Sturmflut
Vollkommen inakzeptabel
Ich bin zwar halbwegs fit in Sachen Computer. Doch als gestern dann schließlich meine Platte voll war, fragte ich mich, wie das denn wohl sein könne und was zum Henker dort so viel Platz beansprucht. Nach einem Nachmittag, auf den ich mich sehr gefreut hatte und den ich eigentlich mit Basteleien verbringen wollte, war ich am Ende doch ziemlich genervt von allerhand Problemen, die dem genussvollen Werkeln in die Quere kamen und einfach keinen Spaß machten. Derart frustriert ging ich irgendwann zum Gatten hinunter und fragte ihn wegen der Platte.

"Ja, was hast Du denn da drauf, dass 40 Gig einfach so voll sind?", fragte er mich.

Ich habe ziemlich hochaufgelöste Scans gemacht. Ich habe da einiges an rohen Bildern herumliegen. Aber ob es daran lag, wusste ich nicht. Ich konnte ihm keine Antwort geben. Außer "Das weiß ich nicht!"

Damit fing das Drama an.

"Das weiß ich nicht!" ist die Antwort, die ich auf keinen Fall geben darf. Nicht wegen des Gatten oder seines eventuell dünnen Geduldsfadens. Nicht, weil ihn das irgendwie nerven würde. Es hat mit dem Gatten gar nichts zu tun. Es ist die Vergangenheit, deren eiskalter Griff sich um meine Knöchel schließt und mich unter Wasser zieht.

"Wer nicht fragt, bleibt dumm!", hieß es mal im Vorspann einer Kindersendung. Ich habe das anders verinnerlicht. "Wer fragt, ist dumm!", heißt es in meinem ganz persönlichen Programm. Das allerbeste: Gar nicht erst fragen. Sonst prasselt auf mich ein: "Wieso weißt Du das nicht? Das solltest Du aber wissen. Meine Güte, bist Du blöd!" Wenn man fragen muss, dann ganz vorsichtig. Nett. Auf keinen Fall, ohne alle verfügbaren Informationen mitzuliefern, die man schon hat.

Was da abläuft, ist gnadenlos. Es fühlt sich an, als drückte mich ein gigantischer Daumen unangespitzt in den Erdboden. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Duweißtesnicht. Was soll das heißen, Duweißtesnicht? Wieso nicht? MannbistDudumm! Dumm, dumm, dumm, dumm, dumm! Du bist dumm!!

Ich bin wieder ein kleines Kind, dem man das sagen kann. Die innere Stimme, die da auf mich einprügelt, die mir die Tränen in die Augen treibt und mich mit herabgesunkenen Händen stehen lässt, die ist nicht von heute, die ist bar jeder Vernunft, wider jedes bessere Wissen. Ich weiß, dass ich nicht dumm bin. Aber das da, das ist so tief in mir, das ist eingeschrieben wie eine Tätowierung. Wie kann es sein, dass es mich so eiskalt erwischt? Wie ein Schlüsselreiz für einen dressierten Hund.

"Keiner kann alles wissen. Wir kriegen das schon wieder hin!", sagt mein Mann liebevoll. Und bekommt von mir nur zur Antwort: "Ich bin so ein dummes Huhn!" Kein Wunder, dass auch er sich mit hängenden Händen stehengelassen fühlt.