Sturmflut
Na traumhaft: sex and violence.
Ich träume immer sehr intensiv. Mal realistisch, mal surreal, mal abgefahren und kompliziert, mal sachlich. Ich kann mich an vieles von dem, was ich träume, erinnern - auch längerfristig. Oft ist es so, dass sich gegen Abend, wenn ich müde werde, die Tore zum Unterbewusstsein wieder öffnen und das Geträumte der letzten Nacht wieder zurückkehrt. Nicht einfach nur als bildhafte Erinnerung, sondern in Form des erlebten Gesamtgefühls. Eigentlich war mir das auch immer recht angenehm. Selbst, wenn ich nichts Schönes geträumt habe, fand ich das Nachdenken darüber meistens konstruktiv, und es weckte die detektivische Ader in eigener Sache, die ohnehin bei mir vorhanden ist.

Jetzt allmählich wird's mir aber doch ein bisschen viel. Die letzten drei, vier Nächte waren derart geprägt von lebendigen Träumen, dass ich mich schwer damit tue, das alles zu fassen. Es sind auch immer mehrere Träume pro Nacht, an die ich mich erinnere. Vermutlich, weil ich oft wach werde. Sobald ein Traum seine "Pointe" erreicht hat, werde ich wach und analysiere.

Ich habe jüngst allerhand Unfug getrieben im Traum.

Ich habe ein Auto geklaut und mir dann den Kopf darüber zerbrochen, wie es wieder loszuwerden sei. Und alle möglichen Parkplätze der Stadt in Betracht gezogen und wieder verworfen, weil Parkgebühren zu entrichten wären, oder weil die zugegebenermaßen etwas eigenartige Kreuzung aus einem VW Golf 1 und einem Pick-up zu sehr aufgefallen wäre. Ich habe das Teil über Schotterstraßen in einen alten Steinbruch gefahren, nur um festzustellen, dass dort ein paar junge Männer eher rechter Gesinnung das Terrain zwecks Schießübungen in Beschlag genommen hatten, und habe dann eine Kehrtwendung gemacht, bevor mich noch jemand dumm anmachen konnte. Schließlich beschlossen, das Automobil im "Problemviertel" der Stadt zu parken, wo man allerhand andere Leute des Diebstahls verdächtigen würde, aber mich nicht. Nicht gerade nett, ich weiß. Wieso träumt man so einen Mist? Und dann wurde ich wach, stellte fest, es war ein Traum - und überlegte weiter an einer effektiven Methode, das gestohlene Auto irgendwo abzustellen. Inklusive Fingerabdrücke abwischen und Haare vom Sitz sammeln.

Andere Träume verstehe ich sofort. Dass ich zum Beispiel meinen Vater verprügelte - nach Strich und Faden. Ich schlug auf ihn ein, bis er wimmerte wie ein kleiner Junge, ich griff ihm in die Augen und an die Kehle, und er bettelte, ich möge aufhören. Ich sagte ihm ziemlich mitleidlos, bis ich mit ihm fertig sein würde und er bekommen hätte, was er verdiente, könnte ich problemlos noch zwanzig Jahre so weitermachen. Ich war so rasend vor Wut, dass ich Angst vor mir selbst hatte, als ich wieder wach war.

Ach, und dann diese Chef-Träume. So rund, so positiv. Träume, in denen er mir gegenübersitzt und mich anlächelt, freundlich, zuvorkommend, ehrlich, und ich das Gefühl habe, dass alles, was ich jemals in Hinsicht auf diesen Job anfassen könnte, auch gelingen würde. Sein absolutes Wohlwollen, sein Respekt. Vollkommen untypische Träume für mich, geht doch üblicherweise im Traum oft eine Menge schief. Zumindest aber werde ich verfolgt, bedrängt, muss mich rechtfertigen... Nicht so hier. Ich halte das für ein gutes Zeichen.

Verstörend war dieser skurrile Traum, in dem ich (mal wieder) eine neue Wohnung suchte. Das Zimmer, das ich bezog, wurde mir von einer alten Dame vermietet und hatte keine richtigen Wände, es war vielmehr eine Art überdachte Terrasse und die Möbel, die zum "möblierten Zimmer" dazu gehörten, waren nur durch allerhand hoch- und runterklappbare Planen vor dem Regen geschützt. Eher schlecht als recht. Mein Vormieter war ein junger Mann, der noch seine Matratze raustrug, als ich kam. Die Dame stellte mir all die Dinge wieder in dieses Zimmer, die mein Vorgänger nicht hatte haben wollen, darunter ein gusseiserner, mit Holz zu heizender Ofen und ein eigenartiger Metalltisch, der mir als Schreibtisch dienen sollte. Auf die Planen tröpfelte der Regen, und unter den gemusterten, abgetretenen Teppichen knarzten Holzdielen, eine Zimmerpalme lehnte sich an die Wand. Es war feuchtkalt. Schnitt - aufgewacht. Und froh, zuhause zu sein. Das war nicht der erste Traum vom Um- und irgendwo Einziehen. Wenn ich in meinem Leben schon tatsächlich so oft Möbel geschleppt hätte wie in Träumen, dann hätte ich die stärksten Türsteherarme der Welt.

Der Weihnachtsfeier-Aufbereitungstraum war einer von den offensichtlichen. Während ich in Anwesenheit der gesamten Familie allein die Geschenke für die Kinder einpackte, warf mir mein Schwager vor, dass ich das nicht heimlich genug tat und laut fragte, was denn nun für wen sei. Woraufhin ich ihm einen von des Gatten Jonglierbällen mit voller Kraft gegen den Kopf schleuderte und ihm ins Gesicht brüllte, er könne ja sein wertes Hinterteil auch mal bewegen, wenn er es so viel besser könne. Ich glaube, ich habe gerade zu viel Testosteron im Blut... Dafür sprechen auch so einige andere Träume, die ich jetzt aber nicht auswalze.

Jedenfalls geht es drunter und drüber, und ich hätte nichts gegen eine Nacht ohne neues Analysematerial. Ich fühle mich vollkommen ausgelaugt und erschöpft. Mal einfach schlafen zu können, ohne zwischendurch aufzuwachen und von Körper und Geist nahtlos weiter beansprucht zu werden, das ist einer meiner größten Wünsche. Beinahe komme ich mir vor wie ein umtriebiges Bürgerfräulein um die Jahrhundertwende, dessen Angehörigen der Herr Doktor mit dem Zwicker auf der Nase verkündet: "Halten Sie jegliche Aufregung von ihr fern, sie ist nervlich überspannt...!" Warum das allerdings so ist, erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht träume ich ja die Lösung.

Meine Musik des Tages:
People In Planes - Better Than Life