Sturmflut
Samstag, 25. Dezember 2010
Uff...
Ja, ich weiß, Leute ohne Kinder sind selbstverständlich immer die besseren Eltern... Nur, dieses Mal war es wirklich ein hartes Stück Arbeit, Heiligabend und den ersten Feiertag hinter mich zu bringen.

Ich habe meine Nichten und Neffen wirklich gern. Die, die ich regelmäßig zu Gesicht bekomme, sind drei entzückende blonde Kinder, wie die Orgelpfeifen, die beiden Mädchen die älteren, der kleine Junge der Nachzügler. Sie sind pfiffig und intelligent, anschmiegsam und lieb und sehr, sehr lebhaft, wogegen ich nichts einzuwenden habe. Alle drei sind ohne den geringsten Zweifel Charakterköpfe und etwas ganz Besonderes.

Aber... Muss Papi den lieben Kleinen vormachen, dass man aus dem Sahnespender direkt in den Mund Sahne naschen darf? Darf sich Papi dann wundern, dass die lieben Kleinen das auch so machen und hinterher niemand mehr von der Sahne haben will? Wieso muss Oma den Lütten erlauben, die Kondensmilch direkt aus den Döschen zu schlürfen? Muss sich Mami wundern, dass sich Junior (2einhalb) auf die Klappe legt, als er auf dem Spielplatz, die Hände in einem Paar rutschiger Fausthandschuhe zur Unbeweglichkeit verdammt, versucht, am Kletternetz aufwärts zu klimmen? Und wenn dann Juniors Lippe blutet und der Zahn wackelt, ist es angebracht zu sagen "Hör auf zu heulen, sonst gibt es gleich gar nichts mehr?" Ist es irgendwie verwunderlich, dass sich die Mäuse ihre Teller randvoll packen und sie dann doch nicht leer essen, wenn ihnen bei jedem Mucks, den sie machen, gesagt wird: "Guck mal, willst Du nicht noch hiervon? Oder davon? Oder lieber das oder das?"

Der Lärmpegel der letzten zwei Tage lässt ein Rockkonzert wie eine Oase der Stille erscheinen. Die drei Geschwister (oder intensiver noch in Verpaarung mit ihren inzwischen ebenfalls drei Cousins/Cousinen) schaukeln sich kräftig aneinander auf. Streit ist vorprogrammiert, weil der andere garantiert das schönere Geschenk hat als man selbst. Sie waren nur mit Mühe davon abzuhalten, sämtliche unter dem Baum befindlichen Geschenke auf einmal aufzureißen, egal, ob sie für sie bestimmt waren oder für jemand anderen. Warten ist nicht. Beruhigen auch nicht (wobei ich mich auch nicht beruhigen könnte, wenn Papi, anstatt mich zu trösten und zu streicheln, Ablenkungsmanöver via Unfug probiert). Die schwiegerelterliche Wohnung war zeitweise erfüllt von dem wenig sonoren Dreiklang kindlichen Gebrülls, das sich nicht dadurch besänftigen ließ, dass meine Frau Schwägerin zunehmend genervt war. In solchen Momenten bin ich froh, Tante zu sein.

Ich mag meine Schwägerin sehr. Sie ist ein kreativer, fröhlicher und ehrlicher Mensch, mit dem sich wunderbar die Zeit verplaudern lässt, die aber auch genügend Tiefgang hat, um ernsthafteren Themen aufgeschlossen zu sein - ihren eigenen wie den meinen. Uns verbindet eine enge Freundschaft. Aber irgendwie hat sie manchmal keinen Plan. Ich möchte sie manchmal schütteln und sie fragen: "Warum drei Kinder? Warum noch ein Hund dazu? Warum tausend Baustellen gleichzeitig? Warum kein Terminkalender? Warum nicht mal ein deutliches "Stopp!!", wenn die Lage eskaliert?" Irgendwie brennt es bei ihr immer an allen Ecken und Enden. Heute war Waldbrand. Und Papi, im Grunde ein liebevoller solcher, wirkt der eigenen und der Überforderung der Ehegattin dadurch entgegen, dass er arbeitet wie ein Besessener, ihre Brandherde löscht und sich zur Bewältigung des Chaos im Regelfall gründlich einen hinter die Binde kippt. Nüchtern ist er eher seltener, und ich gebe zu, das ist für mich angesichts der Gesamtlage beinahe verständlich.

Für mich war's nur Weihnachten, ich kann mich aus meinem Tantendasein zurückziehen ins Leben eines typischen DINK-Pärchens, das sich um nichts zu kümmern hat als um das eigene Wohlergehen. Heute sage ich ganz frei von der völlereigeschädigten Leber weg: Zum Glück!!

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