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Mittwoch, 27. August 2014
Die Rückkehr der... ähm... wie bitte?
Am 27. Aug 2014 im Topic 'Deckschrubben'
Schon mal etwas gehört von den sogenannten "Pick Up Artists"? Klingt ein bisschen wie Varieté, und stimmt, ist es eigentlich auch. Nämlich ein Riesentheater, das manche Männer inszenieren, um Frauen abzuschleppen und schließlich (was auch sonst) Sex mit ihnen zu haben.
Ich erinnerte mich mal wieder an diese eigenartige "Verführungs"-Community, als ich in einem Artikel von Journelle den Terminus "cost per orgasm" wiederfand. Der Begriff umschreibt die rein ökonomische Rechnung, wie viel Investition ein Mann tätigen muss, um bei einer Frau zum Stich mit Happy End zu kommen. In die Rechnung mit einbezogen werden alle ausgegebenen Drinks und Abendessen, Einladungen ins Kino, Geschenke und anderer Killefitt. Wem das jetzt bereits eigenartig antiquiert vorkommt, der liegt nicht ganz daneben.
Die Männer besagter Community streben es an, sogenannte Alphas zu werden oder sehen sich selbst bereits so. Wieder fühlt man sich wie im Zirkus - da wird sich auf die Brust getrommelt, was das Zeug hält, und im Zentrum der Bemühungen, die mit allerhand lustigen Abkürzungen aus dem Englischen umschrieben werden, steht der "Close", also der Abschluss. Ehrlich gesagt, wann immer ich etwas darüber im Netz lese, komme ich mir vor, als sei ich inmitten einer Gruppe Pennäler gelandet. Wäre es nicht gleichzeitig auch noch sexistisch, wäre es glatt witzig - auf der Ebene einer soziologischen Feldforschungsstudie.
Schon allein die Klassifizierung, die die Männer bei ihren auserkorenen Zielen vornehmen, ist einfach hochgradig albern. Frauen werden anhand ihrer Attraktivität mit Schulnoten ausgestattet, aber auch als selbstbewusst oder weniger selbstbewusst eingestuft. Es fehlt eigentlich nur noch die kleine Geheimkladde, in der Jessica, Nadine und Maria mitsamt ihrer Bewertung eingetragen werden.
Mir fällt es enorm schwer zu glauben, dass es tatsächlich Frauen gibt, die die Unechtheit dieser vermeintlich so wirkungsvollen Aufreißstrategien nicht durchschauen und naiverweise glauben, sie hätten den Glücksgriff ihres Lebens getan. Aber auch der Aufwand, den die Männer betreiben, um sich das Image eines "echten, maskulinen Mannes" zu geben, wirkt vollkommen lächerlich auf mich.
"Körperliche Kraft ist der Kernpunkt dessen, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Ohne Körperkraft unterscheiden sich Männer nicht so sehr von Frauen. Obwohl es viele weitere Vorzüge von Männlichkeit gibt, zum Beispiel Entschlusskraft und mentale Standhaftigkeit, leiten sich doch die meisten davon aus der physischen Verkörperung von Kraft ab."
Dies die Begründung auf einer amerikanischen Seite dafür, warum es für Männer unabdingbar sei, Gewichte zu stemmen, und das bitte regelmäßig. (Die beiden anderen Tipps für gute, männliche Ausstrahlung und damit den Weg zum "Alpha" lauteten, regelmäßig Frauen anzusprechen, um das zur Gewohnheit zu machen sowie - Tusch! - Bücher zu lesen.)
Man bekommt anhand dieses Zitates einen ziemlich guten Eindruck davon, welchem Rollenverständnis die (werdenden) Pick-Up-Artists anhängen. Die Frauen sind hier nurmehr das Spielzeug, das man auch mit zweifelhaften Methoden wie dem Neurolinguistischen Programmieren dahin manipulieren darf, sich genau so zu verhalten, wie man es will. Ziel ist meistens, die Frau mit gespreizten Beinen auf dem Laken vor sich liegen zu haben. Dann sollte sie es außerdem nicht wagen, sich zu beschweren, wenn man sich nicht an ihren, sondern lediglich an den eigenen Bedürfnissen orientiert. Don't apologize! lautet der Rat für alle, die sich Sorgen darüber machen, wie es der erlegten Frau wohl ergehen mag. Nicht entschuldigen, für gar nichts.
Das Strategiegespinst, das sich damit befasst, "Signale" richtig zu deuten, Frauen von ihrer Gruppe zu isolieren, sie sich zurechtzulegen und sie in die gewünschte Richtung zu treiben wie ein Stück Wild (nicht umsonst heißt der ganze Vorgang irrerweise "game"), ist natürlich ein ausgezeichneter Schutz vor Ablehnung.
Man könnte Frauen ja auch einfach fragen, ob sie Sex wollen. Statt dessen gibt es diese ausgeklügelten, mit Pseudo-Fachtermini versehenen Programme. Es ist einfacher, den gesamten Vorgang der männlich-weiblichen Annäherung (ganz gleich, ob zum Zweck des Geschlechtsverkehrs oder einer Beziehung) zu versachlichen. Die entsprechenden "Artisten" schaffen Distanz zu den eigenen Gefühlen der Angst vor Zurückweisung, zu Schmerz und Enttäuschung. Emotional wird gar nicht erst investiert, denn dann kann man, für den Fall, dass es schiefgeht, die Frau als Nichtmensch, als Übungsobjekt, als Error-Variante aussortieren und sich sagen, man müsse lediglich die eigene Technik verfeinern. Ein ordentlicher Schuss Biologismus tut ein Übriges, denn dann hat man ein pseudowissenschaftliches Gerüst, an das man sich klammern kann, wenn gar nichts mehr geht.
Ein solches Verhalten hat in meinen Augen so rein gar nichts von wirklichem Selbstbewusstsein, auch wenn die Strategen des PUA-Sektors das immer wieder betonen. Im Gegenteil. Der Gesamteindruck ist der einer Horde kleiner Jungs, die eine Methode gefunden haben, auf keinen Fall berührt und verletzt zu werden.
Eine Website nennt sich "Return of Kings". Ich las das und dachte nur: "Rückkehr der Könige? Bitte?" Jemand, der von sich das Selbstverständnis eines Königs hat, sieht sich immer als Herrscher. Zu sagen, man sei ein König, impliziert auch gleich die Untertanen mit. Wer das in diesem Fall sein soll, darüber braucht man nicht zu spekulieren. Jemanden zum Untertan haben zu wollen, setzt meiner Auffassung nach ein gewaltiges Defizit an Selbstwertgefühl voraus.
Zurückkehren zu wollen als Könige, das klingt so wunderbar nach dem Fantasy-Rollenspiel, das es eigentlich auch ist. Irgendwann waren diese Personen einmal keine Könige, haben sich aber geschworen, niemals mehr klein und unbedeutend zu sein. Daraus machen sie aber auch keinen Hehl. Der Alpha-Mann will dominieren.
Eigenartigerweise wird als Idealbeute die Frau mit dem hohen Selbstwertgefühl gepriesen. Solche mit niedrigem solle man lieber meiden. Aber welche Frau, die ein halbwegs stabiles Selbstwertgefühl hat, lässt sich mit einem Mann ein, der sie der Taktik halber auch gern mal von sich stößt, ihr fiese Sprüche um die Ohren haut und sich sicher ist, dass sie hinterher trotzdem angekrochen kommt, weil ihn genau dieses Verhalten ja ach so attraktiv macht? Die Riesenmacke klebt so einem Typen doch schon als Etikett auf der Stirn. Lässt sie sich tatsächlich auf ihn ein, dann kann von gesundem Selbstwertgefühl wohl kaum die Rede sein. Ich schätze, da lügen sich die Aufreiß-Künstler gewaltig in die Tasche, und das Motto lautet: "Ich will keine wollen, die es nötig hat!" Ein schwaches Weibchen bedeutet von vornherein keine Stärkung für das eigene Ego. In diesem Punkt sehr entlarvend.
Ziel des Spiels dieser neuen "Könige" ist es, sich die wunden Punkte ihrer Mitmenschen herauszusuchen und diese für sich auszunutzen, um ihr eigenes Selbstbild zu polieren. Letztlich geht es um Kontrolle, Regelung, Distanz und darum, die Fäden um jeden Preis in der Hand zu behalten. Es geht nicht einmal um Sex, allenfalls um das Führen einer Strichliste, die zum Aufbau eines Trugbildes über die eigene Beschaffenheit dienlich sein kann.
Eine Anmaßung ist, dass die Künstler-Community für sich in Anspruch nimmt, die Bedürfnisse, Verhaltensweisen und die vermeintliche Natur der Frauen bestens zu kennen und stets richtig zu interpretieren. Natürlich auch deren Unbewusstes - vor allem das.
Interessant war da beispielsweise ein kleiner Einblick in ein Forum (zu mehr reichte es nicht, weil mir schlecht wurde). Dort schilderte ein junger Mann seine Begegnung mit einer sieben Jahre älteren Frau und ihre Reaktionen auf seine Annäherungsversuche. Letztere erschienen mir beim Lesen ziemlich harmlos, aber die Interpretation der anderen Forenmitglieder fiel anders aus. Da war alles dabei von einem recht unbefangenen "Natürlich solltest du es weiter versuchen!" bis hin zu "Welche Signale willst du noch, Junge? Die Alte will flachgelegt werden!"
In dieser konstruierten Realität ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass die beteiligten selbsternannten Aufreißhelden ständig Interpretationshilfe von ihren Artgenossen benötigen, dann aber offensichtlich meilenweit am Ziel vorbeischießen. Kann auch nicht anders sein, weil sie die Person, der sie da begegnen, überhaupt nicht wahrnehmen. Alles nur "game".
Besonders sticht mir an dem Selbstverständnis dieser Männer aber ins Auge, dass sie sich als Opfer des Feminismus betrachten. Das Bild des zu seinem eigenen Leidwesen domestizierten, von Frauen zurechtgestutzten Mannes, dem nicht mehr erlaubt wird, seine wahre Natur zu leben, geistert ja allenthalben durch die Medien, nicht nur in Pick-Up-Artist-Kreisen. Mancher sieht sich zum Versorger degradiert, der den unverschämten Ansprüchen seiner Frau genügen soll und froh sein kann, wenn sie ihm einmal im Monat zugesteht, mit ihr zu schlafen. In Wirklichkeit stecken natürlich in all diesen Männern ultramaskuline Barbarentypen, die theoretisch mit dem richtigen Werkzeug lernen könnten, sich den natürlichen Platz in der Hierarchie zurückzuerobern. Die Rückkehr der Möchtegernkönige ist also auch der Wunschtraum von Rache für eine als Demütigung erlebte gesellschaftliche Entwicklung.
Vom Feminismus kann natürlich jeder halten, was er mag. Ich selbst bin mir noch immer nicht sicher, ob es so etwas wie den Feminismus überhaupt gibt. Worüber ich mir aber sicher bin ist, dass es selbstverständlich Frauen gibt, die sich von ihren Männern aushalten und versorgen lassen, die sie ausnutzen und sie allenfalls ab und an mit Sex für das bezahlen, was sie erhalten. Sicher gibt es Frauen (vielleicht sogar viele), die Vätern ihre Kinder entziehen und entfremden. Ich bin sogar felsenfest davon überzeugt, dass sich Sexismus in unserer Gesellschaft beileibe nicht nur gegen Frauen richtet, sondern in massivem Umfang auch gegen Männer.
Nur hat man noch keine Lösung eines Problems dadurch erreicht, dass man darüber gestritten hat, wer das rechtmäßigere Opfer ist. Die Ideologie der Pick Up Artists und ferner der Maskulinisten steigt aber genau an dem Punkt ein. Ihre Anhänger verstehen sich als Opfer einer geheimnisvollen Frauenmacht, der es über lange Zeit und in großem Umfang gelang, ihr Selbstbild als Männer zu schmälern.
Nun soll der große Backlash die Erlösung bringen, auch mit Gewalt. Der Rückzug auf die eigene "maskuline" Stärke und Dominanz soll den Frauen zeigen, was sie eigentlich sind. Keine Menschen, lediglich Objekte. Niemand, zu dem es sich lohnt, eine Beziehung herzustellen. Wenn es hochkommt, vielleicht noch Brutkästen für den eigenen Nachwuchs. Vor allem Erfüllungsautomaten für die als natürliches Grundrecht betrachteten eigenen körperlichen und vor allem psychischen Bedürfnisse.
Auf einer solchen Basis funktioniert selbstverständlich kein Verstehen, keine Beziehung und keine Liebe zwischen Menschen. Es mangelt an Respekt, und das macht auch Problemlösungen unmöglich. Der Pick Up Artist bleibt mit sich und seinem verschrobenen Geschlechterbild zwangsläufig in der Kälte allein. Das alles müsste niemanden kümmern, man könnte sogar drüber lachen. Er könnte in seinem Biotop gern weiter einfach um sich selbst kreisen.
Aber diese lächerlichen, kleinen Jungs, die sich so sehr vor Zurückweisung fürchten, sind möglicherweise irgendwann diejenigen mit der Waffe in der Hand oder die, die Gesetze machen, oder die, die vergewaltigen. Das ist gefährlich. Es gibt bereits genug Männer, die aus Angst vor Nichtbeachtung und Kränkung diejenigen kontrollieren und demütigen, denen sie eigentlich nah sein möchten.
Ich habe mal gelesen (aus konservativen Kreisen, wie ich mich zu erinnern meine), dass es eben die ureigenste Aufgabe der Frauen sei, den Bedürfnissen der Männer so weit entgegen zu kommen, dass niemand sich gekränkt fühlen müsse. Am besten sämtliche Wünsche bereits im Vorfeld erahnen, erraten, erfühlen, sich darin schulen.
Aber was bitte ist so ultra-maskulin daran, sich von jedem winzigen Fliegenschiss gekränkt zu fühlen? Nur, wer mit einem übergroßen Anspruchdenken dem Leben gegenüber aufwächst, das ihn glauben lässt, er hätte ein Recht auf stets optimale körperliche und seelische Versorgung, fühlt sich durch die schon statistisch völlig wahrscheinliche Ablehnung durch andere so erschüttert, dass er dermaßen überkompensieren muss.
Das Leben ist nicht immer nett. Lebt damit. Setzt Euch in die Ecke und weint eine Runde oder zwei darüber, so richtig und von Herzen. Aber lasst den Rest der Welt mit Eurem Herrschaftsdenken in Ruhe.
Anmerkung:
Bewusst habe ich hier keine Links zu den besagten Seiten gesetzt. Wer über das Thema etwas erfahren will, kommt über die gängigen Suchmaschinen mit den entsprechenden Stichworten ganz flott zu umfangreichen Ergebnissen.
Ich erinnerte mich mal wieder an diese eigenartige "Verführungs"-Community, als ich in einem Artikel von Journelle den Terminus "cost per orgasm" wiederfand. Der Begriff umschreibt die rein ökonomische Rechnung, wie viel Investition ein Mann tätigen muss, um bei einer Frau zum Stich mit Happy End zu kommen. In die Rechnung mit einbezogen werden alle ausgegebenen Drinks und Abendessen, Einladungen ins Kino, Geschenke und anderer Killefitt. Wem das jetzt bereits eigenartig antiquiert vorkommt, der liegt nicht ganz daneben.
Die Männer besagter Community streben es an, sogenannte Alphas zu werden oder sehen sich selbst bereits so. Wieder fühlt man sich wie im Zirkus - da wird sich auf die Brust getrommelt, was das Zeug hält, und im Zentrum der Bemühungen, die mit allerhand lustigen Abkürzungen aus dem Englischen umschrieben werden, steht der "Close", also der Abschluss. Ehrlich gesagt, wann immer ich etwas darüber im Netz lese, komme ich mir vor, als sei ich inmitten einer Gruppe Pennäler gelandet. Wäre es nicht gleichzeitig auch noch sexistisch, wäre es glatt witzig - auf der Ebene einer soziologischen Feldforschungsstudie.
Schon allein die Klassifizierung, die die Männer bei ihren auserkorenen Zielen vornehmen, ist einfach hochgradig albern. Frauen werden anhand ihrer Attraktivität mit Schulnoten ausgestattet, aber auch als selbstbewusst oder weniger selbstbewusst eingestuft. Es fehlt eigentlich nur noch die kleine Geheimkladde, in der Jessica, Nadine und Maria mitsamt ihrer Bewertung eingetragen werden.
Mir fällt es enorm schwer zu glauben, dass es tatsächlich Frauen gibt, die die Unechtheit dieser vermeintlich so wirkungsvollen Aufreißstrategien nicht durchschauen und naiverweise glauben, sie hätten den Glücksgriff ihres Lebens getan. Aber auch der Aufwand, den die Männer betreiben, um sich das Image eines "echten, maskulinen Mannes" zu geben, wirkt vollkommen lächerlich auf mich.
"Körperliche Kraft ist der Kernpunkt dessen, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Ohne Körperkraft unterscheiden sich Männer nicht so sehr von Frauen. Obwohl es viele weitere Vorzüge von Männlichkeit gibt, zum Beispiel Entschlusskraft und mentale Standhaftigkeit, leiten sich doch die meisten davon aus der physischen Verkörperung von Kraft ab."
Dies die Begründung auf einer amerikanischen Seite dafür, warum es für Männer unabdingbar sei, Gewichte zu stemmen, und das bitte regelmäßig. (Die beiden anderen Tipps für gute, männliche Ausstrahlung und damit den Weg zum "Alpha" lauteten, regelmäßig Frauen anzusprechen, um das zur Gewohnheit zu machen sowie - Tusch! - Bücher zu lesen.)
Man bekommt anhand dieses Zitates einen ziemlich guten Eindruck davon, welchem Rollenverständnis die (werdenden) Pick-Up-Artists anhängen. Die Frauen sind hier nurmehr das Spielzeug, das man auch mit zweifelhaften Methoden wie dem Neurolinguistischen Programmieren dahin manipulieren darf, sich genau so zu verhalten, wie man es will. Ziel ist meistens, die Frau mit gespreizten Beinen auf dem Laken vor sich liegen zu haben. Dann sollte sie es außerdem nicht wagen, sich zu beschweren, wenn man sich nicht an ihren, sondern lediglich an den eigenen Bedürfnissen orientiert. Don't apologize! lautet der Rat für alle, die sich Sorgen darüber machen, wie es der erlegten Frau wohl ergehen mag. Nicht entschuldigen, für gar nichts.
Das Strategiegespinst, das sich damit befasst, "Signale" richtig zu deuten, Frauen von ihrer Gruppe zu isolieren, sie sich zurechtzulegen und sie in die gewünschte Richtung zu treiben wie ein Stück Wild (nicht umsonst heißt der ganze Vorgang irrerweise "game"), ist natürlich ein ausgezeichneter Schutz vor Ablehnung.
Man könnte Frauen ja auch einfach fragen, ob sie Sex wollen. Statt dessen gibt es diese ausgeklügelten, mit Pseudo-Fachtermini versehenen Programme. Es ist einfacher, den gesamten Vorgang der männlich-weiblichen Annäherung (ganz gleich, ob zum Zweck des Geschlechtsverkehrs oder einer Beziehung) zu versachlichen. Die entsprechenden "Artisten" schaffen Distanz zu den eigenen Gefühlen der Angst vor Zurückweisung, zu Schmerz und Enttäuschung. Emotional wird gar nicht erst investiert, denn dann kann man, für den Fall, dass es schiefgeht, die Frau als Nichtmensch, als Übungsobjekt, als Error-Variante aussortieren und sich sagen, man müsse lediglich die eigene Technik verfeinern. Ein ordentlicher Schuss Biologismus tut ein Übriges, denn dann hat man ein pseudowissenschaftliches Gerüst, an das man sich klammern kann, wenn gar nichts mehr geht.
Ein solches Verhalten hat in meinen Augen so rein gar nichts von wirklichem Selbstbewusstsein, auch wenn die Strategen des PUA-Sektors das immer wieder betonen. Im Gegenteil. Der Gesamteindruck ist der einer Horde kleiner Jungs, die eine Methode gefunden haben, auf keinen Fall berührt und verletzt zu werden.
Eine Website nennt sich "Return of Kings". Ich las das und dachte nur: "Rückkehr der Könige? Bitte?" Jemand, der von sich das Selbstverständnis eines Königs hat, sieht sich immer als Herrscher. Zu sagen, man sei ein König, impliziert auch gleich die Untertanen mit. Wer das in diesem Fall sein soll, darüber braucht man nicht zu spekulieren. Jemanden zum Untertan haben zu wollen, setzt meiner Auffassung nach ein gewaltiges Defizit an Selbstwertgefühl voraus.
Zurückkehren zu wollen als Könige, das klingt so wunderbar nach dem Fantasy-Rollenspiel, das es eigentlich auch ist. Irgendwann waren diese Personen einmal keine Könige, haben sich aber geschworen, niemals mehr klein und unbedeutend zu sein. Daraus machen sie aber auch keinen Hehl. Der Alpha-Mann will dominieren.
Eigenartigerweise wird als Idealbeute die Frau mit dem hohen Selbstwertgefühl gepriesen. Solche mit niedrigem solle man lieber meiden. Aber welche Frau, die ein halbwegs stabiles Selbstwertgefühl hat, lässt sich mit einem Mann ein, der sie der Taktik halber auch gern mal von sich stößt, ihr fiese Sprüche um die Ohren haut und sich sicher ist, dass sie hinterher trotzdem angekrochen kommt, weil ihn genau dieses Verhalten ja ach so attraktiv macht? Die Riesenmacke klebt so einem Typen doch schon als Etikett auf der Stirn. Lässt sie sich tatsächlich auf ihn ein, dann kann von gesundem Selbstwertgefühl wohl kaum die Rede sein. Ich schätze, da lügen sich die Aufreiß-Künstler gewaltig in die Tasche, und das Motto lautet: "Ich will keine wollen, die es nötig hat!" Ein schwaches Weibchen bedeutet von vornherein keine Stärkung für das eigene Ego. In diesem Punkt sehr entlarvend.
Ziel des Spiels dieser neuen "Könige" ist es, sich die wunden Punkte ihrer Mitmenschen herauszusuchen und diese für sich auszunutzen, um ihr eigenes Selbstbild zu polieren. Letztlich geht es um Kontrolle, Regelung, Distanz und darum, die Fäden um jeden Preis in der Hand zu behalten. Es geht nicht einmal um Sex, allenfalls um das Führen einer Strichliste, die zum Aufbau eines Trugbildes über die eigene Beschaffenheit dienlich sein kann.
Eine Anmaßung ist, dass die Künstler-Community für sich in Anspruch nimmt, die Bedürfnisse, Verhaltensweisen und die vermeintliche Natur der Frauen bestens zu kennen und stets richtig zu interpretieren. Natürlich auch deren Unbewusstes - vor allem das.
Interessant war da beispielsweise ein kleiner Einblick in ein Forum (zu mehr reichte es nicht, weil mir schlecht wurde). Dort schilderte ein junger Mann seine Begegnung mit einer sieben Jahre älteren Frau und ihre Reaktionen auf seine Annäherungsversuche. Letztere erschienen mir beim Lesen ziemlich harmlos, aber die Interpretation der anderen Forenmitglieder fiel anders aus. Da war alles dabei von einem recht unbefangenen "Natürlich solltest du es weiter versuchen!" bis hin zu "Welche Signale willst du noch, Junge? Die Alte will flachgelegt werden!"
In dieser konstruierten Realität ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass die beteiligten selbsternannten Aufreißhelden ständig Interpretationshilfe von ihren Artgenossen benötigen, dann aber offensichtlich meilenweit am Ziel vorbeischießen. Kann auch nicht anders sein, weil sie die Person, der sie da begegnen, überhaupt nicht wahrnehmen. Alles nur "game".
Besonders sticht mir an dem Selbstverständnis dieser Männer aber ins Auge, dass sie sich als Opfer des Feminismus betrachten. Das Bild des zu seinem eigenen Leidwesen domestizierten, von Frauen zurechtgestutzten Mannes, dem nicht mehr erlaubt wird, seine wahre Natur zu leben, geistert ja allenthalben durch die Medien, nicht nur in Pick-Up-Artist-Kreisen. Mancher sieht sich zum Versorger degradiert, der den unverschämten Ansprüchen seiner Frau genügen soll und froh sein kann, wenn sie ihm einmal im Monat zugesteht, mit ihr zu schlafen. In Wirklichkeit stecken natürlich in all diesen Männern ultramaskuline Barbarentypen, die theoretisch mit dem richtigen Werkzeug lernen könnten, sich den natürlichen Platz in der Hierarchie zurückzuerobern. Die Rückkehr der Möchtegernkönige ist also auch der Wunschtraum von Rache für eine als Demütigung erlebte gesellschaftliche Entwicklung.
Vom Feminismus kann natürlich jeder halten, was er mag. Ich selbst bin mir noch immer nicht sicher, ob es so etwas wie den Feminismus überhaupt gibt. Worüber ich mir aber sicher bin ist, dass es selbstverständlich Frauen gibt, die sich von ihren Männern aushalten und versorgen lassen, die sie ausnutzen und sie allenfalls ab und an mit Sex für das bezahlen, was sie erhalten. Sicher gibt es Frauen (vielleicht sogar viele), die Vätern ihre Kinder entziehen und entfremden. Ich bin sogar felsenfest davon überzeugt, dass sich Sexismus in unserer Gesellschaft beileibe nicht nur gegen Frauen richtet, sondern in massivem Umfang auch gegen Männer.
Nur hat man noch keine Lösung eines Problems dadurch erreicht, dass man darüber gestritten hat, wer das rechtmäßigere Opfer ist. Die Ideologie der Pick Up Artists und ferner der Maskulinisten steigt aber genau an dem Punkt ein. Ihre Anhänger verstehen sich als Opfer einer geheimnisvollen Frauenmacht, der es über lange Zeit und in großem Umfang gelang, ihr Selbstbild als Männer zu schmälern.
Nun soll der große Backlash die Erlösung bringen, auch mit Gewalt. Der Rückzug auf die eigene "maskuline" Stärke und Dominanz soll den Frauen zeigen, was sie eigentlich sind. Keine Menschen, lediglich Objekte. Niemand, zu dem es sich lohnt, eine Beziehung herzustellen. Wenn es hochkommt, vielleicht noch Brutkästen für den eigenen Nachwuchs. Vor allem Erfüllungsautomaten für die als natürliches Grundrecht betrachteten eigenen körperlichen und vor allem psychischen Bedürfnisse.
Auf einer solchen Basis funktioniert selbstverständlich kein Verstehen, keine Beziehung und keine Liebe zwischen Menschen. Es mangelt an Respekt, und das macht auch Problemlösungen unmöglich. Der Pick Up Artist bleibt mit sich und seinem verschrobenen Geschlechterbild zwangsläufig in der Kälte allein. Das alles müsste niemanden kümmern, man könnte sogar drüber lachen. Er könnte in seinem Biotop gern weiter einfach um sich selbst kreisen.
Aber diese lächerlichen, kleinen Jungs, die sich so sehr vor Zurückweisung fürchten, sind möglicherweise irgendwann diejenigen mit der Waffe in der Hand oder die, die Gesetze machen, oder die, die vergewaltigen. Das ist gefährlich. Es gibt bereits genug Männer, die aus Angst vor Nichtbeachtung und Kränkung diejenigen kontrollieren und demütigen, denen sie eigentlich nah sein möchten.
Ich habe mal gelesen (aus konservativen Kreisen, wie ich mich zu erinnern meine), dass es eben die ureigenste Aufgabe der Frauen sei, den Bedürfnissen der Männer so weit entgegen zu kommen, dass niemand sich gekränkt fühlen müsse. Am besten sämtliche Wünsche bereits im Vorfeld erahnen, erraten, erfühlen, sich darin schulen.
Aber was bitte ist so ultra-maskulin daran, sich von jedem winzigen Fliegenschiss gekränkt zu fühlen? Nur, wer mit einem übergroßen Anspruchdenken dem Leben gegenüber aufwächst, das ihn glauben lässt, er hätte ein Recht auf stets optimale körperliche und seelische Versorgung, fühlt sich durch die schon statistisch völlig wahrscheinliche Ablehnung durch andere so erschüttert, dass er dermaßen überkompensieren muss.
Das Leben ist nicht immer nett. Lebt damit. Setzt Euch in die Ecke und weint eine Runde oder zwei darüber, so richtig und von Herzen. Aber lasst den Rest der Welt mit Eurem Herrschaftsdenken in Ruhe.
Anmerkung:
Bewusst habe ich hier keine Links zu den besagten Seiten gesetzt. Wer über das Thema etwas erfahren will, kommt über die gängigen Suchmaschinen mit den entsprechenden Stichworten ganz flott zu umfangreichen Ergebnissen.
... früher