Sturmflut
Mittwoch, 20. April 2011
Endlosschleife
Ich bin so müde. Wie kann man so müde sein?

Ich weiß, dass dieses bleierne Gefühl mich immer dann überkommt, wenn es innerlich nicht weitergeht, wenn ich etwas wegschließe oder nicht bewältigen kann. Dieses Mal ist es Streit.

Ich bin nicht schlecht im Streiten. Das sind wir beide nicht. Meistens kommen wir zu einer für beide befriedigenden, konstruktiven Lösung. Aber in der letzten Zeit habe ich mehr und mehr das Gefühl, bei Streits immer diejenige zu sein, die sich mehr kontrolliert, mehr selbst kritisiert, mehr selbst beobachtet, die öfter klein beigibt, mehr Zugeständnisse und weniger Vorwürfe macht, die versucht, ihn zu verstehen. Ich habe das Gefühl, meine Bedürfnisse spielen keine Rolle. Ich habe Angst, mich zu verlieren. Gleichzeitig ist der Zorn in mir manches Mal so groß, dass ich am liebsten schreien würde. Aber ich weiß, das führt zu nichts. Ich habe schon so oft geschrien, und außer dem sandigen Gefühl in der Kehle blieb davon nichts zurück.

Das Problem ist fast immer meine Wahrnehmung. Ich bin anscheinend ein wirkliches Sensibelchen. Ich kann mich seinen Stimmungen nicht entziehen. Manchmal sitze ich da und versuche nur, sie wertfrei zu beobachten, ihnen mit Gelassenheit zu begegnen oder sie im schlechtesten Fall zu ignorieren. Aber irgendwann erfasst mich doch der Strudel. Ich fühle mich verantwortlich für sein Befinden, fühle mich dafür verantwortlich, Verständnis für ihn und sein Handeln aufzubringen, und der Druck dazu ist so groß, dass ich es kaum aushalte. Gleichzeitig schreit es in meinem Inneren: "Und wer denkt an mich? Wer kümmert sich um meinen Zorn? Um mein Gefühl, ungerecht behandelt zu werden und immerzu nur einzustecken? Wieso walzt er wieder über mich hinweg, wieso sieht er wieder nur noch rot?"

Manchmal stinkt's mir. Wenn er seine "Alle haben es auf mich abgesehen"-Phase hat. Oder wenn er die ganze Welt einfach nur schlecht findet, was mich mit einschließt. Wenn er aggressiv wird. Ich kann es spüren, aber ich kann es nicht benennen. Er fragt: "Was habe ich getan?" Und dann kann ich immer nur von meinem eigenen tiefen Unbehagen sprechen, von der Spannung, die ich spüre. Von seiner Hektik, die mich ansteckt, seiner Aktivität, die mich überrollt. Von den finsteren Wolken um seinen Kopf, die irgendwann auch meinen Blick verschleiern. Von seiner Wut, die mich erschreckt.

Mir kriecht die Erschöpfung im Körper hoch, durch die Kehle bis in die brennenden Augen. Mir kommen die Tränen, und mein innerer Analyseapparat schaltet wegen Überhitzung ab, und dann kann ich es nicht mehr fassen. Ich begreife es nicht. Weder, wenn ich mich auf eigene innere Spurensuche mache, noch wenn ich versuche, zu verstehen, was in ihm vorgeht. Irgendwann sind wir am Ende beide so ausgelaugt und unendlich traurig, dass wir einander nur sagen können: "Es tut mir Leid, ich wollte nicht, dass es so weit kommt...!" Und ein paar Minuten später, wenn nach einer Schweigepause die Kraft wieder zugenommen hat, folgt das "Aber...!" Alles dreht sich wieder weiter.

Ich bin so müde.

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