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Dienstag, 30. März 2010
Fundstück, oder: Was wurde wohl aus Finchen?
Am 30. Mär 2010 im Topic 'Deckschrubben'
Brave Bürgerin, die ich nun einmal bin, kehrte ich frühlingspflichtgemäß vor Kurzem das letzte Laub vom Gehweg. Zu den Dingen, die sich außerdem noch in unserer störrischen Ligusterhecke verfingen, gehörten außer Eichenlaub auch Zellophan von Zigarettenschachteln, Kippen, Süßigkeitenpapier und an diesem Tag ein Stückchen Kinderliteratur, das der Wind aus einer Papiertonne in der Umgebung mitgenommen haben musste:
Der Einblick, den mir dieser Fetzen in die erzählte Geschichte gab, war auf den ersten Blick nicht besonders groß. Da ist offenbar eine kindliche Hauptperson mit Namen Finchen, die auf dem Wege ist, von ihrer Mutter am Ende des Tages ins Bett gesteckt zu werden.
Obwohl mir nur dieses eine Fragment in die Hände fiel, wurde ich aber doch schlauer. Nämlich im Bezug auf die, wenn auch charmant verpackten, Rollenvorstellungen, die für kleine Mädchen als passend erachtet werden.
Ich erfahre, dass Finchen gern malt, und das macht sie richtig ordentlich, so wie es sich gehört. Sie bricht keine Stifte ab, legt sie in der richtigen Reihenfolge zurück in die Schachtel, und vor allem, sie kritzelt nicht! Finchen malt Kutschen mit Prinzessinnen drin. Und dazu ein paar Soldaten, die die Kutsche eskortieren.
Irgendwann mal hat die Malerei, bei aller Ordnung, ein Ende, und Finchen muss ins Bett. Und da soll sie vor allem nicht zappeln. "Lieg still jetzt!" mahnt die Mutter. Weil sie ja eine ordentliche Mutter ist und sich kleine Mädchen das Still-Liegen nicht früh genug angewöhnen können.
Dann schließlich, kurz vor dem Einschlafen, sagt Finchen zu ihrer Mutter, dass sie mal Soldat werden wolle. Was ihre Mutter quittiert mit einem "Ich dachte, Du wolltest Balletttänzerin werden?" Was Finchen dann antwortete, darüber fehlt mir leider die Kenntnis. Aber angesichts der soldatischen Ordnung in ihrem Stiftekasten hätte Finchen sicher gute Voraussetzungen gehabt.
Wieso eigentlich, frage ich mich, heißt eine Hauptfigur Finchen? Was ist die unverniedlichte Form davon? Fiona, Finja, Philippa? Im englischen Original heißt das Mäd-chen immerhin noch Josie, nicht Josiely.
Rezensionen, die ich über die Bücherreihe las, lobten in den höchsten Tönen die Abbildung der kindlichen Realität durch die Autorin. Ein kleines, altersgemäß ein wenig egozentrisches Mädchen, das die Höhen und Tiefen eines typischen Mädchenlebens erlebt.
Aber was ist ein typisches Mädchenleben? Wann immer ich kleinen Mädchen begegne (was nicht so selten geschieht), bin ich entsetzt über das Ausmaß des zarten, rosafarbenen Prinzessinnentums. Ja ja, ich höre schon die empörten Elternstimmen... "Daran kann man nichts machen als Eltern, die sind so!" oder "Wenn sie's nicht zuhause lernen, dann spätestens im Kindergarten, da sind alle Mädchen so!" oder "Wieso, ist doch süß!" oder "Sie wollen das so, sie brauchen das so, sie sind eben Mädchen!" Jedesmal, wenn die Omas meinen Nichten zu irgendwelchen Festen Schminksets schenken, könnte ich schreien vor Entsetzen.
Klar hatte ich auch meine Barbiephase, so mit zwölf, dreizehn. Aber es war eine Phase, und ich lief mitnichten im zarten Alter von sieben Jahren fast täglich mit lackierten Nägeln und in rosa Rüschen herum. Mein Schulranzen war rot und hatte keine Glitzerprinzessin vorne drauf. Gestorben bin ich nicht daran.
Der mir zufällig zugewehte Fetzen Kinderliteratur ist wohl, verglichen mit all den Lilifees und Zauberprinzessinnen, den Ballettmädchen und Blütenelfen auf dem Spielzeug- und Lesemarkt noch eher harmlos, ja fast schon revolutionär. Schließlich will ja die Kleine immerhin mal fünf Minuten lang Soldat werden (wobei das in Sachen Berufswahl wohl nicht zwangsläufig ein Fortschritt ist). Es gibt die Biologisten, die in der Tat so argumentieren, dass sich Mädchen eben naturgegebenermaßen mehr für Brutpflegespielzeug, soziale Bindungen und für die eigene Attraktivität interessieren. Wieso also sollte man diese zarten, hübschen Geschöpfe mit Spielangeboten konfrontieren, die dieser Zuschreibung nicht entsprechen? Den Tag über schön ruhig malen (dabei aber bitte nicht über die Linien kritzeln) und abends im Bett nicht zappeln... Das zementiert, was manche Menschen als unverrückbare Rolle für Mädchen und Frauen postulieren.
So habe ich auch schon lernen dürfen, dass mein Neffe ein "richtiger Junge" ist. Er ist zwar erst anderthalb, aber er spielt schon jetzt viel lieber mit Autos. Kein Wunder, denn mit allem, was glitzert und funkelt sind ja schon seine beiden älteren Schwestern beschäftigt.
Lesebücher allein prägen zum Glück noch keinen Charakter. Spielzeug auch nicht. Dennoch ist eine starke Tendenz vorhanden, und es wird immer wieder eifrig gestritten, wie das denn nun eigentlich ist: Will das kleine Mädchen von Natur aus am liebsten eine Fee oder Prinzessin sein, oder will vielleicht der Spielzeugfabrizierer von Natur aus am liebsten nur immer mehr Glitzerzeug absetzen?
Ich habe letzte Weihnachten meinen Nichten auch Literatur geschenkt. Ronja Räubertochter. Damit sie lernen, dass kleine Mädchen nicht immer nur still und ordentlich und maximal vielleicht ein bisschen trotzig sein dürfen, sondern dass ein Mädchen fluchen darf wie ein Besenbinder, die eigenen Kräfte probieren, auf den Vater wütend sein und furchtlos durch Wälder klettern.
Wahrscheinlich ist auch die Auswirkung dieses Buches nicht allzu groß, und die Mädchen werden eben, was sie werden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Der Einblick, den mir dieser Fetzen in die erzählte Geschichte gab, war auf den ersten Blick nicht besonders groß. Da ist offenbar eine kindliche Hauptperson mit Namen Finchen, die auf dem Wege ist, von ihrer Mutter am Ende des Tages ins Bett gesteckt zu werden.
Obwohl mir nur dieses eine Fragment in die Hände fiel, wurde ich aber doch schlauer. Nämlich im Bezug auf die, wenn auch charmant verpackten, Rollenvorstellungen, die für kleine Mädchen als passend erachtet werden.
Ich erfahre, dass Finchen gern malt, und das macht sie richtig ordentlich, so wie es sich gehört. Sie bricht keine Stifte ab, legt sie in der richtigen Reihenfolge zurück in die Schachtel, und vor allem, sie kritzelt nicht! Finchen malt Kutschen mit Prinzessinnen drin. Und dazu ein paar Soldaten, die die Kutsche eskortieren.
Irgendwann mal hat die Malerei, bei aller Ordnung, ein Ende, und Finchen muss ins Bett. Und da soll sie vor allem nicht zappeln. "Lieg still jetzt!" mahnt die Mutter. Weil sie ja eine ordentliche Mutter ist und sich kleine Mädchen das Still-Liegen nicht früh genug angewöhnen können.
Dann schließlich, kurz vor dem Einschlafen, sagt Finchen zu ihrer Mutter, dass sie mal Soldat werden wolle. Was ihre Mutter quittiert mit einem "Ich dachte, Du wolltest Balletttänzerin werden?" Was Finchen dann antwortete, darüber fehlt mir leider die Kenntnis. Aber angesichts der soldatischen Ordnung in ihrem Stiftekasten hätte Finchen sicher gute Voraussetzungen gehabt.
Wieso eigentlich, frage ich mich, heißt eine Hauptfigur Finchen? Was ist die unverniedlichte Form davon? Fiona, Finja, Philippa? Im englischen Original heißt das Mäd-chen immerhin noch Josie, nicht Josiely.
Rezensionen, die ich über die Bücherreihe las, lobten in den höchsten Tönen die Abbildung der kindlichen Realität durch die Autorin. Ein kleines, altersgemäß ein wenig egozentrisches Mädchen, das die Höhen und Tiefen eines typischen Mädchenlebens erlebt.
Aber was ist ein typisches Mädchenleben? Wann immer ich kleinen Mädchen begegne (was nicht so selten geschieht), bin ich entsetzt über das Ausmaß des zarten, rosafarbenen Prinzessinnentums. Ja ja, ich höre schon die empörten Elternstimmen... "Daran kann man nichts machen als Eltern, die sind so!" oder "Wenn sie's nicht zuhause lernen, dann spätestens im Kindergarten, da sind alle Mädchen so!" oder "Wieso, ist doch süß!" oder "Sie wollen das so, sie brauchen das so, sie sind eben Mädchen!" Jedesmal, wenn die Omas meinen Nichten zu irgendwelchen Festen Schminksets schenken, könnte ich schreien vor Entsetzen.
Klar hatte ich auch meine Barbiephase, so mit zwölf, dreizehn. Aber es war eine Phase, und ich lief mitnichten im zarten Alter von sieben Jahren fast täglich mit lackierten Nägeln und in rosa Rüschen herum. Mein Schulranzen war rot und hatte keine Glitzerprinzessin vorne drauf. Gestorben bin ich nicht daran.
Der mir zufällig zugewehte Fetzen Kinderliteratur ist wohl, verglichen mit all den Lilifees und Zauberprinzessinnen, den Ballettmädchen und Blütenelfen auf dem Spielzeug- und Lesemarkt noch eher harmlos, ja fast schon revolutionär. Schließlich will ja die Kleine immerhin mal fünf Minuten lang Soldat werden (wobei das in Sachen Berufswahl wohl nicht zwangsläufig ein Fortschritt ist). Es gibt die Biologisten, die in der Tat so argumentieren, dass sich Mädchen eben naturgegebenermaßen mehr für Brutpflegespielzeug, soziale Bindungen und für die eigene Attraktivität interessieren. Wieso also sollte man diese zarten, hübschen Geschöpfe mit Spielangeboten konfrontieren, die dieser Zuschreibung nicht entsprechen? Den Tag über schön ruhig malen (dabei aber bitte nicht über die Linien kritzeln) und abends im Bett nicht zappeln... Das zementiert, was manche Menschen als unverrückbare Rolle für Mädchen und Frauen postulieren.
So habe ich auch schon lernen dürfen, dass mein Neffe ein "richtiger Junge" ist. Er ist zwar erst anderthalb, aber er spielt schon jetzt viel lieber mit Autos. Kein Wunder, denn mit allem, was glitzert und funkelt sind ja schon seine beiden älteren Schwestern beschäftigt.
Lesebücher allein prägen zum Glück noch keinen Charakter. Spielzeug auch nicht. Dennoch ist eine starke Tendenz vorhanden, und es wird immer wieder eifrig gestritten, wie das denn nun eigentlich ist: Will das kleine Mädchen von Natur aus am liebsten eine Fee oder Prinzessin sein, oder will vielleicht der Spielzeugfabrizierer von Natur aus am liebsten nur immer mehr Glitzerzeug absetzen?
Ich habe letzte Weihnachten meinen Nichten auch Literatur geschenkt. Ronja Räubertochter. Damit sie lernen, dass kleine Mädchen nicht immer nur still und ordentlich und maximal vielleicht ein bisschen trotzig sein dürfen, sondern dass ein Mädchen fluchen darf wie ein Besenbinder, die eigenen Kräfte probieren, auf den Vater wütend sein und furchtlos durch Wälder klettern.
Wahrscheinlich ist auch die Auswirkung dieses Buches nicht allzu groß, und die Mädchen werden eben, was sie werden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Bunte kleine Dinge II
Am 30. Mär 2010 im Topic 'Eingefangen'
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