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Freitag, 18. Oktober 2013
Wiederauferstehung
Am 18. Okt 2013 im Topic 'Seemannsgarn'
Im März schrieb ich vom Kummer des Fahrrades. Da mich la bicicletta bislang immer treu überall hin begleitet hat und ich finde, sie hat Charakter, ließ mich auch ihr Leiden unter Rost und abblätternder Farbe nicht kalt. Ich habe also hin- und herüberlegt, was ich mit ihr mache und wie ihr zu helfen sei.
Ich hatte Berührungsängste, was ihre Restaurierung betraf, weil ich das noch nie gemacht habe und weit entfernt davon bin, ein Rostbehandlungs- und Lackierprofi zu sein. Ich habe weder Sandstrahler noch Lackierzelt, aber höchstwahrscheinlich einen viel zu hohen Anspruch an mich selbst, was solche Arbeiten betrifft. All die Vorüberlegungen sind ohnehin für die Tonne, denn sobald man davor steht und tatsächlich machen will, ergeben sich praktische Erfordernisse, auf die man sich theoretisch nicht vorbereiten kann.
Ich nahm also irgendwann das Rad auseinander. Nicht vollständig, aber so weit, dass ich an die wichtigen Teile herankommen konnte, die besonderer Aufmerksamkeit bedurften. Der traurige Zustand des vorderen Schutzbleches war mir ja kein Geheimnis, das konnte ich sehen. Aber ich erschrak schon sehr, als ich am Hinterrad den Moleskin-Rockschutz abmontierte und feststellen musste, dass das hintere Schutzblech ebenfalls ziemlich gelitten hatte, insbesondere an den Stellen, wo der Rockschutz auflag und deshalb öfter mal das Wasser stand und nahe des Tretlagers, wo sich wohl die meiste Feuchtigkeit, der meiste Dreck des dreißigjährigen Fahrradlebens gesammelt hatten.
Mit Ausnahme des Hinterrades montierte ich also alle Teile ab, das Vorderrad, die Schutzbleche samt ihrer Haltestangen, den Gepäckträger. Derart entkleidet stand der Rahmen des Fahrrades dann lange Zeit im Schuppen, während ich mich den Einzelteilen widmete. Sah verdammt traurig aus. So nackt irgendwie.
Ich hatte mir einen Fundus an Nassschleifpapier zugelegt, außerdem Metallschutzlacke in schwarz und weiß und Rostkonverter.
Ich begann also mit dem Schleifen der rostigen Partien, was sich als durchaus mühseliges Unterfangen herausstellte. Außerdem kam ich mir so grob vor. Ich wollte ja schließlich vom Originallack erhalten, was zu erhalten war.
Als der Rost und lose Partikel an allen Teilen so gut es ging heruntergeschliffen waren, behandelte ich die offenliegenden Bereiche mit dem Rostkonverter. Den Rahmen und die einzelnen Teile breitete ich auf einer großen, blauen Plane aus und bepinselte sie in sorgfältiger Kleinarbeit mit der extrem nach Sherry riechenden Flüssigkeit. Nach 48 Stunden Einwirkzeit wusch ich alles ab und wiederholte dann die Prozedur.
La biciclettas gesamte Rekonvaleszenz ging auf diese Art vor sich: Einzelne Teile schleifen, bepinseln, trocknen lassen, abwaschen, erneut bearbeiten. Auch mit dem Lack war es ähnlich. Ich hatte mich für Lack in Dosen entschieden und diesen in wiederholten, feinen Schichten mittels eines Aquarellpinsels aufgetragen, um allzu grobe Pinselspuren zu vermeiden. Lackieren, gut durchtrocknen lassen, fein mit 1000er-Nassschleifpapier anschleifen, trocknen lassen, eine neue Schicht Lack auftragen, trocknen lassen, schleifen...
Es zog sich über Wochen und Monate, während derer mir das Fahrrad extrem fehlte. Leihweise hatte ich das Klapprad des Gatten, das mir denn auch prompt den Gefallen tat, in voller Fahrt die Kette zu verlieren. Das Kettenfett an meinen verkrampft in die Höhe gehaltenen Händen entfernte Schwiegermutter fürsorglich mit Power-Reiniger, und ich radelte dann vorsichtig wieder heim. Das passierte (mit Ausnahme der Power-Reiniger-Episode) noch etliche Male, so dass ich dann irgendwann dazu überging, zu Fuß zu gehen oder mit dem Bus zu fahren (was mir bei schönem Wetter besonders widersinnig erschien). Ohne Rad ist doch alles nichts.
In den letzten Tagen brachte ich dann den vorletzten Schliff an, polierte einzelne Chromteile und die Bleche, setzte dem vorderen seine charmante Chromnase wieder auf und bastelte gestern unter geduldiger, engagierter Mithilfe des Gatten (oder eigentlich sollte man eher sagen, er bastelte, ich half) das Fahrrad weitestgehend wieder zusammen. Die korrekte Anordnung der Einzelteile des Dynamo ist noch zu überprüfen - das darf ein Fachhändler machen. Mit der lustigen Gestängebremse verhält es sich ähnlich, auch wenn ich denke, da kriege ich das Feintuning alleine hin.
Jetzt steht sie da, meine bicicletta, ein paar Kleinigkeiten fehlen noch, und ein paar Narben hat sie behalten, aber es geht ihr soweit gut. Vor allem sieht sie, den Umständen entsprechend, auch ziemlich gut aus. Einem Profilackierer dürfte man das vermutlich nicht zeigen, denn da sind Unterschiede zwischen schwarz (alt) und schwarz (neu), doch hier und da Pinselspuren, eine noch erkennbare Klebebandkante, ein paar einlackierte Stäubchen und Körnchen, leider abgeriebene Decals und andere kleinere Schönheitsfehler, aber was solls.
Als Laie mit beschränkten Mitteln habe ich das doch ordentlich hingekriegt.
Vor allem aber können wir jetzt wieder gemeinsam unterwegs sein, das Fahrrad und ich. Das wird uns beiden gut tun - endlich habe ich la bicicletta wieder.
Wie gesagt, ohne Rad ist das nichts.
Ich hatte Berührungsängste, was ihre Restaurierung betraf, weil ich das noch nie gemacht habe und weit entfernt davon bin, ein Rostbehandlungs- und Lackierprofi zu sein. Ich habe weder Sandstrahler noch Lackierzelt, aber höchstwahrscheinlich einen viel zu hohen Anspruch an mich selbst, was solche Arbeiten betrifft. All die Vorüberlegungen sind ohnehin für die Tonne, denn sobald man davor steht und tatsächlich machen will, ergeben sich praktische Erfordernisse, auf die man sich theoretisch nicht vorbereiten kann.
Ich nahm also irgendwann das Rad auseinander. Nicht vollständig, aber so weit, dass ich an die wichtigen Teile herankommen konnte, die besonderer Aufmerksamkeit bedurften. Der traurige Zustand des vorderen Schutzbleches war mir ja kein Geheimnis, das konnte ich sehen. Aber ich erschrak schon sehr, als ich am Hinterrad den Moleskin-Rockschutz abmontierte und feststellen musste, dass das hintere Schutzblech ebenfalls ziemlich gelitten hatte, insbesondere an den Stellen, wo der Rockschutz auflag und deshalb öfter mal das Wasser stand und nahe des Tretlagers, wo sich wohl die meiste Feuchtigkeit, der meiste Dreck des dreißigjährigen Fahrradlebens gesammelt hatten.
Mit Ausnahme des Hinterrades montierte ich also alle Teile ab, das Vorderrad, die Schutzbleche samt ihrer Haltestangen, den Gepäckträger. Derart entkleidet stand der Rahmen des Fahrrades dann lange Zeit im Schuppen, während ich mich den Einzelteilen widmete. Sah verdammt traurig aus. So nackt irgendwie.
Ich hatte mir einen Fundus an Nassschleifpapier zugelegt, außerdem Metallschutzlacke in schwarz und weiß und Rostkonverter.
Ich begann also mit dem Schleifen der rostigen Partien, was sich als durchaus mühseliges Unterfangen herausstellte. Außerdem kam ich mir so grob vor. Ich wollte ja schließlich vom Originallack erhalten, was zu erhalten war.
Als der Rost und lose Partikel an allen Teilen so gut es ging heruntergeschliffen waren, behandelte ich die offenliegenden Bereiche mit dem Rostkonverter. Den Rahmen und die einzelnen Teile breitete ich auf einer großen, blauen Plane aus und bepinselte sie in sorgfältiger Kleinarbeit mit der extrem nach Sherry riechenden Flüssigkeit. Nach 48 Stunden Einwirkzeit wusch ich alles ab und wiederholte dann die Prozedur.
La biciclettas gesamte Rekonvaleszenz ging auf diese Art vor sich: Einzelne Teile schleifen, bepinseln, trocknen lassen, abwaschen, erneut bearbeiten. Auch mit dem Lack war es ähnlich. Ich hatte mich für Lack in Dosen entschieden und diesen in wiederholten, feinen Schichten mittels eines Aquarellpinsels aufgetragen, um allzu grobe Pinselspuren zu vermeiden. Lackieren, gut durchtrocknen lassen, fein mit 1000er-Nassschleifpapier anschleifen, trocknen lassen, eine neue Schicht Lack auftragen, trocknen lassen, schleifen...
Es zog sich über Wochen und Monate, während derer mir das Fahrrad extrem fehlte. Leihweise hatte ich das Klapprad des Gatten, das mir denn auch prompt den Gefallen tat, in voller Fahrt die Kette zu verlieren. Das Kettenfett an meinen verkrampft in die Höhe gehaltenen Händen entfernte Schwiegermutter fürsorglich mit Power-Reiniger, und ich radelte dann vorsichtig wieder heim. Das passierte (mit Ausnahme der Power-Reiniger-Episode) noch etliche Male, so dass ich dann irgendwann dazu überging, zu Fuß zu gehen oder mit dem Bus zu fahren (was mir bei schönem Wetter besonders widersinnig erschien). Ohne Rad ist doch alles nichts.
In den letzten Tagen brachte ich dann den vorletzten Schliff an, polierte einzelne Chromteile und die Bleche, setzte dem vorderen seine charmante Chromnase wieder auf und bastelte gestern unter geduldiger, engagierter Mithilfe des Gatten (oder eigentlich sollte man eher sagen, er bastelte, ich half) das Fahrrad weitestgehend wieder zusammen. Die korrekte Anordnung der Einzelteile des Dynamo ist noch zu überprüfen - das darf ein Fachhändler machen. Mit der lustigen Gestängebremse verhält es sich ähnlich, auch wenn ich denke, da kriege ich das Feintuning alleine hin.
Jetzt steht sie da, meine bicicletta, ein paar Kleinigkeiten fehlen noch, und ein paar Narben hat sie behalten, aber es geht ihr soweit gut. Vor allem sieht sie, den Umständen entsprechend, auch ziemlich gut aus. Einem Profilackierer dürfte man das vermutlich nicht zeigen, denn da sind Unterschiede zwischen schwarz (alt) und schwarz (neu), doch hier und da Pinselspuren, eine noch erkennbare Klebebandkante, ein paar einlackierte Stäubchen und Körnchen, leider abgeriebene Decals und andere kleinere Schönheitsfehler, aber was solls.
Als Laie mit beschränkten Mitteln habe ich das doch ordentlich hingekriegt.
Vor allem aber können wir jetzt wieder gemeinsam unterwegs sein, das Fahrrad und ich. Das wird uns beiden gut tun - endlich habe ich la bicicletta wieder.
Wie gesagt, ohne Rad ist das nichts.
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