Sturmflut
Donnerstag, 25. August 2011
Widerwärtig
Was für beschissene Tage, vorgestern, gestern, heute. Allesamt zum in die Tonne treten. Morgens war mein Grundgefühl immer noch verführerisch entspannt und gelassen. Gestern sogar fast euphorisch. Irgendwann ertappte ich mich dann aber beim Zähneknirschen, die Kiefer fest aufeinandergepresst, den Nacken verspannt, die Stirn in Falten. Das alles ohne offensichtlichen Grund. Ich wurde innerlich immer aggressiver, und ich bin es bis jetzt. Alles geht mir auf den Geist, ich könnte jeden einzelnen meiner Kollegen handverlesen an die Wand klatschen. Das blöde Radio gleich dazu, damit endlich mal Ruhe ist und ich dieses unsägliche Gequäke nicht mehr ertragen muss.

Ich bin zittrig und angespannt. Alles fällt mir runter, Autoschlüssel, Haarklammern. Mit der Wimperntusche male ich mir das halbe Gesicht an, nur die Wimpern nicht. Meine Stiefel knicken beim Anziehen um und ich lege mich fast auf die Klappe. Und ich verachte mich zutiefst dafür, dass mir all diese rummeligen Kleinigkeiten schiefgehen. "Kannst Du überhaupt nichts?" gehässt mein Inneres. Und zugleich: "Wie kann man sich nur über solche blöden Kleinigkeiten aufregen?"

Gestern nacht dann auch noch Streit mit dem Gatten. Wegen Lappalien. Am Ende war der Schmerz über die eigenen Unzulänglichkeiten größer als jede Wut. Mal wieder bin ich zu blöd gewesen, deutlich zu sagen, dass ich in den Arm genommen werden möchte, dass ich mal klein sein dürfen will, mich anlehnen, anvertrauen. Ich erwarte, dass er das von selbst merkt und sieht, wie tief mein Tal ist und was ich brauche. Gleichzeitig bin ich wütend, dass er es nicht tut. Ich gehe zum Heulen ins Bad, weil ich mich nicht traue, in seiner Gegenwart diese widerlichen Geräusche aus meiner Kehle herauszulassen. Er kommt mir nach und fragt, was los ist. Ich stoße ihn zurück mit einem resignierten "Nichts!!", während meine Seele brüllt und sich nichts sehnlicher wünscht als seinen Trost.

Mal wieder habe ich mich gehasst dafür, dass die verf***** Depression ihre widerlichen Finger nach mir ausstreckt und mich in dieses Loch zieht. "Über diesen Punkt waren wir doch schon mal hinaus!!", gehässt mein Inneres, "Wieso latschst Du jetzt stumpf wieder in dieselbe Kacke?"

Irgendwann habe ich angefangen zu reden, und dann wurde es allmählich besser. Das einzige, was hilft ist, milde und freundlich zu mir zu sein. Die abartigen Gehässigkeiten, die ich permanent wie ein Trommelfeuer auf mich selbst abschieße, zu erkennen und aufzuhalten, bevor sie auftreffen. Mir wird klar, so ekelhaft wäre ich zu keinem anderen Menschen. Immerhin, ich will nicht mehr vor Züge treten, mich nicht mehr auslöschen. Ich weiß nur, dass ich so nicht mehr leben will, und ich schreie das heraus und werfe Gegenstände an die Wand und fluche. Aber ich werfe mich nicht mehr selbst.

Heute ist mir zum Kotzen. Mein Körper schmerzt, meine Lider sind wie Blei, ich schäme mich in Mark und Bein und bin nur noch müde. Immer noch leise die Stimme: "Wieso eigentlich? Du hast doch nichts! Stell Dich nicht an!" Ich fühle mich wie im Hamsterrad - tausende Umdrehungen habe ich hinter mich gebracht und trete doch auf der Stelle. Ich weiß, dass es nicht so ist, aber es fühlt sich so an. Manchmal wünsche ich mir die taube Leere von früher zurück, obwohl ich weiß, wie zerstörerisch sie ist.

Für heute bleibt das einzige Rezept, mich abzulenken. Ich besuche I. Sie versteht. Das weiß ich. Morgen bin ich dann nett zu mir.

Meine Musik des Tages:
Korn - Alone I Break

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