mutter. An ihre Art, tief und vernehmlich zu seufzen und damit zu signalisieren: "Ich leide!" An ihre stummen wie ausgesprochenen Vorwürfe an uns, wie sehr wir zu diesem Leiden beitrügen. Ich denke an meinen Vater. An seine Wutausbrüche und sein Türenknallen, an abwertende Kommentare und Schimpfkanonaden, an seine Schläge und seine Ungeduld. Ich habe gespürt: "Du kannst es nie gut genug machen!" "Du kannst nie unsichtbar genug sein!" "Du bist die Ursache für unsere Wut, Unzufriedenheit und unser Leiden!" Weggehen konnte ich damals nicht, ich konnte mich nicht schützen und die wenigen Versuche, zu kämpfen, sind gescheitert. Also habe ich diese Maßstäbe angenommen und verinnerlicht.
Es war mühsam und langwierig, zu realisieren, dass die Lage heute ganz anders aussieht. Es war nötig, genau hinzuschauen, wo die Verletzungen liegen und dass sie es sind, die mich dazu bewegen, noch heute immer wieder zu mir selbst zu sagen: "Du kriegst nichts auf die Reihe, Du bist nicht perfekt genug, Du bist eine Last - es ist besser, es gäbe Dich nicht!"
Ich habe verstanden, dass mich Verletzungen so heftig treffen, weil ich Wunden offenhalte in der Hoffnung, die Menschen, die sie verursachten, werden auch eines Tages kommen und sie heilen. Es ist so schwer, diese Hoffnung zu töten. Ich glaube, dass ich deshalb die "Blackbox"-Theorie für so erschreckend und abwegig hielt. Denn das impliziert, dass ich mit all meinen Bemühungen, Anstrengungen, meiner Anpassungsbereitschaft und meinem Wohlverhalten doch nicht in der Lage bin, andere dahingehend zu kontrollieren, dass sie mir geben, was ich brauche.
Mir wird zunehmend klar, dass die einzige, die diesen Job machen kann, ich selbst bin.
Das heißt nicht, dass ein ehrlich gemeintes Kompliment nichts Schönes mehr für mich sein darf. Dass man sich nicht gegenseitig berührt, sich nichts zu sagen hat, sich nicht beeinflusst und nicht verändert. Aber was man damit macht, liegt in den eigenen Händen. Ich entscheide, wer mich beleidigt, aber ich entscheide auch, wer mich berührt, wer mich zum Lachen bringt, wer mich enttäuscht. Zu sehen, dass die eigenen Füße tragen und man selbst entscheidet, wohin man geht, bringt Angst und Freiheit gleichermaßen mit sich. Ich darf die Verantwortung für die Gefühle anderer abgeben, und das macht mich weniger befangen, freier, näher bei mir selbst. Zugleich muss ich diejenige für meine eigenen Gefühle übernehmen, was bedeutet, dass ich aktiv werden muss - detektivisch herausfinden, was in mir ist und wie ich dem gerecht werde, und es auch umsetzen.
Was für eine spannende Aufgabe.
Kann ja nicht sein, das hab' ich doch anders gelernt:
Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer. Vor allem dann, wenn sich jemand schlecht fühlt, mies drauf ist, wütend wird oder es ihm anderweitig an etwas mangelt.
Andere Menschen sind verantwortlich für meine Gefühle. Wenn ich mich schlecht fühle, dann kann mich ausschließlich jemand von außen aus dieser Lage befreien. Wenn die anderen mir nicht wohlgesonnen sind, dann ist das Leben nichts wert.
Auf diesen Grundannahmen fußen meine teilweise massiven Schuldgefühle und das zeitweilige Bedürfnis, den Kopf möglichst unten zu halten. Ich lasse mich schnell anstecken vom Stress anderer und tue alles, um zu beschwichtigen, einzulenken und Zorn anderer nicht auf mich zu ziehen. Sogar dann, wenn ich definitiv nicht die Ursache für den Stress bin. Je wichtiger der betreffende Mensch für mich ist, umso größer die Verantwortung, die ich auf mich nehme. Da ist es auch egal, ob der andere sie mir zuschiebt.
Es hat lange gedauert, bis ich mir dessen überhaupt bewusst wurde. Die Muster, die man kennt, nimmt man als gegeben und natürlich hin. Man hinterfragt sie erst dann, wenn sie beginnen, über das bekannte Maß hinaus weh zu tun und man zu spüren beginnt, dass man eigentlich nicht wirklich lebt. Natürlich wurden die Menschen in meinem Umfeld trotz meiner Bemühungen auch weiterhin wütend, waren traurig, missgestimmt, erschöpft oder anderweitig mit den sogenannt unerwünschten Gefühlen beschäftigt. Es war also ein Kampf gegen Windmühlenflügel, und es war auf jeden Fall ein Kampf gegen ein Phantom. Energieverschwendung. Mehr noch: Schmerz. Eine Bemühung, die ständig ins Leere laufen muss und die mir daher die vermeintliche Unzulänglichkeit nur noch mehr vor Augen führt.
Ich denke an meine Mutter. An ihre Art, tief und vernehmlich zu seufzen und damit zu signalisieren: "Ich leide!" An ihre stummen wie ausgesprochenen Vorwürfe an uns, wie sehr wir zu diesem Leiden beitrügen. Ich denke an meinen Vater. An seine Wutausbrüche und sein Türenknallen, an abwertende Kommentare und Schimpfkanonaden, an seine Schläge und seine Ungeduld. Ich habe gespürt: "Du kannst es nie gut genug machen!" "Du kannst nie unsichtbar genug sein!" "Du bist die Ursache für unsere Wut, Unzufriedenheit und unser Leiden!" Weggehen konnte ich damals nicht, ich konnte mich nicht schützen und die wenigen Versuche, zu kämpfen, sind gescheitert. Also habe ich diese Maßstäbe angenommen und verinnerlicht.
Es war mühsam und langwierig, zu realisieren, dass die Lage heute ganz anders aussieht. Es war nötig, genau hinzuschauen, wo die Verletzungen liegen und dass sie es sind, die mich dazu bewegen, noch heute immer wieder zu mir selbst zu sagen: "Du kriegst nichts auf die Reihe, Du bist nicht perfekt genug, Du bist eine Last - es ist besser, es gäbe Dich nicht!"
Ich habe verstanden, dass mich Verletzungen so heftig treffen, weil ich Wunden offenhalte in der Hoffnung, die Menschen, die sie verursachten, werden auch eines Tages kommen und sie heilen. Es ist so schwer, diese Hoffnung zu töten. Ich glaube, dass ich deshalb die "Blackbox"-Theorie für so erschreckend und abwegig hielt. Denn das impliziert, dass ich mit all meinen Bemühungen, Anstrengungen, meiner Anpassungsbereitschaft und meinem Wohlverhalten doch nicht in der Lage bin, andere dahingehend zu kontrollieren, dass sie mir geben, was ich brauche.
Mir wird zunehmend klar, dass die einzige, die diesen Job machen kann, ich selbst bin.
Das heißt nicht, dass ein ehrlich gemeintes Kompliment nichts Schönes mehr für mich sein darf. Dass man sich nicht gegenseitig berührt, sich nichts zu sagen hat, sich nicht beeinflusst und nicht verändert. Aber was man damit macht, liegt in den eigenen Händen. Ich entscheide, wer mich beleidigt, aber ich entscheide auch, wer mich berührt, wer mich zum Lachen bringt, wer mich enttäuscht. Zu sehen, dass die eigenen Füße tragen und man selbst entscheidet, wohin man geht, bringt Angst und Freiheit gleichermaßen mit sich. Ich darf die Verantwortung für die Gefühle anderer abgeben, und das macht mich weniger befangen, freier, näher bei mir selbst. Zugleich muss ich diejenige für meine eigenen Gefühle übernehmen, was bedeutet, dass ich aktiv werden muss - detektivisch herausfinden, was in mir ist und wie ich dem gerecht werde, und es auch umsetzen.
Was für eine spannende Aufgabe.
Sonntag, 31. Oktober 2010
Hold on.
Am 31. Okt 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
In der Dämmerung schalten sich die Lampen ein, werfen zartoranges Licht über gepflasterte Bahnsteige. Signale glühen rot und grün vor tintenblauem, von scharfen, schwarzen Oberleitungen durchtrenntem Himmel.
Eine Frau steht auf dem Bahnsteig, unendlich müde, zerrissen, verkehrt. Im Herzen noch eine Ahnung vom Leben – eine Spur von Leichtigkeit und purer Existenz, die sich viel zu schnell verliert und wieder der Erschöpfung Platz macht. Das gelassene, leichte Gefühl rinnt aus ihr heraus wie aus einem leckgeschlagenen Tank, schnell und unaufhaltsam. Es hinterlässt Leere.
Ein gelbes Schild mit schwarzer Schrift warnt:
„Vorsicht! Schnelle Vorbeifahrten! Gekennzeichneten Bereich erst betreten, wenn Zug hält!“
Sie starrt hinüber zum Bahnsteig gegenüber, zu den anderen, die da auf einen anderen Zug warten wie Spiegelbilder, und fragt sich, was sie wohl denken. Ob deren Herzen auch so nah an den Gleisen stehen wie ihr eigenes, jenseits der weißen Linie, ganz am Rand.
Eine Durchfahrt. Der Zug ist wie ein Geschoss, er schiebt eine Wand aus oktobermilder Luft vor sich her, die ihr Haar zurückwirft. Sie denkt: „Ach, nur ein einziger Schritt, dann wäre es vorbei. Dunkel. Nichts. Erlösung. Endlich!“ Sie denkt es nur. Der Gedanke macht schwindlig.
Züge. Hinter dem windschnittig gewölbten, getönten Glas stehen Menschen, die Hebel bedienen und fürchten, dass jemand diesen plötzlichen Schritt tut. Personenschaden. Schädliche Personen. Beschädigte Personen. Im Führerstand und auf den Gleisen.
Tonnen und Tonnen rollender Masse. Sie kann nicht umhin, schaut sich die Front dieses Kolosses ganz genau an. Unterhalb der Glasscheibe eine Kupplung wie eine Ramme aus massivem Stahl, in gewachstes Tuch verpackt, so lange sie nicht gebraucht wird. Im gähnend schwarzen Raum darunter wie eine gigantische Pflugschar ein Gleisräumer. Ihr Körper wird in der Mitte zerschlagen von dieser unaufhaltsamen Masse. Wie eine Puppe ohne Gelenke. Der Kopf schlägt zurück, sie fällt, wird ins Gleisbett geschoben, bleibt zerschmettert liegen.
Das Bild: Der Zug steht. Auf den Schienen unter weißem Tuch der Körper, der Rest, bedeutungslos, ohne Würde. Ein Seelsorger führt den Lokführer am Arm. Die Fahrgäste ärgern sich über die Verzögerung.
Woher nimmt sie die Annahme, dass das schmerzlos sein würde? Dass es sie auslöscht, schnell, effektiv und spurlos? Sie weiß es nicht. Sie weiß, dass sie es nicht weiß. Sie spürt das. Wie erbärmlich, ein solcher Tod. Etwas, das man niemandem wünscht. Wieso dann sich selbst?
Es ist eine tägliche Entscheidung. Sie hat die Gewalt über ihre eigenen Schritte. Ruhe und Erlösung sind eine verheißungsvolle Illusion. Das einzige, das feststeht, ist das Leben im Hier und Jetzt. Die Erlösung liegt in ihr selbst, nicht auf den Gleisen, nicht unter dem Tuch. Die Erlösung liegt im Leben, nicht im Sterben.
Hold on.
Eine Frau steht auf dem Bahnsteig, unendlich müde, zerrissen, verkehrt. Im Herzen noch eine Ahnung vom Leben – eine Spur von Leichtigkeit und purer Existenz, die sich viel zu schnell verliert und wieder der Erschöpfung Platz macht. Das gelassene, leichte Gefühl rinnt aus ihr heraus wie aus einem leckgeschlagenen Tank, schnell und unaufhaltsam. Es hinterlässt Leere.
Ein gelbes Schild mit schwarzer Schrift warnt:
„Vorsicht! Schnelle Vorbeifahrten! Gekennzeichneten Bereich erst betreten, wenn Zug hält!“
Sie starrt hinüber zum Bahnsteig gegenüber, zu den anderen, die da auf einen anderen Zug warten wie Spiegelbilder, und fragt sich, was sie wohl denken. Ob deren Herzen auch so nah an den Gleisen stehen wie ihr eigenes, jenseits der weißen Linie, ganz am Rand.
Eine Durchfahrt. Der Zug ist wie ein Geschoss, er schiebt eine Wand aus oktobermilder Luft vor sich her, die ihr Haar zurückwirft. Sie denkt: „Ach, nur ein einziger Schritt, dann wäre es vorbei. Dunkel. Nichts. Erlösung. Endlich!“ Sie denkt es nur. Der Gedanke macht schwindlig.
Züge. Hinter dem windschnittig gewölbten, getönten Glas stehen Menschen, die Hebel bedienen und fürchten, dass jemand diesen plötzlichen Schritt tut. Personenschaden. Schädliche Personen. Beschädigte Personen. Im Führerstand und auf den Gleisen.
Tonnen und Tonnen rollender Masse. Sie kann nicht umhin, schaut sich die Front dieses Kolosses ganz genau an. Unterhalb der Glasscheibe eine Kupplung wie eine Ramme aus massivem Stahl, in gewachstes Tuch verpackt, so lange sie nicht gebraucht wird. Im gähnend schwarzen Raum darunter wie eine gigantische Pflugschar ein Gleisräumer. Ihr Körper wird in der Mitte zerschlagen von dieser unaufhaltsamen Masse. Wie eine Puppe ohne Gelenke. Der Kopf schlägt zurück, sie fällt, wird ins Gleisbett geschoben, bleibt zerschmettert liegen.
Das Bild: Der Zug steht. Auf den Schienen unter weißem Tuch der Körper, der Rest, bedeutungslos, ohne Würde. Ein Seelsorger führt den Lokführer am Arm. Die Fahrgäste ärgern sich über die Verzögerung.
Woher nimmt sie die Annahme, dass das schmerzlos sein würde? Dass es sie auslöscht, schnell, effektiv und spurlos? Sie weiß es nicht. Sie weiß, dass sie es nicht weiß. Sie spürt das. Wie erbärmlich, ein solcher Tod. Etwas, das man niemandem wünscht. Wieso dann sich selbst?
Es ist eine tägliche Entscheidung. Sie hat die Gewalt über ihre eigenen Schritte. Ruhe und Erlösung sind eine verheißungsvolle Illusion. Das einzige, das feststeht, ist das Leben im Hier und Jetzt. Die Erlösung liegt in ihr selbst, nicht auf den Gleisen, nicht unter dem Tuch. Die Erlösung liegt im Leben, nicht im Sterben.
Hold on.
Mittwoch, 29. September 2010
Nach dem Sturm
Am 29. Sep 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Ich bin zutiefst erstaunt über das Ausmaß und die Tiefe meines Misstrauens. Ich habe meine Wut herausgelassen und meine Gedanken formuliert und dann festgestellt, dass auch ich verletzen kann - vor allem, indem ich die guten Absichten meiner Mitmenschen in Zweifel ziehe. Nicht offen oder vorwürflich (zumindest meistens), sondern insgeheim, bis es mich so richtig zernagt im Inneren.
Was für ein bunter Haufen von Gefühlen, der da zurückblieb wie Strandgut, wie die Hinterlassenschaften hochschlagender Wellen. Das Gefühl für meine eigene Kraft und die Erkenntnis, dass ich nicht so machtlos bin, wie ich es mir zeitweilig einbilde. Stolz darauf, meine eigenen inneren Barrieren überwunden zu haben. Das Gefühl von Scham darüber, einem Menschen seine wahrhaftige, aufrichtige Motivation in Abrede gestellt zu haben, und Mitgefühl für seine Verletzung. Das Gefühl von Erkenntnis darüber, wie ich eigentlich ticke - das Bild ist detaillierter und klarer als zuvor. Und schließlich auch eine leise Spur von Angst, was unter diesen Schichten und Schichten, die durch solche Stürme freigelegt werden, noch alles so zum Vorschein kommt.
Ich sitze im Sand und lausche dem ruhiger gewordenen, wieder stetigen statt wütendem Rauschen. Das ist kein schlechtes Gefühl, alles ist ein bisschen gelassener, weniger existenziell, weniger anstrengend - kein Kampf mehr gegen den Wind. Vielleicht, weil ich Wissen erworben habe über meine eigene Sturmfestigkeit.
Was für ein bunter Haufen von Gefühlen, der da zurückblieb wie Strandgut, wie die Hinterlassenschaften hochschlagender Wellen. Das Gefühl für meine eigene Kraft und die Erkenntnis, dass ich nicht so machtlos bin, wie ich es mir zeitweilig einbilde. Stolz darauf, meine eigenen inneren Barrieren überwunden zu haben. Das Gefühl von Scham darüber, einem Menschen seine wahrhaftige, aufrichtige Motivation in Abrede gestellt zu haben, und Mitgefühl für seine Verletzung. Das Gefühl von Erkenntnis darüber, wie ich eigentlich ticke - das Bild ist detaillierter und klarer als zuvor. Und schließlich auch eine leise Spur von Angst, was unter diesen Schichten und Schichten, die durch solche Stürme freigelegt werden, noch alles so zum Vorschein kommt.
Ich sitze im Sand und lausche dem ruhiger gewordenen, wieder stetigen statt wütendem Rauschen. Das ist kein schlechtes Gefühl, alles ist ein bisschen gelassener, weniger existenziell, weniger anstrengend - kein Kampf mehr gegen den Wind. Vielleicht, weil ich Wissen erworben habe über meine eigene Sturmfestigkeit.
Freitag, 27. August 2010
Ein Brief
Am 27. Aug 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
„Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als wenn Eltern nicht an ihr Kind glauben, an seine Lebensfähigkeit, seine Art, die Dinge zu erledigen, seinen Stil. Und das ist es, was ich spüre.“
Das schrieb ich im Sommer 1997 in einem Brief an meinen Vater, den ich ihm niemals geschickt habe. Weiter schrieb ich:
„Ich hoffe, es beleidigt Dich nicht, wenn ich das so offen äußere. Möglicherweise bist Du sehr böse, vielleicht hältst Du mich für undankbar.“
Dieser Brief ist ein Relikt, aber er ist es auch wieder nicht. Sein Inhalt steht stellvertretend für ein Grundgefühl, das ich in meinem Leben immer hatte. Mit großer Klarheit habe ich schon damals erkannt, woran die Beziehung zu meinen Eltern krankte: An dem Gefühl, nicht als der Mensch geliebt und anerkannt zu werden, der ich nun einmal war. Nur ein paar Zeilen nach dieser deutlichen Feststellung taucht nämlich auch der Grund auf, der mich damals davon abhielt, den Brief in einen Umschlag zu stecken und abzuschicken: Die tief verwurzelte Angst vor meinem Vater, vor seinen Maßstäben, seinem Zorn und seiner Missgunst.
Wenn ich ihn heute lese, dann spüre ich die darin enthaltene Ambivalenz mit fast brutaler Deutlichkeit. Da ist der Streit für mich selbst, den ich eigentlich damals mit Vehemenz hatte führen wollen, und die Spur von Mut, zum eigenen Leben ja zu sagen und mich von den Vorstellungen der Eltern abzugrenzen. Aber dann, direkt danach ein verzweifeltes Zurückrudern, so wie ich es heute noch von mir kenne. Wann immer ich einen Schritt in die Richtung wage, mich selbst besser wahrzunehmen, meine Wünsche zu äußern und mein Recht auf So-Sein einzufordern, überfällt mich fast eine Panik und der Reflex, mich zu negieren, klein zu machen, mich zurückzuziehen und mich für meine Existenz zu entschuldigen.
„Möglicherweise bist Du sehr böse...“
Ich hatte allen Grund, das anzunehmen. Bis vor einigen Jahren kam ich nie über das Vaterbild hinweg, das ich mein Leben lang kannte. Mein Vater war eine all- und übermächtige, große, dunkle Person, wie ein Gewitter am Horizont, von dem man nie wusste, ob es herzieht und wann der Blitz einschlägt. Ich konnte ihn nur auf diese Weise wahrnehmen, weil ich im Gegenzug auch immer das kleine Mädchen geblieben war, das sich nichts sehnlicher wünschte als seine Liebe. Erst, als dieser Wunsch in mir starb, habe ich es geschafft, ihn zu entmystifizieren und ihn zu sehen als das, was er tatsächlich ist.
Seit ich beschlossen habe, ihn nicht mehr zu sehen, musste ich mir in unzähligen inneren Dialogen mindestens hundert Mal sagen: „Und wenn er wütend auf mich wird – was soll's! Was soll mir da schon passieren?“ Wie ein Satz aus dem Schulbuch, den man auswendig lernt, auch wenn man den Sinn noch nicht versteht.
Inzwischen habe ich erkannt und wirklich verstanden, dass weder sein Tun noch sein Lassen mir etwas anhaben können und dass ich auch morgen noch leben werde. Zugleich bin ich heute enorm erschüttert darüber, wie stark er war – wie stark er sich und in der Folge ich ihn gemacht habe. Mein Vater, der Charmeur. Der Alleswisser. Der Seelenverwandte (und ich die einzige, die ihn wirklich versteht...). Mein Vater, der große Herrscher, von dessen Laune alles Wohl und Weh abhing. Vor allem das Weh, so dass ich alles, was nicht all zu sehr wehtat, für gut halten musste. Dessen ausrutschende Hand in meinem Gesicht ich immer „verdient“ hatte.
Damals bettelte ich.
"Ich möchte so gern einmal ein „Du schaffst das schon!“ hören anstatt ein „Hast Du schon dies, hast Du schon das?“ Das ständige Sich-Versichern-Wollen, ob ich schon die Ziele erreicht habe, die Ihr von mir erreicht sehen wollt, ist das Gegenteil von Vertrauen. Und es fällt mir nicht leicht, damit umzugehen. Ich muss das aussprechen, denn es staut sich in mir an. Und Du hast gesagt, ich kann alles sagen.“
Was es so traurig macht, diese Zeilen noch einmal zu lesen ist die Tatsache, dass ich es kann. Ich sprach es eben nicht aus. Das zweimal gefaltete A4-Papier liegt hier vor mir anstatt in einer seiner Schubladen. Mein Vertrauen in sein Wohlwollen und in sein Versprechen, ich könne ihm alles sagen, war einfach nicht groß genug. Meine Angst vor ihm war größer, und wo Angst ist, hat Vertrauen keinen Platz.
Wenn ich das alles nochmals lese, wird mir klar: Der Schritt zur Seite, aus der Angst und der totenstarren Ehrfurcht heraus, ist mir gelungen. Ich werde mich nicht mehr entschuldigen dafür, so zu sein, wie ich bin. Vor ihm nicht, nicht vor anderen, aber vor allem nicht vor mir selbst.
Das schrieb ich im Sommer 1997 in einem Brief an meinen Vater, den ich ihm niemals geschickt habe. Weiter schrieb ich:
„Ich hoffe, es beleidigt Dich nicht, wenn ich das so offen äußere. Möglicherweise bist Du sehr böse, vielleicht hältst Du mich für undankbar.“
Dieser Brief ist ein Relikt, aber er ist es auch wieder nicht. Sein Inhalt steht stellvertretend für ein Grundgefühl, das ich in meinem Leben immer hatte. Mit großer Klarheit habe ich schon damals erkannt, woran die Beziehung zu meinen Eltern krankte: An dem Gefühl, nicht als der Mensch geliebt und anerkannt zu werden, der ich nun einmal war. Nur ein paar Zeilen nach dieser deutlichen Feststellung taucht nämlich auch der Grund auf, der mich damals davon abhielt, den Brief in einen Umschlag zu stecken und abzuschicken: Die tief verwurzelte Angst vor meinem Vater, vor seinen Maßstäben, seinem Zorn und seiner Missgunst.
Wenn ich ihn heute lese, dann spüre ich die darin enthaltene Ambivalenz mit fast brutaler Deutlichkeit. Da ist der Streit für mich selbst, den ich eigentlich damals mit Vehemenz hatte führen wollen, und die Spur von Mut, zum eigenen Leben ja zu sagen und mich von den Vorstellungen der Eltern abzugrenzen. Aber dann, direkt danach ein verzweifeltes Zurückrudern, so wie ich es heute noch von mir kenne. Wann immer ich einen Schritt in die Richtung wage, mich selbst besser wahrzunehmen, meine Wünsche zu äußern und mein Recht auf So-Sein einzufordern, überfällt mich fast eine Panik und der Reflex, mich zu negieren, klein zu machen, mich zurückzuziehen und mich für meine Existenz zu entschuldigen.
„Möglicherweise bist Du sehr böse...“
Ich hatte allen Grund, das anzunehmen. Bis vor einigen Jahren kam ich nie über das Vaterbild hinweg, das ich mein Leben lang kannte. Mein Vater war eine all- und übermächtige, große, dunkle Person, wie ein Gewitter am Horizont, von dem man nie wusste, ob es herzieht und wann der Blitz einschlägt. Ich konnte ihn nur auf diese Weise wahrnehmen, weil ich im Gegenzug auch immer das kleine Mädchen geblieben war, das sich nichts sehnlicher wünschte als seine Liebe. Erst, als dieser Wunsch in mir starb, habe ich es geschafft, ihn zu entmystifizieren und ihn zu sehen als das, was er tatsächlich ist.
Seit ich beschlossen habe, ihn nicht mehr zu sehen, musste ich mir in unzähligen inneren Dialogen mindestens hundert Mal sagen: „Und wenn er wütend auf mich wird – was soll's! Was soll mir da schon passieren?“ Wie ein Satz aus dem Schulbuch, den man auswendig lernt, auch wenn man den Sinn noch nicht versteht.
Inzwischen habe ich erkannt und wirklich verstanden, dass weder sein Tun noch sein Lassen mir etwas anhaben können und dass ich auch morgen noch leben werde. Zugleich bin ich heute enorm erschüttert darüber, wie stark er war – wie stark er sich und in der Folge ich ihn gemacht habe. Mein Vater, der Charmeur. Der Alleswisser. Der Seelenverwandte (und ich die einzige, die ihn wirklich versteht...). Mein Vater, der große Herrscher, von dessen Laune alles Wohl und Weh abhing. Vor allem das Weh, so dass ich alles, was nicht all zu sehr wehtat, für gut halten musste. Dessen ausrutschende Hand in meinem Gesicht ich immer „verdient“ hatte.
Damals bettelte ich.
"Ich möchte so gern einmal ein „Du schaffst das schon!“ hören anstatt ein „Hast Du schon dies, hast Du schon das?“ Das ständige Sich-Versichern-Wollen, ob ich schon die Ziele erreicht habe, die Ihr von mir erreicht sehen wollt, ist das Gegenteil von Vertrauen. Und es fällt mir nicht leicht, damit umzugehen. Ich muss das aussprechen, denn es staut sich in mir an. Und Du hast gesagt, ich kann alles sagen.“
Was es so traurig macht, diese Zeilen noch einmal zu lesen ist die Tatsache, dass ich es kann. Ich sprach es eben nicht aus. Das zweimal gefaltete A4-Papier liegt hier vor mir anstatt in einer seiner Schubladen. Mein Vertrauen in sein Wohlwollen und in sein Versprechen, ich könne ihm alles sagen, war einfach nicht groß genug. Meine Angst vor ihm war größer, und wo Angst ist, hat Vertrauen keinen Platz.
Wenn ich das alles nochmals lese, wird mir klar: Der Schritt zur Seite, aus der Angst und der totenstarren Ehrfurcht heraus, ist mir gelungen. Ich werde mich nicht mehr entschuldigen dafür, so zu sein, wie ich bin. Vor ihm nicht, nicht vor anderen, aber vor allem nicht vor mir selbst.
Freitag, 13. August 2010
Albatros
Am 13. Aug 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Ich sah neulich eine Dokumentation über Plastikmüll in den Meeren und die Folgen.
Forscher hatten einen toten Albatros seziert, und in dem klaffenden Längsschnitt, mit dem sie seinen Bauch geöffnet hatten, fand sich allerhand unverdauter, voluminöser Plastikmüll. Das Tier war, alles aufpickend, was nahrhaft erschien, mit gefülltem Magen verhungert.
So fühle ich mich.
Musik: In den letzten drei Tagen keine.
Forscher hatten einen toten Albatros seziert, und in dem klaffenden Längsschnitt, mit dem sie seinen Bauch geöffnet hatten, fand sich allerhand unverdauter, voluminöser Plastikmüll. Das Tier war, alles aufpickend, was nahrhaft erschien, mit gefülltem Magen verhungert.
So fühle ich mich.
Musik: In den letzten drei Tagen keine.
Montag, 21. Juni 2010
Ein gelbes Badetuch
Am 21. Jun 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Schwallartig überkam mich heute die Erinnerung an Geborgenheit.
Samstagabende waren in unserer Familie immer für ein Wannenbad da, und das habe ich geliebt als Kind, ich mochte die Wärme, die Spielerei mit dem Schaum, und so lange im Wasser bleiben zu dürfen, bis die Finger schrumpelig waren.
In unserem Badezimmer gab es einen runden Korbsessel, und wenn das Bad vorbei war, dann breitete meine Mutter in diesem Sessel ein großes, gelbes, plüschiges Badetuch aus und setzte mich mitten hinein, schlug die Ecken um mich herum und da blieb ich dann zusammengekauert sitzen, in der Wärme und Weichheit.
Heute könnte ich mir das Tuch wahrscheinlich nicht einmal mehr um den Körper schlingen, aber damals passte ich ganz hinein. Die Augen zu schließen und daran zu denken tut gut, und komischerweise gelingt mir das ohne Bitterkeit und Wehmut. Eine wunderbare Erinnerung, die ich mir heraufholen kann, wenn sich die Welt gerade nicht so toll anfühlt. Vielleicht schlug sie deswegen heute einfach so zu und bereitete mir Behagen.
Samstagabende waren in unserer Familie immer für ein Wannenbad da, und das habe ich geliebt als Kind, ich mochte die Wärme, die Spielerei mit dem Schaum, und so lange im Wasser bleiben zu dürfen, bis die Finger schrumpelig waren.
In unserem Badezimmer gab es einen runden Korbsessel, und wenn das Bad vorbei war, dann breitete meine Mutter in diesem Sessel ein großes, gelbes, plüschiges Badetuch aus und setzte mich mitten hinein, schlug die Ecken um mich herum und da blieb ich dann zusammengekauert sitzen, in der Wärme und Weichheit.
Heute könnte ich mir das Tuch wahrscheinlich nicht einmal mehr um den Körper schlingen, aber damals passte ich ganz hinein. Die Augen zu schließen und daran zu denken tut gut, und komischerweise gelingt mir das ohne Bitterkeit und Wehmut. Eine wunderbare Erinnerung, die ich mir heraufholen kann, wenn sich die Welt gerade nicht so toll anfühlt. Vielleicht schlug sie deswegen heute einfach so zu und bereitete mir Behagen.
Samstag, 29. Mai 2010
lost in space
Am 29. Mai 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Ich fühle mich verloren. Es ist anders als früher. Damals stand an der Stelle jeglichen Gefühls nur noch innere Kälte und Ruhelosigkeit. Jetzt tut mir irgendwie mein Inneres fürchterlich weh, ich fühle mich, als wäre meine Mitte eine Wunde, deren Ursache ich nicht sehen kann oder will. In mir ist es dunkler als draußen vor dem Fenster, aber es ist eine eigenartige Dunkelheit, von der ich nicht weiß, ob ich sie fürchten oder begrüßen soll. Denn immerhin, immerhin atmet etwas in mir, bebt, schlägt mit Fäusten von innen gegen meine Grenzen. Dort lebt etwas, das vorher nicht da war. Wie es dahin kam, weiß ich nicht.
Ich fühle mich „lost in space“ und finde diesen Ausdruck am treffendsten. Ich weiß nicht, ob ich mich irgendwo festhalten soll oder ob mich der Versuch nur weiter ins Ungewisse hinausträgt. Ich habe höllische Angst, aber eben nicht nur Angst. Es ist auch noch eine Spur von etwas anderem dabei. So, als wenn man sich ein Knie aufschrammt. Schreck, Schmerz und die Verwunderung darüber, dass das Blut warm ist, dass man so weich und verletzlich ist und es all die Zeit lang vergessen hat.
Meine Musik des Tages:
Portishead - Roads
Ich fühle mich „lost in space“ und finde diesen Ausdruck am treffendsten. Ich weiß nicht, ob ich mich irgendwo festhalten soll oder ob mich der Versuch nur weiter ins Ungewisse hinausträgt. Ich habe höllische Angst, aber eben nicht nur Angst. Es ist auch noch eine Spur von etwas anderem dabei. So, als wenn man sich ein Knie aufschrammt. Schreck, Schmerz und die Verwunderung darüber, dass das Blut warm ist, dass man so weich und verletzlich ist und es all die Zeit lang vergessen hat.
Meine Musik des Tages:
Portishead - Roads
Donnerstag, 22. April 2010
shame
Am 22. Apr 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Kann sowohl "Scham" als auch "Schande" bedeuten...
"Grenzen meines Körpers sind Grenzen meines Ichs. Die Hautoberfläche schließt mich ab gegen die fremde Welt: auf ihr darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will."
- Jean Améry, Jenseits von Schuld und Sühne
Die Kapsel in mir ist wohl doch härter, als ich dachte.
"Grenzen meines Körpers sind Grenzen meines Ichs. Die Hautoberfläche schließt mich ab gegen die fremde Welt: auf ihr darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will."
- Jean Améry, Jenseits von Schuld und Sühne
Die Kapsel in mir ist wohl doch härter, als ich dachte.
Donnerstag, 15. April 2010
Abschiedskarten.
Am 15. Apr 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Habe heute zwei Dutzend Abschiedskarten geschrieben.
An meine Eltern, an beide. Ich werde mich damit symbolisch von allerlei Gedanken verabschieden, die mir das Leben schwer machen.
Weil sie illusionär sind, weil sie mir schlecht tun, weil sie mich dominieren, weil sie nicht zu mir gehören.
Es ist ein Abschied von den Idealeltern, die sie nicht sind und von denjenigen ihrer Eigenschaften, die ich nicht in meinem Leben haben will. Von den Ansprüchen, die zuerst ihre waren und die ich dann verinnerlicht habe. Denn obwohl ich meine Eltern schon lange, lange Zeit nicht mehr gesehen habe, weil ich sie nicht ertrage, sind sie trotzdem noch präsent. Ich bin irgendwie nicht fertig mit dem Trauern, ich kriege meine Wünsche nicht losgelassen, trotz aller Vergeblichkeiten und Enttäuschungen, trotz der Verletzungen und dem Schmerz, den ich mit ihnen erleben musste.
Vielleicht hilft mir die Verbrennung dieser Postkarten. Es ist zwar etwas pathetisch, aber ich habe das Gefühl, ich brauche diesen symbolischen, manifesten Akt, um das Erlebte aus dem Bereich der Gedanken und Erinnerungen herauszuholen und mir und meiner Wahrnehmung endlich zu trauen. All den Überdruss herauszuschreiben und auf das Postkartenformat zu bannen war hilfreich. Das waren Trauerkarten, Kündigungen und Rausschmisse, Verabschiedungen und Scheidungsurteile. Nur recht und billig, wenn sich das alles schließlich in Rauch auflösen wird.
An meine Eltern, an beide. Ich werde mich damit symbolisch von allerlei Gedanken verabschieden, die mir das Leben schwer machen.
Weil sie illusionär sind, weil sie mir schlecht tun, weil sie mich dominieren, weil sie nicht zu mir gehören.
Es ist ein Abschied von den Idealeltern, die sie nicht sind und von denjenigen ihrer Eigenschaften, die ich nicht in meinem Leben haben will. Von den Ansprüchen, die zuerst ihre waren und die ich dann verinnerlicht habe. Denn obwohl ich meine Eltern schon lange, lange Zeit nicht mehr gesehen habe, weil ich sie nicht ertrage, sind sie trotzdem noch präsent. Ich bin irgendwie nicht fertig mit dem Trauern, ich kriege meine Wünsche nicht losgelassen, trotz aller Vergeblichkeiten und Enttäuschungen, trotz der Verletzungen und dem Schmerz, den ich mit ihnen erleben musste.
Vielleicht hilft mir die Verbrennung dieser Postkarten. Es ist zwar etwas pathetisch, aber ich habe das Gefühl, ich brauche diesen symbolischen, manifesten Akt, um das Erlebte aus dem Bereich der Gedanken und Erinnerungen herauszuholen und mir und meiner Wahrnehmung endlich zu trauen. All den Überdruss herauszuschreiben und auf das Postkartenformat zu bannen war hilfreich. Das waren Trauerkarten, Kündigungen und Rausschmisse, Verabschiedungen und Scheidungsurteile. Nur recht und billig, wenn sich das alles schließlich in Rauch auflösen wird.
Mittwoch, 3. März 2010
Freuen
Am 3. Mär 2010 im Topic 'Tiefseetauchen'
Wann habe ich eigentlich so gründlich verlernt, mich wirklich zu freuen? Ja klar, da sind immer wieder Ereignisse, die mich freuen, und ich nehme das auch wahr. Aber die Freude bleibt unterm Deckel, sie tritt selten offen zutage. Wann immer die Freude am Horizont aufzieht, schleicht sich im Gefolge auch gleich die Frage mit an: "Moment mal, wo ist der Haken?" Im Schlepptau ist immer irgendeine Befürchtung dabei, irgendein Schatten, etwas, das sich wie ein dunkler Schleier über das Freuen legt. Kann ja nicht sein, dass ich wirklich glücklich bin, oder?
Dabei habe ich durchaus Anlass. Und so animierte mich heute jemand dazu, mich auf dieses Freuen einzulassen, und ich konnte spüren, wie es in meinen Füßen und Händen kribbelte - ganz in Ruhe und ganz und gar glücklich, ohne dass es mir jemand im nächsten Moment wieder wegnehmen würde. Das war ein Freuen ohne Wenn und Aber, verbunden mit Stolz und Wohlgefühl und rundum perfekt. Ich hab's mir in die Tasche gepackt und mitgenommen...
Dabei habe ich durchaus Anlass. Und so animierte mich heute jemand dazu, mich auf dieses Freuen einzulassen, und ich konnte spüren, wie es in meinen Füßen und Händen kribbelte - ganz in Ruhe und ganz und gar glücklich, ohne dass es mir jemand im nächsten Moment wieder wegnehmen würde. Das war ein Freuen ohne Wenn und Aber, verbunden mit Stolz und Wohlgefühl und rundum perfekt. Ich hab's mir in die Tasche gepackt und mitgenommen...
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