Sturmflut
Dienstag, 9. Juli 2013
Bleibt doch zuhause.
Ägypten tobt. Dass sich die verschiedenen Gruppierungen gegenseitig die Köpfe einschlagen, das sind wir alle ja schon irgendwie gewohnt, und auch drastische Bilder verlieren ihre Schockwirkung, nachdem das Thema so dauerhaft präsent ist.

Am Rande geht aber etwas vor sich, das weit weniger als die "Produktion von Märtyrern" Resonanz in den Medien findet: Massenhaft werden und wurden auch bereits vor Jahren Frauen systematisch vergewaltigt, die es wagen, sich auf den Demonstrationen am Tahrir-Platz zu zeigen.

In verwackelten, mit Handykameras aufgenommenen Videos kann man erkennen, wie Gruppen von Männern einzelne Frauen isolieren, einkreisen und in Seitenstraßen drängen, um sie dann zu misshandeln und zu vergewaltigen. Die Schuld an den Vorkommnissen schiebt man den Frauen in die Schuhe, denn sie hätten ja auch, wie es sich angeblich für Frauen ziemt, zuhause bleiben oder sich einfach von den Männern fernhalten können.

Das Ganze hat aber Methode und ist mitnichten als das ohnehin wackelige Konstrukt der männlichen, angeblich unzügelbaren Triebhaftigkeit einzuordnen, die sonst so als Rechtfertigung für die Maßregelung der Frauen herangezogen wird. Es ist systematische Einschüchterung und Ausgrenzung der Frauen durch sexuelle Gewalt, die weniger mit Sex, mehr mit Gewalt zu tun hat.

Interessant ist, dass diese Verbrechen bereits viel früher stattfanden als nur im Zusammenhang mit den jetzt neu ausgebrochenen Protesten und Konflikten. Schon im als Demokratiebewegung hochgepriesenen Arabischen Frühling hat es diese Vorkommnisse am Rande der Demonstrationen gegeben. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass es ohne die Gleichberechtigung von Frau und Mann keine wirkliche Demokratie geben kann, aber dies ist ein Detail, dass einfach nur zu gern unter den Tisch fällt. Die Hälfte der Bevölkerung wird allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Zugehörigkeit zum Teil noch immer massiv aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und ist nicht in der Lage, ihre Rechte zu erkennen, wahrzunehmen und einzufordern. Bereits bei etwas so fundamental Wichtigem wie der körperlichen Unversehrtheit endet das Recht der Frauen in Ägypten.

Sehenswert in diesem Zusammenhang ist der Film "Kairo 678", der einen eindringlichen Eindruck vermittelt, wie es sich anfühlen mag, in Kairo als Frau mit alltäglicher sexueller Gewalt leben zu müssen. Auch dieser Film ging leider am Mainstream vorbei - ich fand ihn spät nachts im Sparten-Fernsehprogramm.

Es ist noch längst nicht laut genug geschrien worden über diese Gewalttätigkeiten, es sind noch längst nicht genug Tränen der Wut vergossen worden. So lange die Thematik aber immer nur als Meldung am Rande in den Medien auftaucht, wird sich ein Bewusstsein darüber leider nicht einstellen, und das drastischste, was einem über die Vorgänge in Ägypten im Kopf bleibt, sind in die Kamera gehaltene blutige Kleidungsstücke, die man "Märtyrern" ausgezogen hat. Über die seelische Verstümmelung der Frauen spricht man nicht. Sie hätten ja auch einfach zuhause bleiben können.

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Sommerglück in Vollendung
Die spröden Tage sind vorbei. Die Wärme ist wie Balsam, und liebe Menschen versüßen mir die Zeit.

Am vorvergangenen Montag, nach dem Frust beim Arbeitsamt, habe ich mit Hingabe mein Couchtischchen neu angestrichen und festgestellt, wie beruhigend es ist, etwas zu tun, das man wirklich gut kann. Versunken in eine simple, erfolgversprechende Tätigkeit verflogen Gedanken von Angst und Unzulänglichkeit. Zugleich keimten neue Perspektiven aus der inneren Ruhe.

Dienstag: Ein wunderbarer Stadtbummel mit Schwiegermutter und Mittelnichte, garniert mit Eiskaffee, Kinderlachen, guten Gesprächen und dem Gefühl, absolut willkommen zu sein.

Am Donnerstag gab es dann eine ausgedehnte Stippvisite auf Freundin I.s Sofa, und wir redeten, und die Zeit verflog.

Das Wochenende habe ich mit dem Gatten im Ruhrgebiet bei Freunden verbracht, um eine ExtraSchicht einzulegen. Die Sommernacht war lau und weich, und wir ließen uns mit Bus und Bahn durch die Nacht tragen und sogen die neuen Eindrücke auf, Leichtigkeit im Herzen. Am Sonntag als Dreingabe ein langer Spaziergang in Dinslaken, verbunden mit etwas Geocaching und anschließendem leichtem Sonnenbrand.

Gestern dann spontan in den heimischen Baggersee gehüpft und anschließend im Sand gelegen und die Haut vom Wind trocknen lassen.

Heute rief I. an, und wieder haben wir länger als eine fliegende Stunde lang gesprochen.

Ich habe tagelang keine Socken getragen.

Trotz anhaltender Pflichten, Pläne, Ideen und auch Unsicherheiten kann das Leben meinetwegen so weitergehen. Wenn man weiß, was trägt, ist Sommerglück nicht mehr und nicht weniger als das.

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