Das Auge des Betrachters
Am 18. Nov 2011 im Topic 'Hoch- und Niedrigwasser'
Ich stieß gestern beim Stöbern in einem Fotografie-Blog auf den Namen Sally Mann. Ich folgte der Verlinkung auf die Seite der Fotografin und stöberte in ihren Bildern.
Was ich sah, fand ich auf eine seltsam ästhetische Art verstörend. Menschen in Schwarzweiß, die irgendwie inszeniert wirken und zugleich so, als sei die Fotografin nach einer Autopanne in einen Ort verschlagen worden, in dem schon seit Jahrzehnten lediglich inzestuöse Verbindungen bestehen und deren Bewohner sich aus seiner abgeschlossenen Existenz lange Zeit nicht mehr herausbewegt haben. Mit ein wenig mehr Zuckerguss und etwas weniger hervorstehenden Rippen hätte das alles auch als Reklame für skandinavische Mode herhalten können. Aber dafür taugen die Bilder eben doch nicht. Dazu sind sie zu wenig unbefangen. Die Abgebildeten blicken in die Kamera, als seien sie provoziert worden, als wollten sie sich verteidigen. Manchmal auch nur leer. Selten lächelnd. Es wirkt, als sei die Kamera ein Fremdkörper, der diese Menschen bei ihrem heimlichen Tun unterbrochen oder sich in voyeuristischer Absicht unbemerkt unter sie gemischt habe.
Da sind hagere Kinder, da ist viel Körperkontakt, aber es fehlt der warme Ton. Da sind ein paar Flecken zu viel auf Haut und Bettdecken, als dass alles idyllisch, harmlos und schick wirken könnte. Sehr viel behaarte Männerarme um schmale Kinderleiber. Menschen ohne Gesicht. Die Landschaften, die sie fotografiert hat, bleiben hinter dunklen Schleiern. Zerkratzte, alte Fotoplatten vermitteln kein klares Bild, allenfalls eine Ahnung. Ein wenig wie die Bilder, die ich in den Pappkistchen im Schrank meiner Großmutter fand, nachdem sie gestorben war. Und Gesichter. Sie hat sie serienweise abgelichtet, und wenn man sie anschaut, weiß man nicht, ob sie tot sind oder lebendig. Sie wirken wie wächserne Exponate einer anatomischen Sammlung.
Kein Wunder, dass sich Frau Mann auch von der sogenannten Body Farm in Tennessee angezogen fühlte. Auf dem Gelände dieser Einrichtung beobachten Forensiker den Verfall menschlicher Körper unter verschiedenen Bedingungen am nicht mehr lebenden Objekt. Bilder von der Body Farm habe ich schon einmal bei einem Vortrag von Mark Benecke gesehen, aber diese hier sind anders. Dem entsprechenden Link zu folgen empfehle ich nur Hartgesottenen. Wie bei ihren Landschaften auch verwendete sie eine alte Fototechnik. So bleibt manches im Diffusen, und das, was die menschlichen Körper zunehmend zerstört hat, scheint sich wie übergreifender Verfall auch auf die Bilder von ihnen zu übertragen. Mit morbider Faszination und tiefem inneren Schrecken zugleich klickte ich mich durch die Strecke.
Mir ging immer wieder durch den Kopf: "Ja, das ist, was geschieht, wenn das Leben endet." Ein Standardvorgang, etwas ganz Natürliches, das nur deshalb, weil es weitestgehend ignoriert wird, nicht weniger real ist. Unschön, auf jeden Fall. Fotografiert von Sally Mann noch unschöner, weil die Distanz irgendwie fehlt, die hochauflösenden Farbfotos innewohnt. Das Bild, das sie macht, gleicht viel eher dem damit verbundenen, in unserem Inneren verborgenen Grundgefühl.
"Noch nicht, noch nicht!", flüstert es in mir, und: "Ich lebe!" Und ich habe auf einmal ein großes Bedürfnis, mich zu fühlen. Die Wärme meiner Haut, die Unmittelbarkeit des eigenen Herzschlags, den Glanz in den eigenen Augen.
Was ich sah, fand ich auf eine seltsam ästhetische Art verstörend. Menschen in Schwarzweiß, die irgendwie inszeniert wirken und zugleich so, als sei die Fotografin nach einer Autopanne in einen Ort verschlagen worden, in dem schon seit Jahrzehnten lediglich inzestuöse Verbindungen bestehen und deren Bewohner sich aus seiner abgeschlossenen Existenz lange Zeit nicht mehr herausbewegt haben. Mit ein wenig mehr Zuckerguss und etwas weniger hervorstehenden Rippen hätte das alles auch als Reklame für skandinavische Mode herhalten können. Aber dafür taugen die Bilder eben doch nicht. Dazu sind sie zu wenig unbefangen. Die Abgebildeten blicken in die Kamera, als seien sie provoziert worden, als wollten sie sich verteidigen. Manchmal auch nur leer. Selten lächelnd. Es wirkt, als sei die Kamera ein Fremdkörper, der diese Menschen bei ihrem heimlichen Tun unterbrochen oder sich in voyeuristischer Absicht unbemerkt unter sie gemischt habe.
Da sind hagere Kinder, da ist viel Körperkontakt, aber es fehlt der warme Ton. Da sind ein paar Flecken zu viel auf Haut und Bettdecken, als dass alles idyllisch, harmlos und schick wirken könnte. Sehr viel behaarte Männerarme um schmale Kinderleiber. Menschen ohne Gesicht. Die Landschaften, die sie fotografiert hat, bleiben hinter dunklen Schleiern. Zerkratzte, alte Fotoplatten vermitteln kein klares Bild, allenfalls eine Ahnung. Ein wenig wie die Bilder, die ich in den Pappkistchen im Schrank meiner Großmutter fand, nachdem sie gestorben war. Und Gesichter. Sie hat sie serienweise abgelichtet, und wenn man sie anschaut, weiß man nicht, ob sie tot sind oder lebendig. Sie wirken wie wächserne Exponate einer anatomischen Sammlung.
Kein Wunder, dass sich Frau Mann auch von der sogenannten Body Farm in Tennessee angezogen fühlte. Auf dem Gelände dieser Einrichtung beobachten Forensiker den Verfall menschlicher Körper unter verschiedenen Bedingungen am nicht mehr lebenden Objekt. Bilder von der Body Farm habe ich schon einmal bei einem Vortrag von Mark Benecke gesehen, aber diese hier sind anders. Dem entsprechenden Link zu folgen empfehle ich nur Hartgesottenen. Wie bei ihren Landschaften auch verwendete sie eine alte Fototechnik. So bleibt manches im Diffusen, und das, was die menschlichen Körper zunehmend zerstört hat, scheint sich wie übergreifender Verfall auch auf die Bilder von ihnen zu übertragen. Mit morbider Faszination und tiefem inneren Schrecken zugleich klickte ich mich durch die Strecke.
Mir ging immer wieder durch den Kopf: "Ja, das ist, was geschieht, wenn das Leben endet." Ein Standardvorgang, etwas ganz Natürliches, das nur deshalb, weil es weitestgehend ignoriert wird, nicht weniger real ist. Unschön, auf jeden Fall. Fotografiert von Sally Mann noch unschöner, weil die Distanz irgendwie fehlt, die hochauflösenden Farbfotos innewohnt. Das Bild, das sie macht, gleicht viel eher dem damit verbundenen, in unserem Inneren verborgenen Grundgefühl.
"Noch nicht, noch nicht!", flüstert es in mir, und: "Ich lebe!" Und ich habe auf einmal ein großes Bedürfnis, mich zu fühlen. Die Wärme meiner Haut, die Unmittelbarkeit des eigenen Herzschlags, den Glanz in den eigenen Augen.