Sturmflut
Leonie
Gerade war ich mit dem Gemahl noch kurz in der Innenstadt. Ein paar Lebensmittel sollten besorgt werden und die durchlöcherten Socken ersetzt, die gestern in die Tonne gewandert waren.

Also waren wir im Klamottenladen. Der hiesige erstreckt sich über drei Etagen - unten Damen, mittig Herren, oben Kinder. Im mittleren Geschoss kramten der Gemahl und ich in der Wühlkiste mit den Sammelpacks Socken, da schrillte es durch den Laden:

"Leonie!! Leonie!!"

Ich sah indessen ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren mit der Rolltreppe in den oberen Stock fahren. Zum Gemahl sagte ich: "Na, da klingt aber jemand herzlich!" "Naja, wenn die Kleine ausgebüchst ist..." gab mein Mann zu bedenken.

Wir ließen Leonie Leonie sein und fuhren wieder ein Stockwerk tiefer, wo ich nach Strümpfen schauen wollte, da brüllte die Mama erneut vernehmlich durch den ganzen Laden: "Leonie? Leonie?!" Komm jetzt gefälligst her!" Was sich noch zirka drei-, viermal wiederholte. Dann: "Leeeeonie!! Okay, ich geh' jetzt!" Und eine halbe Minute später: "Leonie!!", ehe dann das vermisste Mädchen auftauchte. Von der Mutter zusammengestaucht und zur Rede gestellt, sagte das Kind: "Mama, ich hab' Dich gesucht!" "Ja ja. Immer hier rumrennen, ich glaub', es hakt - Du Arsch!"

"Ich glaub', Du hattest Recht mit Deinem Bauchgefühl!" meinte mein Mann, während wir betreten ob der mütterlichen Wortwahl hinter der Madame her Richtung Ausgang stapften.

"Du Ziege!" fauchte sie ihr Kind an und gab ihm einen kräftigen Schubser von hinten. Da platzte mir der Kragen. "Hallo? Wie reden Sie eigentlich mit Ihrem Kind?" Die Angesprochene wuchtete ihren massigen Körper herum und starrte mich feindselig an. "Ja klar! Wer hat denn jetzt schon wieder was zu meckern?"

Ich sagte nur: "Bei einem solchen Ton würde ich als Kind auch weglaufen!"

"Ja! Auf Wiedersehen!" motzte die Dame und ging nach draußen. Ob sie mein "Hoffentlich nicht!" noch hörte, weiß ich nicht.