Sturmflut
Donnerstag, 13. Oktober 2011
In einer idealen Welt...
Ach, wäre es doch schön, wenn alles einfach wäre. Wenn alle Menschen dazu in der Lage wären, zu ihren eigenen Erlebnissen, Verhaltensweisen, Gefühlen und Neurosen in Distanz zu treten. So könnte man das eigene Leben gewissermaßen unters Mikroskop legen, um endlich klar zu sehen und die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.

Dann gäbe es keine Späne mehr beim Hobeln, keine Tränen mehr beim Erfahrungen sammeln. Es gäbe keine Duckmäuser und feigen Strammsteher mehr, keine Missbraucher und Gewalttäter, keine gedankenlosen Ignoranten, keine Kriminellen. Es gäbe nur noch lauter aufrechte, wohlerzogene, rücksichtsvolle, gute und authentische Leute.

Weil dem aber nicht so ist, braucht man halt ab und an Menschen mit Übersicht, die einem die Welt erklären. Die einen zur Ordnung rufen, differenziertes Denken einfordern, Bedenken in den Raum stellen, zu sauberer Sprache mahnen, über Richtlinien, Ideale und guten Geschmack informieren.

Es ist eine Sache, seine Meinung, seinen Senf, seine zwei Cents zu etwas in die Welt zu posten oder zu posaunen, sich über etwas aufzuregen oder sich an etwas oder jemandem zu reiben. Ich finde, es ist aber etwas vollkommen anderes, sich in beinahe herablassender Manier über fast jede menschliche Regung seines Umfeldes zu echauffieren, klinisch zu analysieren, was bei anderen alles verkehrt läuft, jede Schwäche zu sezieren, bis nichts mehr bleibt. Es erhebt den Analysten meilenweit über sein Objekt und legt die eigenen Maßstäbe an alle anderen an.

Mich beschleicht der Verdacht, auch das könnte pure Kompensation sein. Was den Besserwisser - weil um keinen Deut weniger neurotisch - auf eine Stufe mit seinem Analyseobjekt stellt. Schließlich sind wir alle Menschen. Blöd nur, dass manche viel zu sehr um die Lampe kreisen, um das mitzubekommen.

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