Sturmflut
Freitag, 16. September 2011
Was ungesagt bleibt
Die Anonymität ist ein mächtiger Schutz, wenn man über persönliche Erlebnisse und Gefühle schreibt. Sie befreit, und daher lässt sich leichter die Wahrheit sagen.

Versieht man diese Wahrheiten mit einem Namen, dann wandeln sie sich. In üble Nachrede, Verleumdung, Beleidigung, in Missverständnisse und Rachefeldzüge. Ein Name stellt Öffentlichkeit her, wenn in den Augen anderer manches besser hinter Türen verschlossen bliebe. Mein Finger zeigte plötzlich auf die Stirnen konkreter Personen, ich sage "Du mieses Schwein!" oder "Ihr wart keine guten Eltern!" oder "Ich könnte Dich an die Wand nageln!" Mein Privatleben ein Waschsalon für schmutzige Wäsche.

Ich würde gern zu mir stehen, mein Gesicht aufrecht in die Welt halten, ich würde gern frei von der Leber weg sagen, wie wütend ich wirklich bin, wie sehr ich manche Charakterschwächen bestimmter Personen verabscheue, wer mich verletzt hat und was sich hinter Fassaden so abspielt. Ich bekam die Einladung, das zu tun - unter Nennung meines Namens. Aber dafür bin ich zu feige. Die Kämpfe, die dann folgen würden, will ich nicht ausfechten. Ich will mir nicht das Beleidigtsein, die Verletztheit anderer zusätzlich zu allem anderen in meinen Rucksack packen. Ich will mich nicht rechtfertigen müssen für das, was ich sage. Mir nicht unterstellen lassen, schuld zu sein an Problemen anderer, die meine Offenheit verursachen könnte.

Ich habe die Wahl: Ehrlich sein oder meinen Namen nennen. Ich bin lieber ehrlich.

Vielleicht kommt irgendwann eine Zeit, in der beides geht.

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